"Putschversuch war ein Terror-Akt"

BEZIRKSBLÄTTER: Die Türkei kommt nicht aus den Schlagzeilen. Wie schätzen Sie als türkischstämmiger Österreicher, Kottingbrunner und ÖVP-Funktionär im Bezirk Baden die Situation ein?
Selfet Yilmaz: Dieser Putschversuch war ein Terrorakt gegen die eigene Bevölkerung, gegen die Demokratie, gegen die Rechtstaatlichkeit - somit sind das Terroristen und keine Gutmenschen, die das Land von einem Diktator Erdogan befreien wollen – wie viele es glauben. Es kann nicht sein, dass das Militär mit Gewalt die Macht im Staate übernehmen will.

Dem Hirtenberger SPÖ-Gemeinderat Fatih Toraman wird vorgeworfen, dass er in der Putschnacht nach Wien gefahren ist. Er bestreitet aber, an der unangemeldeten Pro-Erdogan-Demo teilgenommen zu haben. Waren Sie auch in Wien?
Nein. Ich bin auch nicht Befürworter dieser Demos gewesen. Den Konflikt nach Österreich zu tragen war verantwortungslos. Man braucht kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass diese Demos eher negative Auswirkungen haben werden.

Warum ist die Stimmung zwischen EU und Türkei so angespannt?
Die Türkei ist seit dem Putschversuch im Ausnahmezustand und von der EU war kaum Solidarität zum Beitrittskandidaten zu sehen, ganz im Gegenteil. Viele haben es offenbar sogar für schade empfunden, dass der Putsch misslungen ist. Ein großer Fehler. Die Türkei ist auf jeden Fall ein Nachbarland der EU – und gegenüber Nachbarn sollte man eine gewisse Solidarität zeigen, auch wenn man nicht immer politisch einer Meinung ist.

Aber ist ein Land, dessen Regierung über die Todesstrafe nachdenkt, europafähig?
Die Türkei hat vor 26 Jahren die Todesstrafe abgeschafft und ich hoffe sehr, dass die Bevölkerung das weiter so will und entsprechend die richtige Entscheidung treffen wird. Ich persönlich bin strikt gegen die Todesstrafe.

Sie als ÖVP-Funktionär müssen sich jetzt mit Ihrem Parteifreund, Außenminister Sebastian Kurz auseinandersetzen, der den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen fordert. Was sagen Sie Herrn Kurz?
Ausnahmsweise bin ich nicht der Meinung von Außenminister Kurz. Die Verhandlungen sollten mit noch mehr Intensität fortgeführt werden, wer will dass es einem Nachbarland schlecht geht? Nicht nur die EU sondern auch die ganze Region brauchen eine stabile Türkei.

Sie waren federführend in das Mediationsverfahren beim Bau der Vöslauer Moschee involviert. Heute sind Sie bei der ÖVP engagiert - Integration zum Vorzeigen?
Ich finde schon. Wir brauchen hier endlich mehr türkischstämmige Politiker, die den Anteil der türkischstämmigen Bevölkerung vertreten und keine Politiker, die ständig gegen die Türkei oder Erdogan hetzen. Wenn man schon gegen „türkische Einmischung“ in Österreich ist, dann muss man auch gegen „österreichische Einmischung“ in der Türkei sein.

Wie soll es in der Türkei weitergehen? Die EU braucht ja die Türkei, Stichworte: Flüchtlinge, Syrien-Konflikt, Grenzsicherung. Braucht die Türkei die EU: Stichwort Putin?
Ohne Präsident Erdogan ist es nicht möglich das Land von diesen Schlamm zu befreien. Ich hoffe dass Erdogan, somit auch die ganze Regierung inkl. Opposition und vor allem die Bevölkerung die richtigen Lehren daraus ziehen, nämlich dass man die Religion und Politik nicht miteinander vermischen soll. Die Menschen haben nicht Erdogan sondern die Demokratie gerettet – das weiß spätestens jetzt auch Erdogan. Ich sehe das auch als einen Beweis, dass die Bevölkerung demokratisch reifer geworden ist.

Die Gretchenfrage: Wie halten Sie's mit Erdogan?
Es ist völlig egal wer die Regierungsverantwortung hat – als Turgut Özal, nebenbei bemerkt ein Kurde, regierte war ich auch hinter Özal, ich bin immer auf der Seite des Rechtsstaates – daher bin immer auf der Seite der gewählten türkischen Regierung, völlig egal wer regiert. Aber mindestens genauso bin ich auch hinter der österreichischen Regierung und somit auch hinter der Religionsbehörde Diyanet und auch ATIB – und seit dem neuen Islamgesetz hinter der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, das ist meine Haltung. Rechtsstaatliche Einrichtungen dürfen nur mit rechtsstaatlichen Mitteln verändert werden.

Erdogan-Bilder und türkische Flaggen in heimischen "Türkenvierteln", wie etwa in Bad Vöslau oder in Wr. Neustadt - ist das für Sie ein Problem? Laut unserem Rechtsstaat darf man doch seine Meinung frei äußern..
Es kommt dabei immer auf den Zusammenhang, den Kontext, an. Bei internationalen Fußballspielen sieht man auch Fahnen aus allen Ländern und niemand stößt sich daran. Wenn es aber in heiklen Situationen Missverständnisse geben kann, dann ist es besser, wenn hier Zurückhaltung geübt wird und es ist nicht dagegen zu argumentieren, dass der Wr. Neustädter Bürgermeister diese Zurückhaltung einfordert. Die freie Meinungsäußerung in Österreich sehe ich nicht gefährdet. Wenn ich die Medien in unserem Land durchstöbere, finde ich viele kritische Stimmen in allen Richtungen und das ist gut so.

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