Alkohol ist so richtig eifersüchtig

Täglich ein paar Seidel Bier und die Sucht nimmt ihren Lauf. Davon loszukommen wird schwer. | Foto: Symbolfoto: bilderbox.com
  • Täglich ein paar Seidel Bier und die Sucht nimmt ihren Lauf. Davon loszukommen wird schwer.
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Der 48-jährige Obersteirer K. H. ist trockener Alkoholiker. Er weiß, dass er keinen Tropfen trinken darf. Wie er dem Laster der Alkoholsucht entkam, erzählt er im WOCHE-Interview.

Wie schlitterten Sie in die Alkohol-Abhängigkeit?
Automatisch während meiner beruflichen Tätigkeit. Um den Führerschein zu behalten, habe ich harte Getränke weggelassen. Erst trank ich drei bis fünf Flaschen Bier, dann wurden es sechs bis sieben. Ich war bald ein Spiegeltrinker, trank nie exzessiv. Wenn die Kanne voll war, ging ich heim – oft drei Kilometer. Das nächste Bier wäre zu viel gewesen. Zu Hause war ich nüchtern.

Wie haben Sie ihre Sucht bekämpft?
Vor vier Jahren war ich acht Wochen lang in Treffen in Kärnten auf Entzug. Dort war klar geworden, dass ich mich von alten Gewohnheiten trennen musste. Nach meiner Rückkehr glaubte meine Frau, dass das Leben so weiterginge – nur ohne Alkohol. Das war nicht möglich. Ich musste mich von einigen Leuten trennen, denn lustig war's nur, wenn ich mittrank. Nüchtern brauche ich beispielsweise die Kommentare am Fußballplatz nicht. Sie sind unterstes Limit.
Nüchtern frage ich mich: Warum tue ich mir das an? Dass ich nichts mehr trinken konnte, verstanden viele nicht. Sie brachten automatisch ein Bier mit.

Was hat Ihnen geholfen?
Nach dem Entzug ging ich ein Jahr lang in die "b.a.s. Suchtberatungsstelle" in Kapfenberg. Mir hat es gutgetan, mit Außenstehenden zu reden. Die Familie hilft da nicht, da gibt es Blockaden. Ich brauchte jemanden, der einfühlsam ist und mich versteht – eine Vertrauensperson. Ohne Hilfe hätte ich das nicht geschafft. Ich hatte im wahrsten Sinne des Wortes viel hinuntergetrunken. Um Streit zu vermeiden, machte ich mir – wie programmiert – ein Bier auf.

Gab es Rückfälle?
Ja, als ich meine Frau verlor und Freunde. Dann trank ich Wodka – erst eine Flasche pro Woche, dann eine in zwei Tagen. Meine Hände begannen extrem zu zittern und ich konnte das Glas nicht mehr halten. Nach der Trennung war ich suizidgefährdet.

Wann kam das endgültige Stopp?
Meine Firma verwarnte mich und setzte mir eine Deadline. Ich musste mich entscheiden. Die Firma war sehr tolerant. Ich konnte viereinhalb Monate in Krankenstand gehen, um die Entwöhnung zu schaffen.
Besonders halfen mir zwei Wiener Freunde beim Aushalten meines Trennungsschmerzes und am meisten beim Wodkaentzug. Ein Freund nahm mich in seiner Wohnung auf und wich nicht von meiner Seite. Er unterband jeglichen Alkoholkontakt und ging mit mir zu Fuß durch die Stadt.
Gleichzeitig traf ich mich jeden zweiten Tag mit einem Neurologen. Wir hatten gemeinsam den Entzug gemacht. Mit ihm zu reden half sehr. Kommunikation ist wichtig, dann brauchst keinen Alkohol. Und ich war bei den "Anonymen Alkoholikern". Ich habe seither keinen Tropfen Alkohol getrunken. Wichtig ist, dass du innerhalb von 24 Stunden das erste Glas stehen lässt. Dann hast du einen Tag gewonnen. Es geht darum, Tag für Tag so weiterzutun. Alkohol ist eifersüchtig, er will dich ganz alleine haben.

Wie geht es Ihnen heute?
Gewisse Freunde habe ich immer mehr zurückgewiesen. Mittlerweile laden sie mich nicht mehr ein. Heute habe ich Kontakt zu anderen Menschen. Meine Arbeit hat Vorrang. Und ich male – 150 Bilder gibt es schon. Das Malen ersetzt das Bier. Es gilt, dem Suchtfaktor zu widerstehen, die 10 Minuten des Verlangens zu überwinden, indem ich etwas Anderes tue. Ich lese viel – das beruhigt. Früher hatte ich Stress, musste stets auf ein Bier gehen. Heute fahre ich spontan mit dem Rad auf den Berg und weiß, dass ich nur nüchtern gut drauf bin.

Barbara Pototschnig

Sucht und ihre Folgen im Überblick

Die "Steirische Gesellschaft für Suchtfragen b.a.s." arbeitet mit Suchtgefährdeten, Suchtkranken und deren Bezugspersonen. Der Verein hat in der Steiermark 13 Beratungsstellen, drei im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag, in Bruck, Kapfenberg und Mürzzuschlag.
2015 kamen im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag 189 Betroffene und 23 Angehörige zur Beratung, davon 136 Männer und 53 Frauen. 107 Personen kamen im Jahr 2015 zum ersten Mal in die Beratungsstelle, knappe 60 Prozent davon kurzfristig. Alkoholmissbrauch steht in den Beratungsstellen Bruck, Kapfenberg und Mürzzuschlag nach wie vor an erster Stelle. Halb so viele Menschen kamen wegen Drogenmissbrauchs, rund ein Viertel davon wegen pathologischem Glückspiel. Medikamentensucht und Essstörungen kommen seltener vor.
Infos unter 0664/84 67 677.

Die Symptome einer Alkoholsucht

Zentrales Alkoholsucht-Symptom ist ein starkes Verlangen nach Alkohol. Das ständige Denken an Alkohol und das Vernachlässigen anderer Bereiche sind ebenso typische Anzeichen. Alkoholsucht führt dazu, dass die Betroffenen Aufgaben und Interessen vernachlässigen und für sie Interessen, Freunde und Familie immer weiter in den Hintergrund rücken.
Durch den übermäßigen Alkoholkonsum entwickelt der Körper mit der Zeit eine Toleranz gegenüber der Droge. Ein Alkoholismus-Anzeichen ist daher auch, dass Betroffene deutlich mehr Alkohol vertragen als Menschen mit normalem Konsum. Die Betroffenen müssen immer mehr trinken, um einen Effekt zu spüren.
Wird bei körperlicher Abhängigkeit weniger oder gar kein Alkohol aufgenommen, zeigen sich Entzugssymptome. Dazu gehören Zittern, Schwitzen, Schlafstörungen, Angst und depressive Stimmung.

Wo: bas Suchtberatung, Wr. Str. 60, 8605 Kapfenberg auf Karte anzeigen
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