Der Riesen-Bärenklau ist eine eigene Liga

Bezirkshauptmann HR Helmut-Theobald Müller mit Andrea Krapf von der Abteilung 13 Umwelt und Raumordnung, Amtsärztin Barbara Margl und HR Christian Sulzbacher, Leiter der Politischen Expositur Gröbming.
  • Bezirkshauptmann HR Helmut-Theobald Müller mit Andrea Krapf von der Abteilung 13 Umwelt und Raumordnung, Amtsärztin Barbara Margl und HR Christian Sulzbacher, Leiter der Politischen Expositur Gröbming.
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DEUTSCHLANDSBERG. "So gut gefüllt war unser Veranstaltungssaal noch nie, und das an einem so herrlichen Sommerabend", war Bezirkshauptmann Helmut-Theobald Müller erstaunt ob des großen Andrangs bei der Bürgermeisterkonferenz in der Bezirkshauptmannschaft, der volle drei Stunden angehalten hat. Der Grund ist ein höchst dringender: Der Riesenbärenklau.

Aus dem Kaukasus als schön blühende Pflanze eingeschleppt

"Sie werden auch Aliens genannt", so Andrea Krapf von der Abteilung 13 Umwelt und Raumordnung des Landes Steiermark, die diese aus dem Kaukasus eingeschleppte Pflanze, auch invasive Neophyten genannt, sehr detailreich vorstellte. Im Auditorium waren aber nicht nur Bürgermeister von St. Stefan ob Stainz bis St. Martin im Sulmtal vor Ort, sondern auch Vertreter der Exekutive, allen voran Bezirkspolizeikommandant Obstlt Helmut Zöhrer, der Jägerschaft mit Bezirksjägermeister Hannes Krinner, der Freiwilligen Feuwerwehren, des Bundesheeres, der Ärzteschaft mit dem ärztlichen Direktor des LKH Deutschlandsberg Prim. Gottfried Filzwieser sowie des Abfallwirtschaftsverbandes, und natürlich aus den verschiedenen Bauhöfen, aber auch Landwirte und interessierte Privatpersonen. Die Initiative zu dieser Veranstaltung ist von der Berg- und Naturwacht mit Bezirksleiter Martin Povoden ausgegangen, da vor allem die Zuständigkeiten zur Entfernung und Entsorgung der Giftpflanze ungeklärt sind. "Diese Pflanze ist eine ganz eigene Liga", so Povoden und ergänzt: "Aufklärung und umfassende Information, ohne Panik zu erzeugen, sind das Um und Auf. Jetzt haben wir noch eine Chance, die Pflanze in der Verbreitung einzudämmen."

Der Riesen-Bärenklau wurde 2008 zur Giftpflanze des Jahres gewählt

In den Ausführungen von Andrea Krapf war über die Verbreitung der Pflanze, die ihren Siegeszug bis nach Island geschafft hat allerdings heiße Landabschnitte meidet, ebenso viel zu erfahren, wie über die Verbreitung der enormen Samenauswurfes über Wind und Wasser: "Die Samen sind im Wasser bis zu drei Tage lebensfähig. Sie können sich vorstellen, wie diese sich dann verbreiten können", so Karpf und ergänzt: "Der Riesen-Bärenklau kann sich nicht nur selbst bestäuben, er kann sogar seine Blütezeit verschieben, sollten die Bedingungen nicht auf Anhieb ideal für ihn sein. Diese Pflanze, die kaum natürliche Feinde hat, ist den heimischen Pflanzen einfach konkurrenszmäßig enorm überlegen".
Die Dolden einer einzigen Pflanze können bis zu 80.000 Einzelblüten enthalten und bis zu 15.000 Früchte (Doppelachänen mit jeweils zwei Samen) ausbilden.

Die Auswirkungen auf unsere Gesundheit

Doch was macht diese Pflanze so gefährlich? "Sie ist giftig, d. h. phototoxisch. Bei dem Gift handelt es sich um Furocumarine, die ihre giftige Wirkung dann entfalten, wenn sie mit der Haut in Berührung kommen und Licht (Sonnenstrahlung) einwirkt. Es kommt zur Photodermatitis. Es reicht oft schon Tageslicht in einer bestimmten Wellenlänge," so Amtsärztin Barbara Margl und erklärt die Auswirkungen: "Bei Berührung der Pflanze mit der Haut kommt es zuerst zu einem Juckreiz, dann zur Rötung der Haut und vor allem in Verbindung mit Sonnenlicht kann es zu Verbrennungen mit schmerzhafter Blasenbildung, wochenlangen Beschwerden und Veränderungen der Haut an der betroffenen Stelle bis hin zur Narbenbildung kommen. Wir haben es also nicht mit einer allergischen Reaktion zu tun, sondern mit einem wirklichen Gift, das zu schweren Hautveränderungen führen kann. In noch schlimmeren Formen hat man sogar schon von Fieber, Schweißausbrüchen und Kreislaufproblemen gelesen." Das Gift entwickelt bei feuchter Haut seine Wirkung übrigens besonders drastisch.

Giftausstoß an heißen Tagen

An besonders heißen Tagen gibt die Pflanze sogar ihre Giftstoffe an die Luft ab, sodass es bei einem Aufenthalt in ihrer Nähe zu Atemwegsbeschwerden mit Kurzatmigkleit und Entzündung der Atemwege kommen kann.
"Ein orale Aufnahme, wenn also etwas verschluckt wird, könnte zu Veränderungen im Verdauungstrackt führen", so die Amtsärztin.

Wasser, Seife und sofortiger Lichtschutz

Sollte man also doch in Hautkontakt mit dem Riesen-Bärenklau und seiner giftigen Substanz kommen, die auch schon an den Stängel-Härchen der Pflanze klebt, so muss man die betroffene Stelle sofort mit Wasser und Seife abwaschen und sie lichtschützend abdecken, damit es möglichst zu keiner phototoxischen Reaktion kommt. Wenn doch oben benannte Reaktionen auftreten, ist natürlich der Hausarzt aufzusuchen, wie bei jeder anderen Verbrennung auch. Vor allem Kinder sind daher von dieser ja sehr beeindruckenden und auch schönen Pflanze dringend fern zu halten.

Verdrängung heimischer Pflanzen

Nicht nur dass die Pflanze eine Gefahr für Mensch und Tier darstellt, sie verdrängt auch unsere heimischen Pflanzen: Der Riesenbärenklau keimt sehr früh im Jahreslauf aus und wächst sehr schnell. Er kann dabei eine Höhe von bis zu 4 Metern erreichen. Er hat kaum natürliche Feinde und nimmt daher anderen, heimischen Pflanzen das Licht zum Gedeihen weg und überwuchert alles andere. Der weißblühende Doldenblütler ist vor allem in den Monaten April und Mai mit einem besonders hohen Giftgehalt ausgestattet. "Zur Entfernung sind ein Schutzanzug, Schutzbrille, Gesichtsschutz und Gummihandschuhe nötig. Am Besten entfernt man die Pflanze in den Morgenstunden oder in der Dämmerung, also nicht bei Tageslicht", so Andrea Krapf und appelliert: "Wichtig ist jetzt, rasch und überlegt zu handeln, ohne Panik zu verbreiten." Sie warnte auch davor, den Riesen-Bärenklau mit heimischen Pflanzen, wie dem Wiesen-Bärenklau mit seinen gefiederten Blättern oder der Arznei-Engelwurz zu verwechseln.

Die rechtliche Grundlage ist eher zahnlos

"Wir haben nach wie vor keine rechtliche Handhabe gegen Arten, die nicht auf der Unionsliste stehen. Seit dem Vorjahr gibt es eine EU-Verordnung mit 37 aufgelisteten Pflanzen- und Tierarten, die erst vor ein paar Tagen veröffentlicht worden ist, für die jedweder Handel und Besitz verboten ist. Allerdings wollen zahlreiche Mitgliedsstaaten keine Arten, die schon weit verbreitet sind in diese Liste aufnehmen, da die Beseitigung mit Managementplänen, Kontrolle der Einfuhrwege u.a. einfach zu teuer käme.
In Österreich sind von diesen 37 Arten gerade einmal 13 auf dieser Unionsliste, die aber sehr, sehr spärlich vorkommen. Alle anderen Arten, die wir in der Steiermark bekämpfen, sind eben nicht auf der Liste, darunter auch der Riesen-Bärenklau. Daher gibt es auch keine rechtliche Handhabe vom Naturschutz aus, um diese Pflanzen rechtlich begründet zu entfernen", so Krapf, die selbst als Bundesländervertreterin in der EU ist.

Dringender Handlungsbedarf ist gegeben

Einig ist man sich, dass gehandelt werden muss, um eine weitere Verbreitung vor allem im Wohnbereich zu vermeiden.
So weit so gut: Doch wer entfernt die Pflanze? Und wie ist sie zu entsorgen?
Beispielgebend ist Christian Sulzbacher, Leiter der Politischen Expositur Gröbming im Bezirk Liezen, spontan zu diesem Informationsabend angereist. In Gröbming wird der Riesen-Bärenklau seit zwei Jahren bekämpft. "Ausschlaggebend war eine massive Verletzung durch Riesen-Bärenklau bei einem jungen Mann. Gerade in einem Tourismuszentrum, wie dem unserenm wäre die Verbreitung einer solchen Giftpflanze eine Katastrophe", so Sulzbacher, der nur im Ausgraben der Pflanze mitsamt der Wurzel eine Möglichkeit zur kompletten Vernichtung der jeweiligen Pflanze sieht.
Sulzbacher: "Eine komplette Ausrottung ist nicht möglich, da die Pflanze schon an Stellen wächst, die kaum zugänglich sind."

Ein Beispiel: Akutfall in Gröbming, einem Tourismuszentrum

Gemeinsam mit Tourismus, Berg- und Naturwacht, Naturschutzbund, Imker, Jägerschaft u.v.a hat man in Gröbming also eine Informationskampagne in Gemeindezeitungen und anderen Medien ohne Panikmache angekurbelt.
Um der Verwechslung mit nützlichen Pflanzen vorzubeugen, wurden alle Meldungen auch überprüft. Die Gemeinden haben über ihre Bauhöfe Leute zur Entfernung des Riesen-Bärenklaus abgestellt. In zwei Tranchen wurden ca. 350 Pflanzen ausgegraben und entfernt, allerdings im kleinwüchsigen Zustand. Entsorgt wurden die Pflanezenreste nach einigem Hin und Her mit dem Abfallwirtschaftsverband jetzt doch über die Biomasseheizungen.

"Wenn man sich auf rechtliche Kämpfe einlässt, ist man auf verlorenem Posten.
Daher haben wir sehr umfassende Aufklärungsgespräche mit den Betroffenen geführt, die zur Entfernung der Pflanzen geführt haben", so Sulzbacher, der auch über erfolgreiche Schulprojekte zur großflächigen Bekämpfung des drüsigen Springkrautes erzählen konnte.

Das Problem ist nicht neu, es wächst sich nur gerade aus

Dabei gibt es das Problem Riesen-Bärenklau schon länger: "Ich war bereits 1988 auf der Koralm und habe dort einen sehr großen Riesen-Bärenklau gesehen. Es gibt ihn also schon länger in der Gegend, nur ist die Pflanze jetzt schon recht verbreitet", so Krapf. Seit 2008 gibt es einen Aktionstag zu den invasiven Neophyten (auch für drüsiges Springkraut) in Kooperation mit der Berg- und Naturwacht. Die Aufklärung beginnt zu greifen, immer mehr Gemeinden und Ortseinsatzstellen machen bei der Bekämpfung mit. Es gibt auch ein EU-cofinanziertes Projekt, das jetzt laut Krapf wieder neu gegen invasive Neophyten aufgenommen wird, der Riesen-Bärenkau wurde dabei 2011 explizit ins Programm aufgenommen. Als Beispiel führte Andrea Krapf die Haller Vereinbarung in Liezen mit den Vereinen an. Dabei hat jeder Verein je eine invasive Neophyt-Art quasi als Pate übernommen, um diese zu bekämpfen.

Eine Frage der Entsorgung

"Bislang sind die Neophyten kein abfallwirtschaftliches Problem, auch wenn uns die Erfahrung noch fehlt. Wir sind zwar einerseits an bestehende Gesetze gebunden, sodass u.a. das Abfallrecht bei einer Entsorgung greift. Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen einheimischen und eingeschleppten Pflanzen. Wir bewegen uns in eine Graubereich und werden versuchen, einen gangbaren Weg zu finden, denn gerade die keimfähigen Samen müssen gut entsorgt werden. Wir werden steiermarkweit in den Abfallwirtschftsverbänden eine einheitlichen Vorgangsweise anstreben", so Erich Prattes, Obmann des Abfallwirtschaftsverbandes Deutschlandsberg, der die Entsorgung der Pflanzenreste über Biomasseheizwerke für sinnvoll hält, damit auch eine gewisse Feuchtigkeit bei der thermischen Verwertung zugeführt wird. Die Entsorgung kleiner Pflanzen im Restmüll ist bei uns in der Steiermark nicht wirklich anzuraten, da sämtliche Abfälle über eine Sortieranlage gehen. Dabei könnte durch Beschädigung des Müllsackes der Samen anstatt in der gwünschten, thermischen Fraktion in der diesbezüglich unerwünschten biologischen Fraktion landen, wo sich die Samen im übelsten Fall wiederum unkontrolliert ausbreiten könnten. "Wir bieten den Gemeinden Unterstützung an und wollen einen effiziente Durchführung zur Entsorgung wählen", so Prattes.

Kontakt bei Fundmeldung

Fundmeldungen zur Standortbestimmung von Riesen-Bärenklau und für weitere Maßnahmen sind an Wolfgang Neubauer, Bezirksnaturschutzbeauftragter der Baubezirksleitung Leibnitz, zu richten unter Tel.: 0676/8664 36 38 sowie an den Bezirksleiter der Berg- und Naturwacht Martin Povoden, Tel.: 0664/3044077. "Wir stehen gerne beratschlagend zu Seite, sind aber nicht dafür verantwortlich und nicht dazu ausgerüstet, diese Pflanze zu entfernen", betont Povoden mit Nachdruck, der seine Bitte an die Freiwilligen Feuerwehren richtet, sich entsprechend auf die neuen Anforderungen einzustellen. Als erste Schritte werden die Gemeinden im Bezirk jetzt umfassend informiert, quasi als Monitoring für Gemeindearbeiter in den Bauhöfen aber auch bei Straßenmeistereien und den Freiwilligen Feuerwehren.

Problem jetzt an der Wurzel packen

"Viele sind also bemüht, aber keiner ist wirklich zuständig. Die Gesetzgeber haben keine rechtliche Handhabe für diesen Fall vorgesehen. Es wäre durchaus möglich, im Rahmen von ortspolizeilichen Verordnungen einen Rechtsrahmen dafür zu schaffen, sodass die Eigentümer von privaten Grundstücken dazu angehalten werden, den Riesen-Bärenklau zu bekämpfen. Bei nicht Ausführung könntes es in weiterer Folge zur Ersatzmaßnahme mit Überwälzung der Kosten und unter Strafe Stellung des Deliktes kommen. Dieses Möglichkeit gibt es also grundsätzlich als gangbaren Weg", so BH Helmut Theobald Müller und ergänzt abschließend: "Da der rechtliche Rahmen fehlt und auch diese Veranstaltung eine Kür der Bezirkshauptmannschaft ist, liegt es nun an den Gemeinden, Interessensvertretungen zu bilden, um das Problem Riesenbärenklau schon an de Wurzel zu packen. Jetzt besteht noch die Möglichkeit dem Riesen-Bärenklau Herr zu werden, allerdings mit großem Einsatz - der Handlungsbedarf ist jetzt gegeben."

Weitere Warnhinweise unter:

www.neophyten-alarm.eu/steckbrief-riesenbaerenklau-berg-und-naturwacht-steiermark

Infos über den Fund in Aichegg
www.meinbezirk.at/deutschlandsberg/lokales/riesen-baerenklau-im-bezirk-gefunden-eine-gefahr-fuer-mensch-und-tier-d1795213.html

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