Döblings Bezirkschef Adolf Tiller im Interview: „Das dürft ihr nicht, sonst habt’s den Tiller da“
Döblings Bezirkschef über die ÖVP, seine Krankheit und warum Niki Lauda seinen Job übernehmen sollte.
DÖBLING. Betritt man das Büro, bemerkt man zuerst den Duft von Würstel und Spiegelei, danach die überall offenstehenden Türen. Nach einer kurzen Wartezeit erscheint Bezirkschef Adolf Tiller (ÖVP), wischt sich den Mund ab, spricht „Tschuldigens, ich hab noch fertiggegessen“ und führt ins Büro, dem man die 37 Jahre Amtszeit deutlich ansieht: Es stapeln sich Wimpel, Bücher und Urkunden. Dann legt Tiller ungefragt los.
ADOLF TILLER: Wissen Sie, worüber Sie schreiben sollten? Die Neos wollen die Sitzungen der Bezirksvertretung live übertragen. Ich werde aber nicht zustimmen. Weil die Bürger keine Streiterei wollen. Sie wissen ja, wie die Übertragungen aus dem Parlament aussehen. Und so wäre es auch im Bezirk: Da steht einer, zum Beispiel von den Neos, auf und schimpft gegen den Bezirksvorsteher und glaubt, so die Menschen auf seine Seite zu bringen. Die Döblinger Usance ist eine andere. Wir setzen uns wie bei der Papstwahl zusammen und einigen uns. Da kommt nicht immer raus, dass der Tiller recht hat. Aber ich habe mich noch immer nachher hingestellt und das Ergebnis mitvertreten.
Diese intransparente Art, Politik zu machen, stört viele.
Überhaupt nicht! Erinnern Sie sich, wie Benya und Sallinger das als Sozialpartner gemacht haben! Oder auch Kreisky! Die haben sich hingestellt und gesagt: „So ist das jetzt!“ Den Menschen hat das Wohlstand gebracht.
Beim Parkpickerl wirkt es, als hätten Sie einen anderen Weg eingeschlagen. Anstatt ein gemeinsames Ergebnis zu vertreten, befragen Sie die Bürger.
Aus einem anderen Grund. Ich war leise der Meinung, dass wir uns etwas einfallen lassen müssen, wenn Währing das Pickerl einführt. Aus meinen Äußerungen hat man dann herausgelesen, dass der Tiller für die Parkraumbewirtschaftung sei. Der Tiller ist aber gar nicht für die Parkraumbewirtschaftung, wie sie jetzt in Wien gemacht wird.
Und jetzt lagern Sie die Entscheidung an die Bürger aus.
Nein. Der Tiller hat das locker gesehen. Erst die Verkehrskommission hat beschlossen, dass wir die Befragung machen.
Welches Ergebnis erwarten Sie?
Ich bin der Meinung, dass es bei Befürwortern und Gegnern zirka 50 zu 50 steht. In Heiligenstadt und bis zur Döblinger Hauptstraße gibt es einen furchtbaren Parkdruck. Aber je weiter man nach Westen geht, desto geringer wird er.
Sie treffen ständig Menschen, sind auf jeder Veranstaltung, spielen Fußball. Ist das Ihr Schlüssel zum Erfolg?
Ich mache das auch privat gerne. Weil der Wolfgang Schüssel, mit dem ich Fußball spiele, hätte mich sowieso immer gewählt. Aber ich weiß, warum ich diese Politik mache. Ich bin 1957 nach der Matura in die Creditanstalt eingetreten. Dort habe ich erstens gelernt, mit Hemd und Krawatte aufzutreten. Und zweitens, dass der Kunde König ist. Das war auch in meiner Tankstelle so. Dort habe ich den Kunden sogar die Augengläser geputzt, damit sie zufrieden sind. In der Politik ist es genauso.
Spielen Sie noch regelmäßig Fußball?
Ich war, als ich bei Wacker Wien aktiv war, Stopper. Bei der Vienna bin ich Funktionär und habe noch den Spielerpass. Wenn’s nicht gut läuft, drohe ich den Spielern immer, dass ich in der Halbzeit rein renn und selber spiel’.
Ständig in der Öffentlichkeit zu stehen, nervt doch irgendwann auch, oder?
Bis jetzt hat es Spaß gemacht. Die Familie hat natürlich gelitten. Meine Frau musste sehr geduldig sein. Manchmal ist sie natürlich mitgegangen. Sie ist ja fescher als ich und war dementsprechend gern gesehen. Meine Töchter haben auch gelitten. Sie mussten um 6 Uhr in der Früh aufstehen, wenn wir etwas für die Schule vorbereiten sollten. Sonst habe ich ja immer gearbeitet. Ich habe 14.000 Ehrungen, Geburtstage und Hochzeiten gemacht. Ich frage dort die Enkelkinder, in welche Schule sie gehen, die älteren Herren erzählen vom Krieg.
Sie sind selbst 1939 geboren.
Meine Mutter war ein Ziegelweiblein und ich habe mit einer kleinen Scheibtruhe geholfen. Meine erste lange Hose hat mir meine Mutter aus Stoff geschneidert, den ich von einem britischen Besatzungssoldaten bekommen habe. Und ich bin als einziger Bub mit einer langen Hose in die Schule gegangen. 1945 mussten wir mit Lebensmittelkarte einkaufen und oft war beim Greißler dann nichts mehr zu holen. Das prägt. Am Dachboden des Bezirksamts habe ich bis heute Lebensmittelkarten und 300 Decken, falls was passiert und wir in einen Schulturnsaal müssen.
Wie lange wollen Sie noch im Amt bleiben?
Ich wollte mein Amt immer bis 88 ausüben wie Konrad Adenauer. Bei mir wurde allerdings Krebs festgestellt. Es hat zuerst gut ausgesehen, aber nun muss ich eine Chemotherapie machen. Meine Prognose ist aber gut und ich mache einfach ganz normal weiter. Aber wenn es gesundheitlich nicht mehr geht, werde ich mein Amt zurücklegen. Aber nicht so überraschend wie unser Bundeskanzler.
Verstehen Sie Werner Faymanns Entscheidung?
Er tut mir leid. Aber so ist das in der Politik. Plötzlich fallen dir die eigenen Leute in den Rücken.
Geht man mit den Politikern zu hart ins Gericht?
Ich glaube, das ist, weil es uns allen zu gut geht. In Österreich leben wir doch immer noch im Schlaraffenland. Deshalb glaubt jeder, er kann sich alles leisten und braucht die Politiker nicht. Viele sagen zu mir: „Ich kenne Gott und die Welt, ich brauch Sie eigentlich nicht.“
Wie geht es Ihnen denn mit der Wiener ÖVP, die in Flüchtlingsfragen einen ziemlich harten Kurs fährt?
Die ÖVP ist ja offiziell nicht gegen die Hilfe für Flüchtlinge. Da haben wir durch das Christlich-Soziale einen guten Hintergrund. Die SPÖ hat das soziale Gewissen ja komplett verloren. Nicht umsonst sagt der Hannes Androsch von sich, dass er Tiller wählt, auch wenn er ÖVP nicht ankreuzt.
Wie halten Sie’s in Döbling mit den Flüchtlingen?
In Döbling gibt es auch Flüchtlingsunterkünfte. Aber gehen Sie raus und fragen Sie die Leute! Niemand weiß, wo die sind. Am Anfang war da natürlich Chaos. Flüchtlinge haben geglaubt, man kann beim Hofer mit der E-Card den Alkohol bezahlen, die WEGA war dort, aber ich war auch dort. Und dann hab ich gesagt: „Das dürft ihr nicht machen, sonst habt’s den Tiller da und die Polizei nimmt er auch mit.“ Und jetzt ist Ruhe.
Sie meinen, Sie machen hier etwas richtig, was auf Landesebene nicht gelingt?
Das ist richtig. Die ÖVP Wien müsste aus der guten Arbeit in den Bezirken lernen. Die Frau Kobald hat in Hietzing dazugewonnen, die Frau Mickel hat in der Josefstadt gut abgeschnitten. Aber die Landespartei hört zu wenig auf die Bürger und auf die Bezirke. Unter Busek, da haben wir noch Gigantisches für Wien gemacht!
Und zwar?
Wir haben Gras gepflanzt und haben die Bäume geschützt. Der Busek war ja der erste Grüne, den es in Wien gegeben hat. Der Busek hat Hainburg gerettet. Der ist mit Zelten und Essen zu den Demonstranten gefahren.
Was müsste denn die ÖVP machen, damit man wieder so eine gute Phase hat in Wien?
Die ÖVP müsste ein Thema aufgreifen, das ihr die Bürger abnehmen – die Arbeitslosigkeit. Die ÖVP sollte als Wirtschaftspartei Arbeitsplätze schaffen. Die Jugendarbeitslosigkeit macht mir besonders Angst. Wenn diese Jugendlichen, die nichts zu tun haben und den ganzen Tag blödeln, von Gruppen aus Deutschland formiert werden, dann marschieren die über den Ring.
Was können wir gegen die Jugendarbeitslosigkeit tun?
Es wird schwieriger. Früher konnte man jemanden einfach bei einer Bank unterbringen. Heute geht das nicht mehr. Obwohl ich mit Treichl und Konrad befreundet bin! Aber da kannst du anrufen, wen du willst! Obwohl die Banken durchaus Leute aufnehmen könnten. Es wäre ja völlig egal, ob eine Bank im Quartal 300 Millionen Euro Gewinn macht oder ob sie 50 Leute anstellt und 290 Millionen Euro Gewinn macht.
Dürfen wir nach potenziellen Nachfolgern für Sie fragen?
Ich möchte jemanden in die Bezirksvorstehung nehmen, um ihn oder sie einzuarbeiten. Ich könnte, da er keine Hack’n hat und seine Frau mich ständig anruft, den Niki Lauda nehmen. Wenn sie anruft, sagt sie: „Feuerwerk, das darf nicht sein, meine Kinder können nicht schlafen!“ Dann rufe ich ihn an und sage ihm, dass seine Flugzeuge aber schon lauter sind als das Feuerwerk. Nein, Scherz beiseite! Es kann auch ein Wirtschaftskapitän kommen und sagen: „Ich schaffe Arbeitsplätze im Bezirk!“ Der wäre mir willkommen.
Interview: Christine Bazalka und Christoph Schwarz
Zur Person
Adolf Tiller (77) ist seit 1978 Döblings Bezirksvorsteher. Davor betrieb er eine Tankstelle. Er spielte Fußball bei Wacker Wien. Wegen seiner langen Amtszeit, guter Wahlergebnisse und seines Netzwerks gilt er als einflussreich in der Wiener ÖVP.
In den kommenden Wochen interviewen wir alle 23 Bezirksvorsteher. Die bereits bestehenden Interviews finden Sie auf www.meinbezirk.at/bz-interview
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