"Dürfen nichts bauen" – Bürgermeister Paul Weißenbacher im Interview

"Uns gehen die Kinder aus", ist Hintersees Bürgermeister Paul Weißenbacher überzeugt. Immer mehr Familien müssen aus seinem Ort wegziehen.
  • "Uns gehen die Kinder aus", ist Hintersees Bürgermeister Paul Weißenbacher überzeugt. Immer mehr Familien müssen aus seinem Ort wegziehen.
  • hochgeladen von Manuel Bukovics

Sie erwähnen immer wieder, dass fast alle jungen Menschen aus Hintersee wegziehen müssen. Wie sieht das aktuell aus?

PAUL WEISSENBACHER: Eine Familie kann dank Umwidmung bleiben. Einige weitere müssen wegziehen. Es ist sehr, sehr mühsam. Wir haben kein Bauland mehr. Früher hat man nicht widmen dürfen, weil wir weder Kanal noch Wasser gehabt haben. Dann mussten wir das um zig Millionen bauen und danach ist Astrid Rössler gekommen und hat gesagt, sie will gar nicht mehr, dass außerhalb des Ortskerns gebaut wird. Unser letztes Grundstück wird gerade bebaut – mehr geht nicht. Wenn alle Jungen wegziehen müssen, gehen uns die Kinder aus.

Schaffen Sie es dennoch, junge Menschen im Ort zu halten?

Ohne Wohnraum geht es einfach nicht. Die Leute werden älter, das heißt, wir haben zusätzlich ein bis zwei Generationen mehr hier als früher. Damals ist man mit 60, 70 Jahren gestorben. Heute fängt es da erst an. Die Leute werden 90 Jahre und älter. Ohne Möglichkeiten müssen die Jungen einfach gehen.

Hintersee hat oft besonders zu kämpfen. Wo fühlen Sie sich hier von der Landesregierung im Stich gelassen?

Weil dort einfach mit einem Kamm über alles hinübergeschoren wird. Ich höre oft, dass ich ein Baulandmodell machen soll, damit die Welt schön ist. Doch wie soll ich das anstellen? Um an Grundstücke zu gelangen, werde ich sicher nicht enteignen. Das kann es nicht geben. Rössler sagt mir, ich soll Druck auf die Bauern machen. Doch die schönsten Flächen sind hier im Ort – und das sollen wir verbauen? Jeder soll mit Hausverstand vorgehen können. Platz ist genug da – inklusive Kanal, Wasser und einem Lichtleiter – aber nicht dort, wo es sich die Landesregierung wünscht. Kein einziges Stück Land ist weiter als 500 Meter von einer Bushaltestelle entfernt. Wir wollen von uns selbst aus gesund wachsen und keine Zuzugsgemeinde werden.

Gibt es mittlerweile einen Ersatz für den eingestellten Bus zum Talschluss?

Da gibt es nach wie vor nichts. In der Leader-Region Fuschlsee-Mondseeland entstehen allerdings super Ansätze für ein Gesamtkonzept. Wenn wir hier auch gehört werden, dann sieht es künftig gut aus. Neben top-besetzten Hauptlinien soll es dann bei Bedarf Nebenlinien – etwa zum Talschluss – geben. Auch die Verkehrsprobleme der Stadt können nur dann gelöst werden, wenn ich am Land anfange. Ohne Buslösung geht das nicht. Ich käme nie auf die Idee, mit dem Auto nach Wien zu fahren. Da gehört ein Konzept her und ich bin sehr froh über die Leader-Region und die Diskussion. Ich hoffe, dass wir etwas zusammenbringen.

Ortskernbelebung ist ein zentrales Thema im Land. Spüren Sie etwas davon?

An und für sich haben wir bereits einen sehr aktiven Wirt und das Kurvenbuffet. Jetzt ist noch die alte Krämerei dazugekommen. Der Ortskern bei uns lebt. Es ist super, wenn etwas da ist, man kann selbst wählen und wir sind gut aufgestellt. Da brauchen wir nichts vom Land.

Die alte Krämerei wurde heuer wiedereröffnet. Wie wichtig ist sie als Nahversorger?

Er ist eine Bereicherung, das ist klar – für die Einheimischen und für Gäste. Es gibt die wichtigsten Dinge vor Ort. Davor konnte man in Hintersee nicht mal eine Zahnbürste oder einen Apfel kaufen. Wenn man den Wocheneinkauf vergeigt, kann man am Samstagabend noch hingehen. Das hat Vorteile.

Wann und wo kaufen Sie ein?

Ich kaufe nicht ein, das macht meine Frau. Für einen Großeinkauf ist die Alte Krämerei nichts, aber man bekommt das Wichtigste. Vor allem für die älteren Leute im Ort ist das super, weil alles fußläufig erreichbar ist.

Laut neuem Gefahrenplan liegt fast ganz Hintersee in der roten Zone. Wie geht es mit dem Schutz voran?

Wir haben mittlerweile Listen von allen Grundstücken ausgearbeitet. Heuer noch soll es eine Gründungsversammlung für eine Schutzwassergenossenschaft geben. Wenn das Volk will, starten wir mit der Umsetzung bereits 2017. Gesamt ist das Projekt auf ca. zehn Jahre angesetzt. Danach sollte kein Wohnhaus mehr in der roten Zone sein. Hier sind wir auf einem guten Weg. Auch die Finanzverhandlungen mit Land und Bund haben wir schon gehabt.

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