"Wenn wir so weitermachen, haben wir zwar gratis-Kinderbetreuung, aber zu wenig Betreuungsplätze im ganzen Bundesland."

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Geht es bei der politischen Diskussion um die Kürzung der Elternzuschüsse für die Kinderbetreuung Ihrer Meinung nach noch um die Sache?
MARTINA BERTHOLD:
"Es ist eine Mischung. Ja, es geht um die Sache, aber wir haben auch einen Wahlkampf. Und da bietet sich das Thema zur Instrumentalisierung an. Ich kann aber den Ärger dort und da auch verstehen – wenn Leistungen zurückgenommen werden, dann geht das nicht ohne Proteste. Was ich nicht verstehe, ist, dass sich die Gemeinden beschweren, denn sie haben sich an dieser Förderung finanziell nie beteiligt, obwohl die Kosten gemeinsam getragen werden."

Wenn die Zuschüsse dann sozial gestaffelt werden, wäre das wahrscheinlich mehr Verwaltungsaufwand, als Geld an die Eltern fließt.
MARTINA BERTHOLD:
"Das schauen wir uns jetzt gerade genau an – damit sich der administrative Aufwand eben in Grenzen hält. Wirksam soll das ab kommendem Herbst werden."

Die 1,4 Millionen Euro, die Sie bei den Elternzuschüssen – das sind derzeit 25 Euro für einen Halbtages- und 50 Euro für einen Ganztagesplatz – einsparen wollen, verschwinden aber nicht. Wofür wird das Geld dann verwendet?
MARTINA BERTHOLD:
"Wir haben tatsächlich 2,45 Millionen Euro mehr, die wir für Kinderbildung und -betreuung ausgeben als im Vorjahr ausgegeben wurde. Aber wir haben damit auch vieles zu bezahlen. Vor allem bei den unter 3-Jährigen braucht es einen flächendeckenden Ausbau. Wir brauchen nämlich – bevor wir an Zuschüsse denken – überhaupt erst einmal Plätze. Sonst haben wir zwar gratis-Kinderbetreuung, aber zu wenig Plätze im ganzen Bundesland."

Was bezahlen Sie sonst noch mit den 2,45 Millionen Euro?
MARTINA BERTHOLD:
"Gehaltserhöhungen und andere Verbesserungen etwa beim Arbeitsdruck für die Pädagoginnen und innovative Kindergartenprojekte und -versuche zum Beispiel."

Weil Sie das Angebot von Kinderbetreuungseinrichtungen in den Gemeinden angesprochen haben: Es gibt doch eine Versorgungsverpflichtung, oder?
MARTINA BERTHOLD:
"Es gibt im Gesetz einen Versorgungsauftrag. Gemeinden haben mit Unterstützung des Landes bedarfsgerecht dafür Sorge zu tragen, dass jedem Kind ein Betreuungsplatz zur Verfügung steht."

Warum gibt es dann so gut wie keine öffentlichen Krabbelgruppen, die bereits Einjährige aufnehmen? Das Feld wird großteils privaten Anbietern überlassen.
MARTINA BERTHOLD:
"Das gilt für die Stadt Salzburg, die sich vor Jahren entschieden hat, hier auf den privaten Sektor zu setzen – die Stadt muss sich aber an den Kosten beteiligen. Und in den Landgemeinden gibt es einige Angebote, die aber großteils erst für Eineinhalbjährige zur Verfügung stehen."

Es gibt aber das einjährige Kinderbetreuungsgeld-Modell – muss man da nicht damit rechnen, dass Plätze für Einjährige gebraucht werden?
MARTINA BERTHOLD:
"Hier kommt meist das Argument, dass es keinen Bedarf gibt, das kenne ich schon seit 20 Jahren aus der Frauenberatung. Hier bleibt den Gemeinden leider ein Interpretationsspielraum – und die Mütter, weil meistens sind es die Mütter, organisieren sich eben irgendwie selber, so wie schon seit hundert Jahren. Und dann heißt es: Es gibt keinen Bedarf. Und, was auch dazu kommt: Viele Pädagoginnen sind fachlich nicht überzeugt davon, dass Einjährige in die Krabbelgruppe gehen sollten."

Kommen wir zum Thema Asyl: Es ist ja keine freiwillige Leistung, die Salzburg mit der Unterbringung von Asylwerbern erbringt.
MARTINA BERTHOLD:
"Richtig, wir sind sogar dazu verpflichtet. Weil aber zum Beispiel Wien seine Quote übererfüllt, müssen wir nur 88 Prozent unserer Quote tatsächlich erfüllen."

Um wie viele Menschen geht es da?
MARTINA BERTHOLD:
"Das schwankt eigentlich täglich. Derzeit haben wir 1.142 Asylwerber untergebracht, wir müssten aber derzeit 1.416 unterbringen, also 274 mehr."

Warum schlägt denn jedem neuen Ansinnen, Asylwerber unterzubringen, so viel Gegenwind entgegen?
MARTINA BERTHOLD:
"Wenn das Thema abstrakt bleibt, dann herrschen viele Vorurteile, wie etwa, dass die Asylwerber uns auf der Tasche liegen und dafür nur faul herumsitzen. Fakt ist, dass der Quartiergeber täglich 19 Euro bei Vollversorgung oder 12,50 Euro für Selbstversorgung erhält, davon muss er aber auch die Betriebskosten, die Versicherung etc. bezahlen. Die Asylwerber selber erhalten 40 Euro Taschengeld im Monat und wenn sie nicht in einem Quartier mit Vollversorgung sind, 6,50 Essensgeld pro Tag." 

Rein theoretisch brauchen Sie aber die Zustimmung einer Gemeinde nicht.  
MARTINA BERTHOLD:
"Nein, die brauche ich nicht. Aber ich will auch nicht über deren Köpfe hinweg entscheiden. Im Fall Unken zum Beispiel hat es im Vorfeld intensive Gespräche gegeben, ich bin dem Bürgermeister sogar sehr entgegen gekommen, wir fangen dort jetzt mit 25 und nicht wie geplant mit 40 Personen an."

Was halten Sie von der Idee, Asylquartiere eher in städtischer Umgebung einzurichten und nicht in kleinen Gemeinden und Talschlüssen wie zum Beispiel in Böckstein?
MARTINA BERTHOLD:
"Prinzipiell ist das ein gutes Ansinnen, Ärzte, Deutschkurse und anderes wäre für die Asylwerber leichter erreichbar. Nur muss ich sagen, Böckstein gibt es nun einmal, wird auch gut angenommen und funktioniert auch gut. Ich kann mir aber die Quartiere nicht aussuchen, hier gibt es ein Vergabeverfahren. Und die hohen Wohnkosten machen es im städtischen Bereich auch schwierig, denn das große Geld verdient man mit Quartieren nicht."

Sie haben angekündigt, Mindeststandards für die Quartiere einzuführen.
MARTINA BERTHOLD:
"Ja, das stimmt. Es gibt einen bundesweiten Entwurf für Mindeststandards, wir werden uns diesen in Salzburg gemeinsam mit NGOs anschauen und darüber diskutieren, wo wir diese Mindeststandards noch erhöhen müssen und können. Ich möchte mehr in Richtung Selbstversorgung gehen, auch damit die Asylwerber eine Tagesstruktur haben. Dann wollen wir – wenn es um die Unterbringung von Familien geht – schauen, wie es mit Spielplätzen aussieht. Und derzeit gibt es Quartiergeber mit Schließzeiten. Das wollen wir nicht mehr."

Derzeit dürfen Asylwerber nur sehr eingeschränkt selbstständige Tätigkeiten ausüben, möglich sind gemeinnützige Tätigkeiten. Sind Sie damit zufrieden?
MARTINA BERTHOLD:
Die gemeinnützigen Tätigkeiten funktionieren sehr gut, zum Beispiel in Krimml. Trotzdem wollen wir schauen, wie wir hier den administrativen Aufwand für die Gemeinden reduzieren können. Aber ja, ich würde mir eine Ausweitung der Arbeitsmöglichkeiten wünschen. Die meisten wollen ja auch arbeiten und nicht untätig im Zimmer sitzen. Gerade für die vielen alleinstehenden Männer ist das eine Belastung."

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