Muck und Molte - Eine Ostergeschichte

„Muck! Was machst du bloß!?“
Muck zuckt erschreckt zusammen, als er die dröhnende Stimme seines Vaters hört.
„Die Farbe läuft ja herunter! Und wie oft hab‘ ich dir gesagt, dass die Punkte gleichmäßig verteilt sein müssen!“
„Ja Papa“, antwortet Muck bedrückt. „Tut mir Leid, Papa.“

Der Erwartungsdruck ist ziemlich hoch, wenn man der Sohn des Osterhasen ist. Seit Jahrhunderten liegt diese Verantwortung schon in den Händen der Familie Leuchte. In den nächsten Jahren sollte der junge Muck die Tätigkeit seines Vaters übernehmen. Meister Leuchte kann es gar nicht erwarten, endlich in den Ruhestand zu gehen. Kein kleckerndes Ostereier-Bemalen mehr, nie wieder schwierige Verstecke finden, Schluss mit den weinenden Kindern… und das Beste von allem: Die ewigen Diskussionen mit den dummen Hühnern über die mangelnde Eiproduktion hat endlich ein Ende!

Seine Freude auf den Ruhestand treibt Meister Leuchte natürlich noch mehr an, seinem, in seinen Augen nichtsnutzigen, Sohn die Kunst des Berufes „Meister Osterhase“ näherzubringen.

Muck ist aber leider alles andere als talentiert für diesen Beruf. Er ist vielseitig unbegabt. Das Bemalen der Eier ist eine Katastrophe. Überall quillt Farbe über und er schafft es immer wieder, nicht nur die Eier, sondern auch gleich sich selbst, den Tisch, und alle umstehenden Hasen, Hühner und Pflanzen einzufärben.
Auch beim Verstecken der Nester lassen seine Fähigkeiten zu wünschen übrig. Entweder sind sie zu leicht oder zu schwer versteckt. Einmal verstaute er sogar ein Nest auf einem Baum. Es wurde erst im Sommer gefunden, als der Gestank der verfaulten Eier die Richtung wies.

Alles in allem ist Muck also miserabel in seinem künftigen Job.
Muck verziert also gerade die verschiedenen Eier mit Pünktchen und Mustern – oder versucht es zumindest. Er hat irgendwie immer Schwierigkeiten, mit seinen kleinen Pfoten den Pinsel zu halten – und das Ei rutscht ihm auch immer wieder aus der Hand! „Wie schafft das Papa bloß?!“, sagt der kleine Muck zu sich selbst und bemerkt, wie zu seinem eigenen Zittern noch ein Wackeln hinzukommt. „Das ist doch jetzt ein Scherz!“, ruft er empört aus, als alle seine (nicht sehr schön) bemalten Eier vom Tisch in die grüne Wiese plumpsen. Ei um Ei fällt und fast alle der mühevoll gestalteten Kunstwerke zerbrechen. Doch was ist das? Inmitten der zerbrochenen Eier erscheint ein kleiner Haufen aus Erde. Muck ist gleich klar, dass er es hier mit dem Übeltäter zu tun hat und starrt mit einem bösen Blick auf den Erdhügel. Wie erwartet, steckt nach kurzer Zeit ein kleiner schwarzer Maulwurf seinen Kopf heraus. „Hallo Nachbar!“, grüßt er mit einem freundlichen Lächeln, dem man fast nicht böse sein könnte. „Schon fleißig bei den Ostervorbereitungen?“
„Bis jetzt schon.“ antwortet Muck, und versucht dabei, seinen strengen Blick beizubehalten. „Sieh nur, was du angerichtet hast!“

Erst jetzt bemerkt der kleine Buddler sein Vergehen. „Oh! Das tut mir aber leid! Das wollte ich wirklich nicht! Ich bin nur noch nicht so oft alleine unterwegs gewesen. Das buddeln ist nicht so einfach, wie es aussieht, weißt du? Es ist echt schwierig, nicht irgendwo reinzukrachen, oder die Orientierung zu verlieren. Einmal bin ich in ein Haus reingedonnert! BAM! Einfach so! Ganz schön schmerzhaft sowas, das sag ich dir! Und bei Flüssen muss man auch aufpassen…“ es sprudelt nur so aus dem Mäulchen des kleinen Maulwurfes. Muck hat schon aufgehört zuzuhören und will sich schon wieder seiner Malerei widmen, als der kleine Kerl ihm seine Hand entgegenstreckt und sich vorstellt: “Ich bin übrigens Molte! Und verzeihe noch mal mein Ungeschick mit den Eiern. Die sind wirklich…. ähhmm…. originell und so…. echt… kreativ bemalt.“ Molte wendet schnell wieder den Blick von den schrecklichen Ostergeschenken ab und schlägt vor, Muck beim Bemalen der Eier zu helfen. Das wäre das wenigste, das er tun könnte, um den Schaden wieder gut zu machen.

Muck willigt ein und denkt bei sich: „Naja, schlimmer kann‘s ja wohl nicht werden.“
Tja, ganz im Gegenteil! Es stellt sich heraus, dass der kleine Molte ein wahrer Künstler ist! Er verziert eine Schale nach der anderen und schafft im Nu die Arbeit, für die Muck den ganzen Vormittag gebraucht hat.

Schnell werden die beiden beste Freunde. Molte macht es einen riesigen Spaß, Muck bei den Ostervorbereitungen zu helfen und im Gegenzug dazu erklärt Muck seinem neuen Freund die Regeln der Statik, Systematik und wie man sich am schnellsten Orientiert. Moltes Vater hat nämlich ein großes Gangsystem-Unternehmen und ihm geht es ähnlich wie Muck – denn auch er hat kein Talent für seinen zukünftigen Beruf.

Am liebsten würden sie natürlich tauschen – „aber ein Maulwurf als Osterhase?! Ein Hase, der Tunnel plant?! Das passt doch hinten und vorne nicht!“ – Das war jedenfalls die Reaktion von Muck’s Vater, dem Osterhasen, als sie ihm ihre Idee erläuterten. „Ihr Kinder kommt auch immer auf die verrücktesten Einfälle! Hahaa!“. Damit war die Sache abgetan.

Stunden vergingen, Tage, Wochen, Jahre vergingen. Muck und Molte wurden erwachsen, sind aber noch immer unglücklich mit ihren aufgezwungen Zukunftsplänen. Sie haben sich jedoch so gut wie damit abgefunden und machen zwar keinen guten, aber einen akzeptablen Job.

Die Zeit verändert jeden. Sie veränderte nicht nur Muck und Molte und deren Ansichten, sondern auch die Menschen. Denn bald glaubte fast keiner mehr an den Osterhasen. Der Osterhase ist eben schon ein „alter Hut“. Es ist nichts magisches mehr daran. Er ist nur noch eine Marketingfigur.
Molte und Muck gehen spazieren. Über die weiten Felder und Wiesen. Vorbei an einem kleinen Bach. – Sie sprechen über ihre Sorgen und Ängste.
Muck darf nämlich dieses Jahr übernehmen, doch das Oster-Geschäft lässt zu wünschen übrig. Die Menschen kaufen die von Maschinen bemalten Ostereier in den Geschäften, verstecken die Nester für die Kinder selbst oder überreichen die Geschenke einfach so. Der Osterhase hat keine Aufgaben mehr. Die Medien steuern die Kinder und nicht ihre eigene Fantasie.
Molte hat schon vor einem Jahr den Betrieb seines Vaters übernommen und auch da sieht die Zukunft alles andere als rosig aus. Er hat nämlich noch immer keine Ahnung davon, was er eigentlich tun sollte.
Bedrückt streifen die beiden umher. Nicht sicher, was die Zukunft bringt.
Plötzlich hören sie ein lautes Rascheln vor sich. Der buschige Rosenstrauch wackelt wie wild vor ihren Nasen, doch die Muck und Molte sind starr vor Schreck. Ihr Kopf sagt „Lauft weg!“, aber ihre Beine wollen einfach nicht hören.
Plötzlich hören sie ein japsendes „Aua! Aua! Aua!“ und aus dem Rosenstrauch plumpst ein kleines, junges Hündchen.
Muck und Molte blicken zuerst ihn und dann einander an, bevor sie in schallendes Gelächter fallen. So etwas Seltsames hatten sie ja noch nie gesehen! Das kleine Hündchen war am ganzen Körper mit winzigen Kratzern der Rosen versehen und seine Schnauze war voller Dreck. Molte glaubt sogar, einen Regenwurm aus dem Ohr des jungen Wildfangs hängen zu sehen und prustet daraufhin gleich noch lauter los.

Als die beiden endlich damit fertig waren, vor Lachen auf dem Boden zu kullern, fragte der Welpe sichtlich genervt: „Was ist?!“ er blickt abwechselnd Molte und dann Muck mit seinem gefährlichsten Raubtier-Gesicht an. Das verleitete die Freunde natürlich wieder dazu, belustigt zu grinsen.
„Noch nie einen Trüffel-Suchhund gesehen, oder was?!“, fährt der junge Hund pappig fort. Beim Wort „Trüffel-Suchhund“ lag auch ein bisschen Stolz in seiner Stimme.

Der Hund hat bereits ihre Neugier geweckt, doch jetzt hat er ihre Aufmerksamkeit. „Ein Trüffel-Suchhund?“, wiederholt Muck unglaubwürdig „Ist das nicht ein Job für Schweine?“. „Ja, Hunde sind ja nur dazu da, beim Jagen zu helfen und seinem Besitzer Stöckchen zu bringen“, bestätigt Molte.
Doch nun kommt etwas, das weder Molte noch Muck je von dem kleinen Kerlchen erwartet hätten. Der Welpe baut sich mit strengen Blick vor ihnen auf und antwortet bestimmt: „Nur weil ich noch klein bin, heißt das nicht, dass ich nicht weiß, was wichtig im Leben ist. Ich habe nun mal keine Freude daran, sinnlos im Wald Tieren nachzujagen oder stundenlang Stöckchen oder Bälle zu apportieren. Das bin nicht ich! Alle sagen, ich bin jung und dumm. Aber das bin ich nicht! Ich will nicht das tun, was andere von mir erwarten, oder für wichtig halten. Ich will das tun, was ICH will. Und das ist nun mal das Suchen von Trüffeln. Ich liebe den Geruch und das Wühlen im Dreck. Und mir ist egal, was die anderen denken!“ Mit einem Ruck kehrte er ihnen den Rücken zu und stapfte stolz davon.

Molte und Muck blicken einander an und wissen, dass der kleine Kerl Recht hat. Und sie wissen auch, was nun zu tun ist.

Heuer wird es erstmals einen „Oster-Maulwurf“ geben….

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