Sepid Sarmad-Tucci: Mit Musik und viel Liebe
Sepid Sarmad-Tucci im Gespräch über Mamasein und Familienleben im SOS-Kinderdorf Stübing.
Es war die Liebe zur Musik, die die Perserin Sepid Sarmad-Tucci aus dem Iran einst nach Graz brachte. Jetzt ist sie Vollzeitmama im SOS-Kinderdorf Stübing. Mit uns spricht sie über bedingungslose Liebe, Kriegserfahrungen sowie die Advents- und Weihnachtszeit im Kinderdorf.
WOCHE: Was hat Sie dazu bewegt, Kinderdorfmutter zu werden?
Sepid Sarmad-Tucci: Ich war nach meinem Studium als Musikerin und Musikpädagogin tätig. Und ich habe Musikunterricht gegeben. Ich war auf der Suche nach einem Waisenhaus, um Kinder zu unterrichten. Eine Freundin hat mir erzählt, dass es in Österreich aber gar keine Waisenhäuser gibt, sondern die SOS-Kinderdörfer. Von Anfang an hat mich das Familienleben in den Dörfern begeistert. Ich wusste, eine Kinderdorfmama zu werden, das ist das Richtige für mich – das will ich machen. Mir gefällt die Arbeit mit Kindern.
Seit September sind Sie hier in Stübing. Wie haben Sie die dreijährige Ausbildungszeit erlebt?
Im Vergleich zu meiner Studienzeit ein bisschen schwierig. Ich war während der Ausbildungszeit bereits selbst Mama, und so habe ich alles unter einen Hut bringen müssen. Nun habe ich fünf Kinder, davon ein leibliches, zwischen drei und elf Jahren. Ich finde es gut, dass nicht alle Kinder gleich alt sind. Und dass viele Kinder um mich herum sind. Manchmal ist es eine Herausforderung. Aber wie wir zusammenleben, entspricht eben einer natürlichen Familienform.
Wie war die Anfangszeit im Kinderdorf für Sie?
Anfangs war das alles sehr emotional für mich. Wenn ich nach Hause kam, konnte ich nicht abschalten. Ich habe Geschichten über die Kinder gehört, die für mich unvorstellbar waren. Ich konnte nicht glauben, wie das möglich sein kann. Aber ich habe schnell gelernt, mit meinen Emotionen richtig umzugehen.
Plötzlich hatte Ihre Tochter viele Geschwister. Wie war es für sie, die Mama nun teilen zu müssen?
Mit der Zeit hat sie sich eingelebt. Wichtig ist für mich, die Balance zu behalten. Ich liebe alle Kinder gleich. Aber die Jüngeren brauchen halt noch mehr Zuwendung.
Wie entsteht ein gesundes Familienleben für die Kinder?
Es ist wichtig, dass die Kinder eine stabile Bezugsperson haben. Das tut den Kindern, aber auch mir gut.
Was sind die schönsten Momente, die eine Kinderdorfmutter erlebt?
Die Entwicklung der Kinder zu betrachten und bei jedem noch so kleinen Fortschritt dabei sein zu können.
Gibt es die ideale Kindheit?
Es gibt bedingungslose Liebe. Die Kinder dürfen sich nie schuldig fühlen: Alles, was sie bekommen, soll selbstverständlich sein.
Sie selbst haben in Ihrer Kindheit Krieg miterlebt. Wie geht man mit solchen Lebenserfahrungen um – vor allem in einer Zeit, in der hierzulande viel über Kleinigkeiten gejammert wird?
Ich wundere mich oft, über was sich manche Menschen so aufregen können. Ich war sieben Jahre alt, als der Bürgerkrieg ausgebrochen ist. Deshalb verstehe ich die Situation, Gefühle und Gedanken der Flüchtlinge heute sehr gut. Durch meine Muttersprache und das, was ich erlebt habe, hatte ich schnell eine Verbindung zu den drei Kindern, die hierher ins Kinderdorf kamen.
Vermissen Sie gerade jetzt, wo alles besinnlich und ruhig wirkt, Ihre Heimat?
Ich bin damals von einer großen Hauptstadt nach Österreich gekommen. Hier ist alles viel ruhiger, weniger Chaos und man hat mehr Zeit. Da ich Muslima bin, feiere ich ja kein Weihnachten. Aber ich finde Weihnachten schön. Der Hintergrund der Festtage, die Liebe, die dahintersteckt, gefällt mir sehr. An Weihnachten lernen die Kinder auch, mehr zu teilen.
Wie bringt man die Augen der Kinderdorfkinder zur Weihnachtszeit besonders zum Leuchten?
Indem man sie überall mitmachen lässt und sie in alles miteinbezieht. Wir backen viel und musizieren zusammen.
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