Gott kann nie auf der Täterseite sein

Eine der ganz wenigen: Ulrike Frank-Schlamberger ist eine von vier evangelischen Pfarrerinnen in Graz. | Foto: privat
  • Eine der ganz wenigen: Ulrike Frank-Schlamberger ist eine von vier evangelischen Pfarrerinnen in Graz.
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WOCHE: Ihr Beruf ist doch sehr selten. Wussten Sie schon immer, dass Sie Pfarrerin werden wollen?
Ulrike Frank-Schlamberger: Nein, als ich mit dem Studium begonnen habe, war es für Frauen noch gar nicht möglich, diesen Beruf zu ergreifen. Theologie war für mich das vielseitigste Studium, das all meine Interessen vereint hat. Frauen wurden in der evangelischen Kirche 1980 gleichgestellt, ich wurde 1981 als erste verheiratete Pfarrerin Österreichs ordiniert.

Die evangelische Kirche nimmt also eine Vorreiterrolle bei der Gleichstellung von Frauen ein?
Frauen und Männer sind formal gleichgestellt, sie haben die gleichen Rechte und verdienen auch gleich viel. Aber es ist wie überall in der Gesellschaft, formal gibt es die Gleichstellung, aber dennoch gibt es Unterschiede. In meinem Beruf ist es nicht anders als bei Ärztinnen oder Juristinnen.

Sie haben vier Söhne. Wie konnten Sie Ihren Beruf und Ihr Familienleben vereinen?
Ich habe die typische Karriere einer Frau mit jahrelanger Teilzeitarbeit. 1983 kam mein erster Sohn zur Welt, bis 1988 habe ich Vollzeit gearbeitet, danach mein Mann. Das fand ich nur fair, aber wir haben dann nicht mehr zurückgetauscht. Erst 2003 bin ich wieder Vollzeit in das Berufsleben eingestiegen.

Wie sehen Sie das rückblickend?
Es gibt positive und negative Aspekte. Ich habe gemerkt, dass ich mit viel mehr Energie und Elan gearbeitet habe und ich hatte viel mehr Freude an der Arbeit. Es hat aber auch Auswirkungen auf der Karriereleiter – meine männlichen Kollegen waren in diesem Alter schon in Leitungsfunktionen.

Ihre Pfarrgemeinde ist eine ganz spezielle ...
Ja, mit ca. 6.500 Gemeindemitgliedern sind wir die zahlenmäßig größte evangelische Gemeinde Österreichs. Im Prinzip sind wir ein mittelständisches Unternehmen. Wir haben über 30 Mitarbeiter, zwei Kindergärten, betreuen zwei Friedhöfe und haben ein Veranstaltungszentrum. Das alles gilt es zu managen. Aber natürlich mache ich meine Kernaufgaben als Pfarrerin wie Gottesdienste, Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen auch sehr gerne.

Üben Sie eine Tätigkeit besonders gerne aus?
Bei Beerdigungen ist es eine große Herausforderung, dem Verstorbenen in den unterschiedlichen Facetten des Lebens gerecht zu werden. Man bekommt einen Einblick in das Leben des Menschen, der verstorben ist, und auf die Menschen, die um diese Person trauern. Ein Stück Begleitung beim Abschiednehmen, das ist sehr berührend und spannend. Ich denke, dass das eine Gabe ist, die ich gut beherrsche. Aber Taufen und Hochzeiten sind natürlich schön und positiv besetzt.

Hat Religion im öffentlichen Leben Platz?
Ja, es muss ein öffentlicher Diskurs geführt werden.

Bei allem, was derzeit passiert: Wo ist Gott in der heutigen Zeit?
Diese Frage hat sich immer aufgedrängt. Es ist nichts für unsere Zeit Typisches. Gott will das Heil des Menschen und manche argumentieren die Geschehnisse damit, dass Gott uns bestrafen will, andere sagen, dass wir selbst schuld sind. Aber ich kann nicht sagen, wo Gott ist. Wer weiß das schon? Jede Religion will das Gute und das Zusammenleben der Menschen fördern. Gott kann nie auf der Täterseite sein, sondern immer nur auf der Opferseite – daran erinnert uns das Kreuz. Und in jeder Religion gibt es Fundamentalisten, die Religion missbrauchen.

Was sagen Sie Menschen, die der Meinung sind, dass es keinen Gott gibt?
Ob es Gott gibt oder nicht ist beides eine Theorie. Ich glaube, es ist eine gute Hypothese, davon auszugehen, dass es ihn gibt und in diesem Vertrauen zu leben. „Glauben“ heißt ja „vertrauen“ und nicht etwas für richtig halten.

WOCHE-WORDRAP
Als Pfarrerin ist mir wichtig, ... mich auf die Menschen einzulassen.
Meine Lieblings-Romanheldin ist ... Ronja Räubertochter.
Mein Lieblingsort in Graz ... der Markt am Kaiser-Josef-Platz.

Steckbrief
- geboren am 10.07.1954
- studierte evangelische Theologie in Wien und Tübingen
- war Seelsorgerin am AKH
- ist amtsführende Pfarrerin der Heilandskirche in Graz
- hat vier Söhne

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