Kinder brauchen Flügel
Wenn Eltern überfürsorglich sind, tun sie ihren Kindern nichts Gutes. "Helikopter-Eltern" umschwirren ihre Kinder um alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Tipps vom Psychologen für mehr Gelassenheit.
Die Fürsorge um Kinder treibt mitunter seltsame Blüten: Eltern sitzen um die Sandkiste herum und kontrollieren und dirigieren jedes Schaufeln ihrer Kinder. Genaueste Pläne werden geschmiedet: Wann ist Ballett, wann bringe ich mein Kind zu welchen Kursen… Oft lösen Eltern heute ein Problem ihrer Kinder bevor diese überhaupt bemerken, dass sie ein Problem haben.
„Helikopter-Eltern“ nennt man diese Väter und Mütter, weil sie ihre Kinder dauernd umschwirren. Sie wollen alle Hindernisse beiseite räumen. Die Konsequenz: Die Kinder können sich an keinen Herausforderungen mehr ausprobieren.
Dass macht „Helicoptering“ gefährlich – für das Kind und die Eltern. Helikopter-Eltern trauen ihren Kindern nichts zu. In einer Art unbewusstem Reflex erledigen sie deshalb alles. Somit werten sie ihre Kinder unbewusst ab. „Ich mach´s für dich, weil du kannst es eh nicht!“ Die Kinder werden oft lustlos, fantasielos, lassen sich bedienen und dirigieren andere. Wenn der Druck hoch wird, werden sie aufsässig ihren Eltern gegenüber.
Helikopter-Eltern sind im Dauerstress: Sie wollen alles vorsorglich bemerken, bekommen dafür aber kaum Anerkennung. Das brennt langsam aber sicher aus.
Diese Eltern haben meistens hohe Ansprüche an die Leistungen ihrer Kinder, deren Erfolge werden als Familienerfolge gefeiert.
Wie entwickelt sich „Helicoptering“? Sicher nicht aus böser Absicht. Eltern wollen immer das Beste für ihre Kinder. Oft haben Sie ein spätgeborenes Einzelkind, oft gibt es eine frühe Krankheit des Kindes. Oft sind es eigene Ängste etwas falsch zu machen. Helikop-ter-Eltern entstehen im Prozess der Erziehung. Ihr zentraler Blickwinkel geht in Richtung Problem anstatt in Richtung Zuversicht.
Heißt das, dass wir unsere Kinder sich selbst überlassen sollen? Mitnichten – das wäre das andere Extrem. In einer herausfordernden Welt ist wachsame Sorge wichtig. Eltern sollten ihre Kinder überblicken, die Situation im Griff haben, aber nicht durch Kontrollieren, denn Kinder sind nicht kontrollierbar. Stattdessen gilt es, Rahmen und Regeln festzulegen.
So entwickeln Sie Vertrauen
1. Üben Sie sich in Zuversicht, dass Sie Dinge lösen, dann können Sie auch anderen gegenüber zuversichtlich sein. Zuversicht entwickelt man, indem man achtsam bemerkt, welche Dinge gelingen – bei sich selbst und beim Kind. Die Überzeugung „du schaffst es“ versetzt oft Berge.
2. So können Sie Vertrauen aufbauen: Bemerken Sie, was Ihr Kind mag und unterstützen Sie es. Vertrauen entsteht durch wohlwollende Begegnung auf Augenhöhe, nicht durch ängstliches Kontrollieren. Sie werden sehen: Ihr Kind kann viele tolle Dinge.
3. Mut entsteht auch, wenn Sie sich mit anderen vernetzen. Sprechen Sie auch über Dinge, die Ihnen und Ihrem Kind gelingen.
4. Setzen Sie klare Rahmen und Spielregeln fest. Innerhalb dieser muss Autonomie und Entwicklung möglich sein. Oft entsteht ein Dilemma, weil keine klaren Bedingungen festgelegt sind, und etwas schnell-schnell geregelt werden muss.
5. Es zählt die richtige Balance zwischen Wachsamkeit und Gewährenlassen. Dann können Sie den Helikopter im Hangar parken.
DER EXPERTE
Dr. Philip Streit ist Psychologe, Psychotherapeut und Lebens- und Sozialberater.
Seit 20 Jahren leitet er das „Institut für Kind, Jugend und Familie“ in Graz, das größte Familientherapiezentrum der Steiermark.
Jede Woche beantwortet er in der „WOCHE“ eine Frage rund um Erziehung und Beziehung.
Ihre Anregungen und Fragen können Sie per E-Mail an die Redaktion schicken:
elisabeth.poetler@woche.at
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