Andreas Braun: "Lust am Widerspruch"

Andreas Braun ist noch immer nicht müde geworden, sich Gedanken über die Zukunft des Landes zu machen.
  • Andreas Braun ist noch immer nicht müde geworden, sich Gedanken über die Zukunft des Landes zu machen.
  • hochgeladen von Sieghard Krabichler

"Starkes Land" war einer ihrer Slogans bei der Tirol Werbung. Ist Tirol noch ein starkes Land?
ANDREAS BRAUN: "Zum Teil. Tirol hat starke Potentiale, nur das Land muss aufpassen, dass die Abwanderung des Geistes nicht fortschreitet. Auch die Strukturen in den ländlichen Gebieten brauchen mehr Impulse aus Forschung, Bildung und Betriebsansiedelungen. Es fehlt teilweise die Übersetzung der Ergebnisse aus Bildung und Forschung in wirtschaftliche Chancen. Und der unnütze Kampf der 'bösen' Wirtschaft versus der 'guten' Ökologie ist entbehrenswert."

In Osttirol sagten Sie einmal bei einem Vortrag: "Lustgewinn erzielt man nur durch Ungehorsam”. Auch Erfolge?
"Der Tiroler hat, bedingt durch die katholische, konservative und autoritäre Sozialisierung, eher den Drang zur Anbetung der Asche. Ich stehe der Kultur vom 'Händefalten, Goschen halten' kritisch gegenüber. Dabei gäbe es so viele Möglichkeiten der spannenden Auseinandersetzungen in den Dörfern, in den Vereinen, die für mich als Lebensschule gelten. Und ja, in der Wirtschaft sind die Unternehmen erfolgreich, die eigensinnige Leute beschäftigen. Das sollte auch für die Politik gelten. Die Lust am konstruktiven Widerspruch muss viel mehr in den Vordergrund rücken."

Ihrem "Gulaschsager" Anfang der 1990er-Jahre, wonach in Österreich sieben der zehn bestellten Gulasche schlecht seien, folgte ein Aufschrei. Ein Meilenstein in der qualitativen Tiroler Tourismusentwicklung?
"Viele Tiroler Touristiker waren und sind der Meinung, es habe etwas gebracht. Vorerst schwappte aber über Tirol eine Art Schockwelle. Auch für mich galt: Den Vorbereiteten trifft der Zufall. Ich habe mich immer bemüht, diese zentralen Wunschbilder der Touristen – Essen und Trinken – zu thematisieren. Das feige Sich-selbst-Belügen nahm ab, es wird seither durchaus ambitioniert gekocht. Inzwischen hat Tirol kulinarisch aufgeholt, aber ganz zufrieden darf man nie sein."

Warum gibt es in Tirol keine weiteren Projekte wie die Kris-tallwelten? Fehlt der Mut zu Großinvestitionen?
"Der beispielhafte Innovator Gernot Langes-Swarovski hatte viele Ideen, darunter die Kristallwelten, die einen erfolgreichen Weg nahmen und Anstoß für viele andere erlebnisökonomische Plattformen gaben: Wirtschaft kann sinnlich betreten und spannend erzählt werden! Unsere Schwarz-Weiss-Politik des Schützens und Nutzens verunmöglicht oft neue Allianzstrategien von Mensch, Natur und Wirtschaft. Ich prägte das Motto: 'Wirtschaften mit der Natur', daher bezeichne ich Lifte als 'temporäre Kunstinstallationen im Gebirge'."

Wie müsste der Tiroler Tourismus in Zukunft vermarktet werden? Wo liegt das große Potential in den nächsten zehn Jahren?
"Der Tourismus muss ein viel integraleres Standortversprechen für Tirol geben. Ich muss Geschichten erzählen. Tirol muss als hybrides Sehnsuchtsziel für Arbeitnehmer, Forscher, Unternehmer und für Touristen gleichermaßen facettenreich dargestellt werden. Der Tourismus sollte sich aus der sogenannten Tourismusindustrie herauslösen und zu einem identitätsstiftenden Symbol für alle avantgardistischen TirolerInnen weiterentwickeln."

Bräuchte es einen Landesrat für Tourismus?
"Das ist mir wurst! Es braucht nur, dass alle handelnden Personen der Landesregierung im Sinne des Tourismus für Tirol arbeiten."

Über die neue Bundesregierung sagten Sie 2013: „In der Unterdurchschnittlichkeitsfalle verklemmte Kleingeister regieren das Land für weitere fünf Jahre.“ In Tirol ist die Regierung auch zwei Jahre im Amt. Auch unterdurchschnittlich?
"Politik und Verwaltung verfügen über gewaltige Ressourcen, ich wünsche mir im Sinne des 'Unternehmens Tirol' nicht Verwaltung, sondern Gestaltung. Politik ist schwierig, speziell in Tirol sind viele Besitzstände wie etwa die unterschiedlichsten Kammern zu befriedigen. Daher braucht es weniger Affirmation, sondern mehr Gestaltung in Richtung disruptive Innovation."

Sie waren nie ein Ja-Sager, nie ein Feigling und besitzen eine exzellente Streitkultur. Fehlen solche Menschen in Tirol zusehends?
"Es gibt eine Politikmüdigkeit, es gibt im öffentlichen Rundfunk nur mehr ein Quotenschielen und keine Plattform für kritische Geister. Auch fehlt in Tirol die politische Mündigkeit in wirtschaftlichen Belangen. Viele in Tirol haben keine Ahnung von mikro- und makroökonomischen Zusammenhängen. Das fördert Untertanenmentalität und Manipulierbarkeit."

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