Alles auf eine Karte - 5. freie Theaterfestival

Foto: Irene Ascher
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Beim 5. freien Theaterfestival, das am 12. November mit der Premiere und Uraufführung der Großproduktion Aeneis eröffnet wird, haut sich die freie Theaterszene der Landeshauptstadt erstmals und sprichwörtlich auf ein Packerl.
Vier RegisseurInnen wagen sich dann mit einem dreizehnköpfigen Ensemble aus der gesamten freien Szene im knapp 1000 m2 großen Kellergewölbe von Schloss Büchsenhausen an die Aeneis, ein Monumentalwerk der römischen Antike, das der aus Südtirol stammende und in Berlin und Stuttgart lebende Literaturwissenschaftler und Autor Toni Bernhart im Auftrag des Festivals neu dramatisiert hat.
Warum einfach, wenn es anders auch geht …
Zum halbrunden Jubiläum des freien Theaterfestivals, in dem sich die freie Szene bis dato alle zwei Jahre dem theateraffinen Innsbrucker Publikum präsentierte, wollten es Thomas Gassner und Katrin Jud, die das Festival seit der dritten Auflage leiten, offenbar ganz genau wissen. „Irgendwie hat es uns nicht mehr wirklich befriedigt, einfach eine Leistungsschau der freien Szene mit vorgegebenen Themen zu organisieren. Denn das, was so ein Festival eigentlich befördern sollte, nämlich den Austausch und den Diskurs der Theater(-gruppen) untereinander, ist dabei immer etwas zu kurz gekommen, weil ja jede Gruppe vollauf mit ihrer eigenen Produktion beschäftigt war. Daher haben wir uns gedacht: Setzen wir doch mal alles auf eine Karte und versuchen wir die professionelle freie Szene mal wirklich für eine gemeinsame Produktion erst an den Tisch und in weiterer Folge gemeinsam vor und hinter die Bühne zu bringen. Das Festival sieht sich dieses Mal also nicht nur inhaltlich und dramaturgisch der freien Szene verpflichtet, sondern auch strukturell. Wir werden erstmals die konventionellen Strukturen aufbrechen und quasi gänzlich neue erfinden", so Gassner und Jud.
Gedacht, getan. Also riefen sie die freien TheatermacherInnen Innsbrucks, angefangen von Westbahntheater, theater praesent, Staatstheater bis hin zu Feinripp, diemonopol, coop.fem.art und tON/NOt zusammen, um sie für ein Großprojekt zu gewinnen, das es in dieser Form in dieser Stadt noch nie gegeben hat: eine Theaterproduktion nämlich, bei der vier RegisseurInnen – Mona Kraushaar und Torsten Schilling, Andrea Hügli und Thomas O. Niehaus - gemeinam mit Ausstatterin Esther Frommann als gestalterischem und dem Komponisten Martin Ohrwalder als musikalischem Bindeglied mit einem Ensemble der freien Szene (bestehend aus Florian Adamski, Daniela Bjelobradic, Eleonore Bürcher, Heinz Fitz, Günther Gräfenberg, Carmen Gratl, Tobias Horvath, Luka Oberhammer, Markus Oberrauch, Alexander Rainer, Frank Röder, Michaela Senn, Teresa Waas) sowie mit Studierenden von Schauspiel Innsbruck ein dramatisiertes Monumentalwerk der europäischen Literatur auf die Bühne bringen.
Wer ist eigentlich Aeneas?
Gassner und Jud hatten dabei ein Werk im Auge, das bis weit herauf ins letzte Jahrhundert, etwa vermittelt über Gustav Schwabs „Sagen des klassischen Altertums“ fester Bestandteil des Bildungskanons war: die Aeneis von Vergil. Während Vergil bei unseren italienischen Nachbarn nicht zuletzt über Dantes „Göttliche Komödie“ nach wie vor als Autorenfigur allgegenwärtig ist, hat er im deutschen Sprachraum seit der Klassik an Bedeutung verloren, weil man sich von da an lieber ans „Originalgenie“ Homer hielt. Dabei sind Episoden aus dem zwölfbändigen Werk der Aeneis, das sich sowohl motivisch wie strukturell ganz offen an Homers Ilias und Odyssee orientiert, wie etwa die unglückselige Liebesgeschichte von Dido und Aeneas über die musikalische Rezeption durch viel gespielte Komponisten wie Henry Purcell und Hector Berlioz auch hierzulande bestens bekannt. Doch die Figur des Aeneas und insbesondere sein Gottesauftrag, in Rom ein neues Imperium zu begründen, ist in unseren Breiten wenig bis gar nicht präsent. Umso interessanter also die Frage, warum das Festivalduo Thomas Gassner und Katrin Jud ausgerechnet eine Dramatisierung und Umsetzung dieses Werks in Auftrag gab.
Das Drama Europas aus dem Blickwinkel eines Entstehungsmythos
„Nun, die Aeneis ist einer der Gründungsmythen des Römischen Reiches. Das Epos wurde von keinem Geringeren als Augustus in Auftrag gegeben, der damit seine hegemoniale Herrschaft und die Idee eines Friedensreiches nach jahrhundertelangen Bürgerkriegen legitimieren wollte“, so Gassner und Jud. Aus diesem Entstehungsmythos – so fremd und befremdlich er zuweilen auch wirken mag – ließen sich erstaunlich viele Verbindungslinien zu den brennenden Themen unserer Zeit ziehen. „Die gegenwärtigen Krisen erscheinen einem unter diesem Blickwinkel fast als ein überzeitliches Phänomen. Denn schon in der Aeneis kann man Kriegsherde und ökologische Bedrohungen als Ursache für Migrationsströme identifizieren. Zudem geht die Auflösung respektive Zerstörung einer bestehenden Ordnung stets mit dem Drang einher, eine neue, mindestens ebenso starre Ordnung aufzubauen. Und diese Suche, dieser Aufbruch ins Ungewisse, diese Zwischenzeit birgt stets ebenso viel dynamisch-kreatives wie auch verstörend gefährliches Potenzial, was wir in der Aeneis wie in unserer eigenen Zeit unschwer erkennen und ausmachen können“, so das Festivalduo. Zudem habe Toni Bernhart, der Vergils Monumentalwerk im Auftrag des Festivals in eine zeitgemäße postdramatische Form brachte, in seinem Text sehr klar und augenfällig herausgearbeitet, „was diffuse Ängste vor neuen Imperien an Wahnwitz und Zerstörung auszulösen vermögen.“
Vier Regiehandschriften auf einer dramaturgischen Linie
Gleichwohl, so gestehen Gassner und Jud unverhohlen ein, sei die Umsetzung eines radikal verdichteten Theatertextes über ein Epos dieser Dimension (Vergil arbeitet an den zwölf Büchern nahezu zehn Jahre) naturgemäß eine Tour de Force, die noch an dramaturgischer und logistischer Brisanz gewinnt, wenn man bedenkt, dass hierfür ebenso kreative wie kraftvoll eigenständige Regiepersönlichkeiten wie Mona Kraushaar und Torsten Schilling, Andrea Hügli und Thomas O. Niehaus gemeinsam mit Staatstheater-Chefausstatterin Esther Frommann zu einem Team zusammengespannt wurden. „Keine Frage: dieses Setup hält uns als Leitungsteam ganz schön auf Trab, denn da gibt es klarerweise weitaus mehr Abstimmungsbedarf als bei herkömmlichen Produktionen. Das Schöne daran: Wir sind allesamt wildentschlossen, dieses dichte Werk gemeinsam sinnfällig zu entschlüsseln und daraus ein gemeinsames Ganzes zu entwickeln, in dem trotzdem noch jeder Einzelne mit seiner Begeisterung und Hingabe und Handschrift für sich erkennbar bleibt.“

Die Verdichtung einer Verdichtung: Toni Bernharts „Aeneis“
Die Aufgabenstellung ist auch inhaltlich einigermaßen fordernd, denn Toni Bernhart hat in seiner dramatischen Aneignung der Aeneis „das Reagenzglas“, wie er es nennt, erst mal ordentlich durchgeschüttelt, um zu sehen, was sich bei ihm wie absetzt. In weiterer Folge habe er dann „Großes runtergedampft, Kleineres raufgehoben“. Und so finden sich in seinen zwölf Textabschnitten, mit denen er sich auf Vergils zwölf Bücher bezieht, eher die unbekannteren Abschnitte und Sequenzen der Aeneis. Es sei ihm zudem nicht darum gegangen, die Geschichte der Aeneis nacherzählen, sondern Stimmungen nachzubilden, welche die Seelen- und Machtlogik offenlegen. Natürlich sei die Dramatisierung eines solch monströsen Werkes in vergleichsweiser kurzer Zeit unerhört und vermutlich ein wenig vermessen, so Bernhart. „Aber ich hatte wirklich große Freude daran. Denn mir war von Anfang an klar: So eine Anfrage erhältst du nur einmal im Leben. Das ist so gigantisch, das musst du unbedingt machen.’
Nachdem Bernharts stark monologischer Text vieles nur andeutet, wird sich die Essenz dieser Uraufführung sprich die Interpretation durch das Regieteam erst im Laufe der Proben herausentwickeln. Das Team steht jedenfalls schon in den Startlöchern, die Proben haben in der letzten Septemberwoche begonnen.

Das 5. freie Theaterfestival zeigt
in einer Gemeinschaftsproduktion der Off-Szene Innsbrucks
Aeneis. Ein Stück von Toni Bernhart. Nach Vergil
Uraufführung: 12. November 2016, 19.00 Uhr
im Kellergewölbe von Schloss Büchsenhausen
Weitere Aufführungstermine:
17., 19., 22., 25., 26., 29. November, 1.,3., 8., 10. Dezember 2016

Regie: Mona Kraushaar, Andrea Hügli, Thomas Oliver Niehaus, Torsten Schilling
DarstellerInnen: Florian Adamski, Daniela Bjelobradic, Eleonore Bürcher, Heinz Fitz, Günther Gräfenberg, Carmen Gratl, Tobias Horvath, Luka Oberhammer, Markus Oberrauch, Alexander Rainer, Frank Röder, Michaela Senn, Teresa Waas sowie die StudentInnen von Schauspiel Innsbruck: Marie-Christine Bawart, Phillip Beck, Hannah Candolini, Daniel Clemente, Laura Masten, Francesca Menges, Viktoria Meyer, Frederick Redavid, Amrei Rieth, Susanne v. Fioreschy-Weinfeld, Christopher Zierl
Aeneis-Chor: Einspielung in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Gräzistik und Latinistik des Instituts für Sprachen und Literaturen, Universität Innsbruck, unter der Leitung von O. Univ.-Prof. Mag. Dr. Wolfgang Kofler und Univ.- Ass. Mag. Martin Bauer.
Bühne und Kostüme: Esther Frommann
Musikalische Einrichtung und Komposition: Martin Ohrwalder
Regieassistenz: Michaela Adrigan, Michael Rudigier
Ausstattungsassistenz: Andrea Spiegel

Tickets: VKK 20 EUR, ermäßigt 18 EUR, Abendkassa 24 EUR, ermäßigt 20 EUR
Zu bestellen unter reservierung@freies-theaterfestival.at
bzw. ab 20. Oktober 2016 auch erhältlich in der galerie artdepot,
Maximilianstraße 3/Stöckl, Mo bis Fr: 11 – 18 Uhr, Sa 10 -13 Uhr

Wann: 12.11.2016 19:00:00 Wo: Künstlerhaus Büchsenhausen, Weiherburggasse 13, 6020 Innsbruck auf Karte anzeigen
Foto: Irene Ascher
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