Am eigenen Leib: Bei der Heuernte am Wildschönauer Bergbauernhof

Helfer Hannes, Maria, Kathi, Lydia, MR-GF Josef Unterweger und Hans Moser.
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  • Helfer Hannes, Maria, Kathi, Lydia, MR-GF Josef Unterweger und Hans Moser.
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WILDSCHÖNAU (nos). So einfach war er schon bei der Anfahrt nicht zu finden, mein heutiger "Einsatzort". Der Bergbauernhof "Unteradelsberg" liegt einige hundert Meter oberhab des Wildschönauer Talbodens, gehört grade noch zu Niederau. Nachdem Navi und "google Maps" bei der Adresse kläglich versagten, half zum Glück der Tourismusverband weiter. Einige Telefonate, Autominuten und Hinweistafeln wie "Fahrverbot außer Anrainer" später, stehe ich dann am Hof. Das Wetter ist prächtig, keine Wolke ist am Himmel zu sehen – und das ist gut so, denn die Heuernte steht an!

Holz oder Plastik?

Maria und Hans Moser bewirtschaften den Hof mit den steilen Hängen. Drei Generationen leben und arbeiten hier gemeinsam. Maschinenring-Bezirksgeschäftsführer Josef Unterweger nimmt mich mit Familie Moser in Empfang, der Grund ist recht einfach: Ich werde heute freiwillig am Hof mithelfen, im Rahmen des Programms "Freiwillig am Bauernhof". Dieser Verein bringt Tiroler Bauernfamilien mit Interessierten zusammen, die über den Sommer bei den anfallenden Arbeiten am Hof mithelfen wollen. "Das ist eine tolle Sache", erklärt Unterweger, "wir haben im Bezirk viele Gäste, die im Alpbach- oder Brandenbergtal oder hier in der Wildschönau mitarbeiten wollen. Im Gegenzug bekommen sie Unterkunft und Verpflegung und vollen Familienanschluss." Die Freiwilligen sind alters- und herkunftsmäßig bunt gemischt, weiß nicht nur Unterweger, sondern auch Familie Moser zu berichten. Oft bleibt eine jahrelange Freundschaft bestehen, viele kommen öfter, um mit anzupacken.
Wir aber machen uns bald auf in den Hang. Gestern wurde gemäht, das Heu ist trocken, nun muss es zusammengerecht werden. Jungbäuerin Barbara stellt die erste, leicht verwirrende Frage für mich als Rechenlaien: "Holz oder Plastik?" Gemeint hat sie damit die Zähne des Rechens, das mache tatächlich einen Gewichtsunterschied. Da ich mich ohnehin nicht auskenne, mir der Unterschied wohl nicht auffallen wird und ich nicht heikel bin, überlasse ich der Fachfrau die Wahl und wir machen uns gemeinsam auf den Weg in's Heu. Heute sind wir zu sechst – fast luxuriös, wie Barbara feststellt. Neben Lydia und Kathi, die auch am Unteradelsberg-Hof wohnen sind auch Hans und Hannes mit dabei.

"Im Tal wären wir schon fertig"

Hannes ist eigentlich noch Schüler, besucht die Chemie-HTL in Kramsach und kommt aus Kirchbichl. Während wir das Heu zu Haufen talwärts zusammenrechen kommen wir ins Gespräch. "Während des Sommers bin ich als Betriebshelfer für den Maschinenring unterwegs", erzählt der junge Mann. Hannes ist hier heroben beinahe so ein Exot wie ich – er kommt vom Bruggerhof in Kirchbichl. "Talbauer" nennt ihn Barbara scherzhaft. Er würde jedenfalls nicht tauschen wollen, die Arbeit hier im Hang sei viel aufwändiger und langwieriger. Für ihn steht die "Ausbeute" bei der Heuernte nicht im Verhältnis zum Aufwand, "da lobe ich mir meine Flächen im Inntal", meint Hannes.
Anstrengend ist es auf jeden Fall hier bei der Heuernte. Viel Handarbeit ist hier gefragt, die Hänge sind steil, teilweise zu steil für irgendwelche Maschinen.

"Das waren alles Hangrutsche"

Barbara erzählt mir, welchen Sinn dieser Aufwand für sie macht. Nicht nur die Tiere am Unteradelsberg-Hof profitieren vom frischen, von Blumen und Kräutern bunt gefärbten Heu. "Würden wir diese Flächen nicht bewirtschaften, sähen sie bald so aus wie das Strauchwerk dort oben, siehst du?", deutet Barbara an den Waldrand. Die Erhaltung der Kulturlandschaft ist aber nicht nur wichtig, weil es gepflegter aussieht, wie sie erklärt. "Über kurz oder lang wurde der Boden nicht halten und der Hang talwärts rutschen. Siehst du die Furchen und Abschüsse im Hang? Das waren alles Rutschungen", zeigt mir Barbara die Stellen während des Rechens.
Die Schweißperlen stehen mir schon lange auf der Stirn, es hat rund 30 Grad, weitum ist kein Schatten zu sehen. Ein Schluck Wasser erfrischt kurz, aber wir rechen weiter, das Heu soll ja heute noch beisammen sein. Jeder Regenguss würde die Arbeit zunichte machen.
Nachdem wir alles soweit auf den unter uns liegenden Weg verfrachtet haben, kann das Heu verladen werden. Wir machen uns deshalb auf den Weg zurück zum Hof und stärken uns mit einer wohlverdienten Jause. Ob ich mich halbwegs brauchbar angestellt habe, als unbedarfter Laie, wollte ich noch von Barbara wissen. "Das hat schon gepasst, du kannst gern bleiben und morgen weitermachen", scherzt die Jungbäuerin.

„Freiwillig am Bauernhof“ vermittelt landwirtschaftsfremde (und landwirtschaftsfreundliche) Personen für einige Wochen an einen Bergbauernhof in Tirol. Das Projekt wurde bis 2016 vom Maschinenring Tirol abgewickelt und wird heute vom eigens gegründeten Verein "Freiwillig am Bauernhof" organisiert. Jedes Jahr werden circa 100 Einsätze vermittelt, die freiwilligen Helfer erhalten Kost und Logis. Während die Freiwilligen einen Einblick in die landwirtschaftliche Arbeit erhalten, ist den Einsatzbetrieben in Zeiten von Arbeitsspitzen mit einer zusätzlichen Arbeitskraft geholfen. Die Freiwilligen erhalten bei dieser „Schnupperlehre“ einen Einblick in das Leben und Arbeiten am Bergbauernhof. Sie sind vorwiegend bei der Heu-Ernte, aber auch bei der Stallarbeit, im Haushalt oder in der Kinderbetreuung im Einsatz.

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