Rund 90 Prozent der Lungenkrebspatienten sind Raucher

Primar Dr. Herbert Jamnig, Dr. Gerda Ballik-Jaklitsch und Dr. Peter Heininger vor der Vorlesung in Kundl.
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  • Primar Dr. Herbert Jamnig, Dr. Gerda Ballik-Jaklitsch und Dr. Peter Heininger vor der Vorlesung in Kundl.
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KUNDL (nos). Zum Start ins Mini Med Wintersemester 2016/17 begrüßte Dr. Gerda Ballik-Jaklitsch (Communications Manager Sandoz) sozusagen als Hausherrin im Sandoz Visitor Center rund 70 Mini Med Studierende und Medizininteressierte. Die berufenen Fachmeinungen zum Thema „Die Lunge“ steuerten – wie gewohnt hochkarätig besetzt – Primar Dr. Herbert Jamnig, Leiter der Pneumologischen Abteilung am LKH Natters, und Primar Dr. Peter Heininger, Leiter der Pneumoligie-Abteilung am Rehabilitationszentrum Münster. Entsprechend ihrer fachlichen Ausrichtung teilten sich die beiden den Abend. Dr. Jamnig referierte durchwegs unterhaltsam aus Sicht der Akutmedizin zu Asthma, COPD und Lungenkrebs, Dr. Heininger veranschaulichte therapeutische Möglichkeiten und Methoden der ganzheitlichen Rehabilitation für Patienten mit Lungenproblematik.

Zu Beginn der Veranstaltung gab Dr. Gerda Ballik-Jaklitsch einen kurzen Überblick über die Mini Med Reihen und die Beweggründe des Engagements von Mini Med darin, medizinisches Fachwissen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dafür zog sie auch eine Studie heran, die durch Befragungen zeigte, dass rund 64 Prozent der Deutschen angeben, nur „geringen Zugang“ zu medizinischem Wissen zu haben. Die Vortragenden der Mini Med Reihen, die in ganz Österreich angeboten werden, stellen sich hierfür unentgeltlich und ehrenamtlich zur Verfügung. „Mini Med ist immer bemüht, ihnen interessante Vorträge zu bieten“, stellte Dr. Ballik-Jaklitsch fest und verwies dabei auch auf das ständig wachsende Onlineangebot von Mini Med, darunter auch zahlreiche Videos von Vorträgen.
„Das klingt ja nach harter Arbeit für Sie“, scherzte Dr. Jamnig am Anfang seiner Ausführungen, erfreut über die erstmalige Einladung nach Kundl, nachdem er bereits in Reutte und Innsbruck für Mini Med als Referent tätig war. Zu 50 Prozent ist der Lebensstil ausschlaggebender Faktor unserer Gesundheit, stellte er in den Raum. Medikamente oder Therapien könnten zwar kurz- oder mittelfristige Verbesserungen bringen, doch ohne die Selbstdisziplin des Patienten und eine Veränderung des Lebensstils – allen voran das Rauchen aufzugeben – sei eine echte Verbesserung nicht machbar. Möglichkeiten einer frühzeitigen Vorbeugung von Atemwegsinfekten könnten etwa mehrtägige Aufenthalte an den Krimmler Wasserfällen, die mittlerweile aufgrund der dort entstehenden Nanoaerolse als „heilkräftig“ anerkannt sind, oder auch Grippe- und Pneumokokkenimpfung bieten, so Jamnig. Dafür bringen Rauchen und Passivrauchen massive Beeinträchtigungen und Gefahren mit sich, wie der Lungenspezialist anhand von Statistiken veranschaulichte.

Mindestens 25 Prozent der Raucher im Alter über 50 haben ein Lungenproblem, besonders unter Frauen steigt die Zahl von Lungenkrebs- und COPD-Patienten. „Frauen vertragen Nikotin einfach schlechter als Männer, das ist leider einfach so“, meinte Jamnig in Bezug auf die weibliche Physiologie. Dennoch raucht in Österreich noch immer beinah jede dritte Schwangere. „Mit einer Zigarette im Auto bekommen sie eine größere Feinstaubbelastung als die Warnstufen an den Kontrollstellen im Inntal anzeigen“, warnte er eindringlich vor den Folgen von Passivrauchen, gerade bei Kindern.

Jeder zehnte Österreicher über 40 bekommt die Diagnose COPD, jedes zehnte Kind Diagnose Asthma, ebenso jeder zwanzigste Erwachsene. Ein überempfindliches Bronchialsystem in Verbindung mit einem Infekt durch Viren oder Bakterien, einer Allergie und/oder allgemeiner Belastung führen dazu, dass sich die Zahl der Asthmapatienten in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt hat.
Patienten mit Atemwegsbeeinträchtigungen fänden sich oft in einer Krankheitsspirale wieder, so Dr. Jamnig. Kurz zusammengefasst: Wem schnell die Luft ausgeht, der verzichtet immer stärker auf Anstrengungen, sieht sich zunehmend isoliert und gerät in eine Depression. Hier heraus zu finden bedarf oft professioneller Hilfe, was unter anderem Teil der Rehabilitationsmaßnahmen darstellt. „Medikamente führen nicht zur Normalisierung, sondern nur zur Verbesserung der Lungenfunktion“, stellte Jamnig in Aussicht. Komplette Heilung sei nicht möglich.
90 Prozent der männlichen und 80 Prozent der weiblichen Lungenkrebspatienten sind Raucher, allein in Tirol kommen jährlich 110 Frauen und 230 Männer dazu, zehn Prozent der Frauen und fünf Prozent der Männer sind dabei unter 50. „Die beste Idee ist, wenn man gesund bleibt“, meinte Jamnig. Therapeutisch rückt man dem Lungenkrebs durch Strahlen-, Chemo- oder Immuntherapie an den Leib, sonst bleibt nur noch die Operation. „Aber wir wollen nicht schwarz malen, sondern Ihnen die Information mitgeben, dass man selbst die Verantwortung trägt“, schloss Jamnig den Kreis zur Anfangsfeststellung: Der Lebensstil ist zu 50 Prozent ausschlaggebend.

Was nach der Diagnose einer Lungenerkrankung an medizinischen Therapien und Nachsorgemöglichkeiten zu Verfügung steht, präsentierte nun Dr. Heininger vom RZ Münster und listete zuerst auf, welche Krankheitsbilder für die Lungenrehabilitation infrage kommen. (LISTE)
Der Rehabilitationsansatz in Münster ist dabei durchaus ganzheitlich, reicht von Physio- und Ergotherapie über … bis zur psychologischen Beratung, wobei der Verlauf ständig beobachtet wird – eine „evidenzbasierte multidisziplinäre Intervention“, so der Fachmann. Ziel ist die physische und psychische Verbesserung des Patienten.
Rehabilitation besteht dabei aus vier Phasen: Den ersten Maßnahmen im Akutkrankenhaus, einem rund dreiwöchigen stationären Rehab-Aufenthalt, einer halb- bis einjährigen ambulanten Rehabilitation und dem eigenständigen Weiterführen der dort erlernten Maßnahmen. „Da ist das schwierigste überhaupt, weil man sich selber ändern muss“, weiß Heininger. Er empfiehlt die eigene Aktivität mit einem Schrittzähler zu überprüfen – „wenn man vier Monate durchhält verändert sich ihr Körpergefühl und plötzlich wollen sie nicht mehr mit Chips auf der Couch sitzen sondern von einem Spaziergang zurückkommen und einen Apfel essen.“ Neben dem Rauchverzicht, der Tabakentwöhnung, wäre für Betroffene eine frühzeitige Lungenrehab wünschenswert, meint Heininger. Zudem rät er – gerade für den kommenden Winter – zur Raumluftbefeuchtung. Rund 45 Prozent Luftfeuchtigkeit wären ideal.
„Aber bitte nicht mit dem Luftbefeuchter, das sind wahre Keimschleudern“, Heininger rät zum klassischen aufgehängten nassen Lappen oder zum Wasserbehälter am Heizkörper.

Weitere Artikel zu Mini Med in Kundl finden Sie hier, auf www.minimed.tv stehen Videos von weiteren Vorträgen zum online Nachsehen bereit. Die nächste Vorlesung in Kundl findet am 9. November um 19 Uhr im Sandoz Visitor Center statt, dann mit Dr. Gert Mayer, Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin IV (Nephrologie und Hypertensiologie) in Innsbruck, zum Thema „Volkskrankheit Bluthochdruck“.

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