Österreichs Telefonzellen als "Staatsgeheimnis"

Die Telekom-Regulierungsbehörde weiß laut eigenen Angaben gar nicht, wie viele Telefonzellen 1999 standen und wo sie heute noch stehen. | Foto: Markus Berger
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  • Die Telekom-Regulierungsbehörde weiß laut eigenen Angaben gar nicht, wie viele Telefonzellen 1999 standen und wo sie heute noch stehen.
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ÖSTERREICH. In Österreich gibt es mehr Handyverträge als Einwohner. In einer Zeit der ständigen Erreichbarkeit in der Hosentasche wirken sie wie Relikte aus grauer Vorzeit – dennoch gibt es im Bundesgebiet laut A1 Telekom immer noch rund 14.000 Telefonzellen.

Warum das so ist? Die Republik Österreich verpflichtet die mehrheitlich private A1 Telekom (59,7 % im Besitz der América Móvil), zumindest jenen Stand an Versorgung mit öffentlichen Sprechstellen aufrechtzuerhalten, der am 1. Jänner 1999 gegeben war. Mit dieser sogenannten "Universaldienstverordnung" (UDV) wollte der Staat sichergehen, dass kein Kahlschlag bei der öffentlichen Versorgung entsteht.

Niemand kontrollierte Regel

Für die Überprüfung dieser Verordnung wäre die staatliche Telekom-Regulierungsbehörde (RTR) zuständig. Die staatlichen "Wächter" der Telefonzellen wissen aber laut eigenen Angaben gar nicht, wie viele Telefonzellen 1999 standen und wo sie heute noch stehen. Eine Überprüfung fand laut Aussage der RTR noch nie statt.

Wie auch? Um eine derartige Kontrolle überhaupt durchführen zu können, müsste wohl eine Liste der genauen Standorte vorliegen. Tut sie aber laut Anfragebeantwortung nicht. Stattdessen deuten die staatlichen Stellen die Verordnung so, dass die Anzahl der Telefonzellen-Standorte für die flächendeckende Versorgung gar nicht relevant sei. Namhafte Rechtsexperten sind da allerdings klar anderer Meinung.

Standorte als Staatsgeheimnis

Generell wird aus den Standorten der Telefonzellen in Österreich ein "Staatsgeheimnis" gemacht. Auf Anfrage der Regionalmedien Austria teilt die Telekom mit, die Standorte der angeblich 14.000 betriebenen Zellen nicht veröffentlichen zu wollen. Ministerium und RTR erklären sich für unzuständig. Die Regulierungsbehörde verwies gar auf ein "Betriebsgeheimnis" der Telekom.

Seit acht Monaten winden sich sämtliche Stellen wie Aale ob der Beantwortung einer simplen Frage: Wo sind im Bundesgebiet Telefonzellen zu finden? Eine Info, die eigentlich als Kundenservice auf jeder Gemeindehomepage zu finden sein sollte. Selbst das Hohe Haus blitzte mit dem Versuch ab, konkrete Standorte zu erfahren – eine parlamentarische Anfrage blieb diesbezüglich ohne greifbare Antwort.

Bermuda-Dreieck der Zellen

Stellt sich die Frage, warum bei der Verschleierung der Standorte ein Aufwand betrieben wird, als wären es Raketensilos im Kalten Krieg? Könnte es sein, dass es tatsächlich weniger Standorte als 1999 gibt? Die Regionalmedien Austria beschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen. In 80 Bezirken schwärmten unsere Redakteure aus. In der größten akkordierten journalistischen Recherche der Republik fanden 86 Redakteure mehr als 300 Standorte, an denen Zellen seit 1999 verschwunden sind. Es scheint, als sei die Alpenrepublik ein regelrechtes "Bermuda-Dreieck" für Münzer.

Entdecken Sie die verschwundenen Telefonzellen!


Klicken Sie auf die gelben Telefonhörer und erfahren Sie mehr über den Standort der ehemaligen Telefonzelle! Mit "+" und "-" können Sie in die Karte hinein- oder hinauszoomen.

Die Regionalmedien Austria haben diese Rechercheergebnisse in einer Sachverhaltsdarstellung ans Infrastrukturministerium und die Telekom-Regulierungsbehörde mit der Bitte um Prüfung übergeben. Während unserer seit November 2015 laufenden Recherchen meldeten sich zahlreiche Informanten, die den Verdacht des Telefonzellen-Schwundes bestätigten.

Ein Insider aus der Telekom-Branche: "Tatsächlich handelt es sich um totes Recht. Niemand braucht mehr so viele Telefonzellen, aber man hatte bislang nicht den politischen Mut, die Verordnung abzuändern, weil man Proteste fürchtete. Darum ist man den österreichischen Weg gegangen und hat nicht überprüft."

Zellen-Kahlschlag geplant

Vor Kurzem hat das Infrastrukturministerium nun doch einen Entwurf zur Änderung der Universaldienstverordnung vorgestellt. Darin soll die Zahl der Sprechstellen völlig neu geregelt werden. Konkret: In Gemeinden bis 1.500 Einwohner muss nur noch ein Münzer vorhanden sein. Bis 3.000 Einwohner wären zwei an verschiedenen Standorten vorgeschrieben.

In größeren Gemeinden käme dann pro 3.000 Einwohner eine weitere Telefonzelle dazu. Konkret bedeutet das: In einer Stadt wie Krems (23.898 Einwohner) würde sich die Zahl von derzeit 42 auf 8 reduzieren. In ganz Österreich würden laut Experten von derzeit 14.000 Telefonzellen nur rund 6.000 bleiben.

Lesen Sie auch:

* Telefonzellen in Niederösterreich: Lokalaugenscheine in den Bezirken

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