"Forschung passiert nicht in den Ringstraßenpalais"

Eine hochkarätige Diskussionsrunde – v. l.: Meinhard Lukas, Alois Ferscha, Michael Strugl, Manuela Macedonia und Michael Shamiyeh – antwortete beim FutureTalk in der voestalpine auf die Fragen von BezirksRundschau-Chefredakteur Thomas Winkler (r.). | Foto: Alfred Reiter
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  • Eine hochkarätige Diskussionsrunde – v. l.: Meinhard Lukas, Alois Ferscha, Michael Strugl, Manuela Macedonia und Michael Shamiyeh – antwortete beim FutureTalk in der voestalpine auf die Fragen von BezirksRundschau-Chefredakteur Thomas Winkler (r.).
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Der Aufzug kommt ganz oben an. Als sich die Türen öffnen, offenbart sich eine eigene Ästhetik: Ein Meer aus Stahlrohren, Schloten, Industriehallen, Straßen und dazwischen eingestreuten Bürogebäuden. Die herrschende Ruhe wirkt angesichts dieser Kulisse absurd. Genau hier geschieht das, was unser Land weiterbringt: „Technologische Forschung passiert nicht in den Ringstraßenpalais, sondern hier, wo wir sind”, sagt Rektor Meinhard Lukas und deutet zur Fensterfront hinaus.
Wenn sich fünf kluge Köpfe treffen, um miteinander zu diskutieren, sind die Ergebnisse nicht immer leicht zu verstehen, aber faszinierend.

Training mit optimaler Frequenz

So ist es ein Vergnügen, der Neurowissenschafterin Manuela Macedonia zuzuhören, wenn sie über ihre Arbeit spricht. Derzeit erforscht sie, ob das Gehirn anders lernt, wenn die Inhalte von einer lebenden Person vorgetragen werden oder einer künstlichen Figur aus dem Computer. Erstaunlicherweise sind die Unterschiede in den Gehirnprozessen nicht sehr groß. Die Maschine hat sogar den Vorteil, hartnäckiger beim Lehren zu sein und den Schüler mit jener Frequenz und Standhaftigkeit zu trainieren, die für den Lernfortschritt optimal sind.

Menschen und Maschinen

Wenn Spitzeninformatiker Alois Ferscha von seinem Fach erzählt, tut er das in einer ganz eigenen Dramaturgie. Er holt sowohl thematisch als auch in seiner Gestik weit aus. Er ist ein Verfechter davon, nicht anderen hinterherzuhinken oder Zeit zu investieren, um schon Bestehendes zu kopieren: „Wir müssen Neues schaffen”, ist sein Plädoyer. Er überlegt mit einer Forschergruppe schon, welche Ansätze nach der sogenannten Industrie 4.0 kommen könnten. Das richtige Zusammenspiel von Mensch und Maschine wird sicher ein zukunftsweisendes Thema sein. Ferscha beruhigt: „Menschen sind keine Maschinen und Maschinen werden nie zu Menschen werden.” Dazu seien sie viel zu unterschiedlich. Dennoch gebe es schon Fälle, in denen Menschen und Maschinen eine so symbiotische Beziehung haben, dass sie ohne einander nicht existieren können: zum Beispiel bei einem Herzschrittmacher.
Außerdem beschäftigt sich Ferscha mit Informationsübertragung ohne Hören oder Sehen. So kann man mit Vibrationen in unterschiedlichen Rhythmen Botschaften transportieren: Man erkennt am Vibrieren des Handys, wer anruft. Für manche Berufsgruppen, zum Beispiel Chirurgen, kann so ein zusätzlicher Kanal, auf dem Informationen transportiert werden, sehr nützlich sein.

"Scharfes Schwert" für den gordischen Knoten

Die Frage, wie die Digitalisierung das Leben und das Arbeitsumfeld verändert, beschäftigt Wirtschaftslandesrat Michael Strugl. Die Humanressource sei auf jeden Fall auch künftig einer der wesentlichen Faktoren für den Wirtschaftsstandort.
Strugl fordert Änderungen im Zugang zur Bildungspolitik ein: „Bildungspolitik ist derzeit eine Folge der Ideologie, nicht der Strategie.” Man stehe vor einem gordischen Knoten: „Vielleicht muss einmal ein scharfes Schwert genommen werden.”

Gruppenforschung statt Einzellehrstuhl

Solche heißen Eisen wurden hoch oben über der voestalpine aber nicht nur vom Wirtschaftslandesrat angefasst, sondern auch von Universitätsrektor Meinhard Lukas. Denn der bisher übliche Einzellehrstuhl – ein Professor beschäftigt sich mit nur einem Fachgebiet – wird nicht zukunftsweisend sein. „Es wird in eine Gruppenforschung übergehen”, so Lukas. Fachübergreifende Zukunftsfelder sind zum Beispiel Kombinationen aus Technik, Recht und Ethik. Vor allem Letztere ist ein zentraler Faktor, denn mit einer fehlenden Akzeptanz für die jeweiligen Forschungsfelder wird die Wissenschaft gehemmt.

Knappe Ressourcen führen zu Veränderung

Die Endlichkeit der Ressourcen beschäftigt Forscher Michael Shamiyeh von der Kunstuniversität: „Wir befinden uns in der Ressourcen-Produktivität”, erklärt er. Das bedeutet, dass es in Zukunft darauf ankommen wird, wie produktiv man mit den verfügbaren Ressourcen im Betrieb umgeht, denn diese sind in einen Zyklus eingebunden. Echte Knappheit würde erst in einigen Jahren eintreten. Da sich zahlreiche Unternehmen jedoch eher kurzfristige Ziele setzen, werde die Problematik noch nicht in vollem Ausmaß realisiert. Letztendlich rechnet Shamiyeh mit „grundsätzlichen” und „schmerzlichen” Veränderungen. Im Automobilsektor werde es einen „Rummser” machen.

Es herrscht Stille. Das Publikum ist von der Debatte noch gefangen genommen. Das Gesagte muss sich erst setzen. Der Weg in die Zukunft ist wohl in den seltensten Fällen gerade. Sogar der Lift, der in der voest-alpine Stahlwelt nach oben fährt, ist ein Schrägaufzug.

Über den FutureTalk

Ein völlig neues Diskussionsformat ist der FutureTalk, den die BezirksRundschau gemeinsam mit der Academia Superior, der Gesellschaft für Zukunftsforschung, organisiert. Er ermöglicht eine thematisch freie und uneingeschränkte Diskussion von namhaften Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung. So können direkt am Podium neue Ideen und Ansätze entstehen. Der erste FutureTalk fand im Panorama-Café der voestalpine Stahlwelt statt und wurde von BezirksRundschau-Chefredakteur Thomas Winkler moderiert.

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