Bundespräsidenten-Wahl 2016: Auf dem Weg in die Dritte Republik – eine Analyse

FPÖ-Chef H.C. Strache am 24. April 2016 auf dem Weg zur Pressekonferenz | Foto: Arnold Burghardt
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  • FPÖ-Chef H.C. Strache am 24. April 2016 auf dem Weg zur Pressekonferenz
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ÖSTERREICH. Das Ergebnis zur Bundespräsidentenwahl vom 24. April ist in mehrfacher Hinsicht historisch: Die FPÖ hat das beste Ergebnis bei einer Bundeswahl erzielt. Erstmals schaffen es ein Kandidat der FPÖ und der Grünen in die Stichwahl. Erstmals sind Rot und Schwarz frühzeitig aus dem Rennen. Zudem landete eine wirklich unabhängige parteifreie Kandidatin noch vor den SP- und VP-Kandidaten auf Platz drei.

Ach ja: Die Meinungsforschungsinstitute lagen wieder mal daneben

Nicht historisch, sondern schon üblich ist übrigens das völlige Versagen der Meinungsforschungsinstitute, von denen keines Norbert Hofer auf Platz eins gesehen hat. Aber das nur am Rande.

Was sind nun die Folgen? Beginnen wir bei Andreas Khol: Ihm gebührt aller Respekt. Er hat sich sprichwörtlich für seine Partei geopfert. Wie ein Kapitän, der ein sinkendes Schiff besteigt und allein auf der Kommando-Brücke aufrecht und stolz dem Untergang entgegen segelt.

Beeindruckend: Khol tat es wie Josef Klaus 1970

Beeindruckend auch sein Abgang, als er am Wahlabend seinen völligen Rückzug aus der Politik erklärte. Der letzte Spitzenpolitiker, der das an einem Wahlabend in Österreich tat, war VP-Kanzler Josef Klaus 1970 als er gegen Bruno Kreisky verlor.

Geopfert hat sich auch Rudolf Hundstorfer. Allerdings unabsichtlich. Obwohl er viel zu spät in den Ring stieg, dämmerte ihm wohl erst im Laufe seiner Kampagne, dass da etwas faul im Staate und vor allem in seiner Partei ist.

Der "Griss-Effekt" ist nicht zu unterschätzen

Was bedeutet das alles für die rot-schwarze Regierung? Die wird weitermachen wie bisher. Vielleicht in etwas veränderter personeller Besetzung, aber mehr ist dazu ohnehin nicht zu sagen.

Und Irmgard Griss? Den Einzug in die Stichwahl hat sie zwar verpasst, aber ihr Ergebnis ist historisch betrachtet sensationell. Sollte sie tatsächlich in der Politik bleiben wollen, wird die innenpolitische Landkarte zusätzlich neu gemischt werden.

"Heimat" ist auch in der linken Reichshälfte nun salonfähig

Nun zu den Siegern: Alexander Van der Bellen blieb deutlich hinter den Umfragen zurück. Freuen kann er sich trotzdem, weil er weit über dem Schnitt seiner Partei liegt. Und er hat den Begriff „Heimat“ mit seiner Wahlwerbung auch im linken politischen Lager salonfähig gemacht, womit er sich speziell in seiner eigenen anarchistischen Parteijugend keine Freunde gemacht hat.

Norbert Hofer und vor allem die FPÖ waren freilich die einzigen wahren Sieger an diesem Wahlabend. Die Gründe dafür sind bekannt: Flüchtlingskrise, Unzufriedenheit mit der Regierungskoalition und nicht zuletzt auch die anhaltende wirtschaftliche Stagnation, welche viele Verlierer (Österreich hat Arbeitslosenrekord!) kennt, die es zur FPÖ treibt.

FPÖ Wahlkampfzentral
Jubel in der FPÖ-Zentrale, Foto: Arnold Burghardt

Uns steht ein zweites 1986 bevor

Und wie geht es nun weiter? Hofer und Van der Bellen betonen, dass sie einen sachlichen Wahlkampf führen wollen. Das ist beiden Kandidaten auch zu glauben. Aber hier machen sie die Rechnung ohne den Wirt – also ohne ihre Parteien und ihre Wahlkampfmanager und Strategen.

Fazit: Der Wahlkampf bis zur Stichwahl am 22. Mai wird grauslich werden und wohl die Dimensionen von 1986 annehmen, als Kurt Waldheim von seiner Vergangenheit zur NS-Zeit eingeholt wurde und in aufgeheizter Stimmung die Wahl gewann.

Österreich steht nun ein richtiger Links-Rechts-Lagerwahlkampf bevor, bei dem sich beide Seiten nichts schenken werden. Die Chance, ihren Kandidaten in die Hofburg zu bringen, ist für die FPÖ wie für die Grünen einfach zu elektrisierend.

Die Mathematik spricht für Hofer

Und wer wird gewinnen? Der rechnerische Abstand zwischen Hofer und Van der Bellen spricht für Hofer. Erst ein Mal gewann der Zweite im ersten Durchgang die darauffolgende Stichwahl: Das war Thomas Klestil. Im ersten Wahlgang 1992 lag er noch hinter dem damaligen SP-Spitzenkandidaten Rudolf Streicher – aber der Abstand betrug damals im ersten Wahlgang gerade mal etwa drei Prozent.

Dennoch ist die Stichwahl für Hofer noch nicht gelaufen. Van der Bellen wird viel Unterstützung bekommen: Von der SPÖ (natürlich nicht offiziell aber halt quasi als Privatmeinung der SPÖ-Funktionäre) und natürlich auch von Irmgard Griss oder ihrem "Team" wie sie sagt. Die Neos haben sich ja schon für Van der Bellen ausgesprochen. Und natürlich werden auch zahlreiche Medien gegen Hofer anschreiben.

Bald wird es heißen: "Alle gegen Hofer"

Ob das am Ende wirklich Van der Bellen weiter hilft, bleibt abzuwarten. Bei all der Anti-FPÖ-Stimmung „Alle gegen den Hofer“ könnte dann leicht wieder der „böse Bube“ stechen. Sollte Hofer verlieren, kann das der FPÖ aber egal sein.

Langfristig ist ihr Weg in die Regierung nicht mehr aufzuhalten. Selbst wenn die Flüchtlingskrise plötzlich enden würde, blieben genug Themen, bei denen die Bevölkerung neue Lösungen erhofft. Wie zum Beispiel bei den Themen Europa, Sicherheit oder Arbeitslosigkeit.

Selbst bei der Wahl zum Staatsnotar gelten die alten Regeln nicht mehr

Letztendich aber befindet sich Österreich spätestens seit dem 24. April 2016 in der Dritten Republik. Und das hat nichts damit zu tun, dass die FPÖ darunter eine "Bürgerrepublik" mit mehr Volksbefragungen versteht. Es hat damit zu tun, dass die alten politischen Spielregeln selbst bei der Wahl zum obersten Staatsnotar nicht mehr gelten.

Rot und Schwarz haben 70 Jahre lang das Leben der Menschen in dieser Republik bestimmt. Mit allen Vorteilen wie der Errichtung eines Wohlfahrtsstaates und allen Nachteilen wie einer geradezu sowjetischen Parteibuchpolitik, die bis in die Schulen reicht.

Wie im alten Byzanz vor dem Untergang

SPÖ und ÖVP tun sich aber mit der neuen Sachlage schwer. Sie erinnern an das alte Byzanz im 15. Jahrhundert, wo außerhalb der Stadtmauern schon Feindesland war, die alten Eliten aber immer noch so regierten, als wäre man eine Großmacht.

Die Österreicherinnen und Österreicher sind bereit, die alten Pfade zu verlassen. Und sie gehen – ganz unösterreichisch eigentlich – ein Risiko ein. Statt der bisherigen vermeintlich sicheren rot-schwarzen Pfade bevorzugen sie nunmehr sogenannte "italienische Verhältnisse". Sprich: Mit einer Vielzahl etwa gleich starker Parteien, von denen einige auch dadaistisch (Team Stronach) oder ideologisch frivol (Neos) daherkommen.

Das Risiko besteht vor allem darin, dass noch völlig unklar ist, wie diese neue Dritten Republik am Ende aussehen wird. Eine neue Weg-Gabelung wird sich jedenfalls am 22. Mai in der Stichwahl auftun.

Mehr zum Thema:

* Ergebnis der Bundespräsidenten-Wahl 2016
* Rückblick zur Wahl des Bundespräsidenten

FPÖ-Chef H.C. Strache am 24. April 2016 auf dem Weg zur Pressekonferenz | Foto: Arnold Burghardt
"Heimat" war ein Schlagwort in diesem Wahlkampf – sowohl für Links als auch für Rechts. | Foto: Arnold Burghardt

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