Michael Häupl über Flüchtlinge, Strache und Facebook

"Ich werde nicht beleidigt alles hinschmeißen. Das wäre verantwortungslos", sagt Bürgermeister Häupl. | Foto: Andreas Edler
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  • "Ich werde nicht beleidigt alles hinschmeißen. Das wäre verantwortungslos", sagt Bürgermeister Häupl.
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WIEN. Michael Häupl will die absolute Mehrheit, denkt aber auch bei Wahlverlusten nicht an Pension. Die Lage der Flüchtlinge sieht er in der Bundeshauptstadt voll unter Kontrolle. Gerne hätte er mehr Spielraum für „nachhaltige Investitionen“ und erläutert, warum er keine Facebook-Seite hat. Das Interview führten: Wolfgang Unterhuber und Christoph Schwarz.

Kürzlich sind Sie 66 geworden. Andere sind da schon in Pension. Warum arbeiten Sie noch?
MICHAEL HÄUPL: Weil es mir Spaß macht.

Am 11. Oktober entscheiden die Wählerinnen und Wähler, ob Sie weiterarbeiten werden. Ihr Wahlziel?
Bei derzeit 49 Mandaten von 100 im Gemeinderat kann das Ziel nur die absolute Mehrheit – also 50 oder 51 Mandate – sein. Ich weiß: Das wird schwer, ich bin ja von dieser Welt. Aber ich kann nicht als Ziel einen Verlust ausrufen.

Wenn aber doch Verluste eintreten?
Dann werde ich nicht beleidigt alles hinschmeißen. Das wäre verantwortungslos.

Mit den Grünen geht es sich aber voraussichtlich eh wieder aus.
Gar nichts ist fix! Jetzt entscheiden zunächst einmal die Wählerinnen und Wähler.

Aber eine Koalition mit Blau und den NEOS schließen Sie weiter aus.
Falls die NEOS überhaupt in den Gemeinderat kommen, werden sie wohl eine Legislaturperiode brauchen, um zu lernen, wie die Stadt überhaupt tickt. Lehrjahre in der Regierung – das wäre wohl etwas übertrieben. Und mit der FPÖ sehe ich selbst abseits ihrer menschenverachtenden Hetze kein inhaltliches Thema, das uns verbindet. Die FPÖ tritt für Privatisierungen in der Daseinsvorsorge und für Kürzungen von Sozialleistungen ein. Da sage ich: Nicht mit uns.

Zum Flüchtlingsthema: Wie viele Flüchtlinge sind derzeit in Wien?
Derzeit befinden sich in Wien 11.000 Personen, die um Asyl angesucht haben.

Wo leben die Flüchtlinge?
Die tausenden Flüchtlinge, die nur durchreisen wollen, sind in festen Unterkünften wie etwa dem Ferry-Dusika-Hallenstadion untergebracht. Dank der reibungslosen Zusammenarbeit mit den Nichtregierungsorganisationen funktioniert die Unterbringung reibungslos. Bei uns sehen Sie deshalb keine Zelte. Ich bin sehr für Ordnung.

"Es ist das gute Recht eines Landes zu wissen, wer hereinkommt."

Auch für Grenzkontrollen?
Es ist das gute Recht eines Landes zu wissen, wer hereinkommt.

Sollen auch Leute an der Grenze zurückgeschickt werden?
Wenn jemand nicht aus einem Kriegsgebiet kommt, wird er sich wie üblich anstellen und um ein Visum ansuchen müssen. Nur: Das sind vielleicht ein bis zwei Prozent.

Wie viele Flüchtlinge könnte Wien noch aufnehmen?
Während der Balkankriege hatte Wien bis zu 80.000 Flüchtlinge. Das wäre dann nicht mehr so unsichtbar wie jetzt.

Wie hoch sind die derzeitigen Kosten für die Flüchtlingsbetreuung?
Allein die Stadt Wien kostet das bisher 25 Millionen. Ich bin deshalb auch dafür, dass Kosten für die Flüchtlingsbetreuung aus den Maastricht-Kriterien rausgenommen werden.

Vielen Menschen – auch Migranten – fürchten, dass die neuen Zuwanderer ihnen den Job wegnehmen.
Viele aus der Wirtschaft sagen: Wir brauchen den Zuzug. Wir haben in Wien bei leider hoher Arbeitslosigkeit zugleich einen Beschäftigungsrekord. Wir bieten hier reguläre Arbeitsplätze für 100.000 Menschen aus dem Ausland und 250.000 Menschen aus dem Burgenland, Niederösterreich und der Steiermark. Wir in Wien sind jedenfalls bereit, durch noch stärkere Investitionen einen Wachstumsschub zu erzeugen.

Mit welchem Geld?
Es geht um nachhaltige Investitionen in den Bildungsbereich, in den Spitalsbereich in die Infrastruktur. Bei der Europäischen Investitionsbank würde Wien heute Kredite mit einer Laufzeit von 30 Jahren bekommen, die mit knapp über einem Prozent verzinst wären. Das ist geschenkt. Maastricht-Kriterien und Stabilitätspakt erlauben es uns aber nicht, solche Kredite aufzunehmen. Dabei machen die Schulden der Stadt Wien gerade ein Drittel des Jahreshaushalts aus. Mit der Sparpolitik von Frau Merkel werden wir uns jedenfalls in die nächste Krise hineinsparen.

"Ich habe keine Zeit, um eine Facebook-Seite persönlich so zu betreuen, wie man sie betreuen sollte."

Aber muss man nicht beim Wohlfahrtsstaat – etwa Gratiskindergarten und freier Uni-Zugang für alle – einsparen?
Bei Bildungseinrichtungen darf es keine sozialen Barrieren geben. Und gerade der Kindergarten ist heute nicht mehr nur eine Spielwiese, sondern die erste Bildungseinrichtung für unseren Nachwuchs.

Letzte Frage: HC Strache hat eine Facebook-Seite. Warum Sie nicht?
Weil man öffentliche Kommunikation so ernst nehmen sollte, wie alles andere auch. Und jeder weiß: Ich habe keine Zeit, um eine Facebook-Seite persönlich so zu betreuen, wie man sie betreuen sollte.

Danke für das Gespräch.

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