Ab 1. April: Ein Schriftsteller in der Auslage
Autor Marcus Becker schreibt seinen neuen Roman live im Hotel Le Méridien. Und jeder kann zuschauen - oder sogar mitreden.
INNERE STADT- Das Schreiben ist – vor allem, wenn es sich um Literatur handelt – gemeinhin ein intimer Prozess. Denn: Wer lässt sich da schon gerne über die Schulter blicken? Marcus Becker ist anders. Der deutsche Autor schreibt sein neues Buch öffentlich. So öffentlich, dass es öffentlicher eigentlich gar nicht geht.
Becker sitzt ab dem 1. April im Wiener Le Méridien – und jede Zeile, die er in seinen Laptop tippt, wird live in die Fensterscheibe in Richtung Ringstraße sowie in die Hotelbar projiziert. "Der gläserne Autor" nennt er das Projekt. Dem 42-Jährigen geht es darum, den Entstehungsprozess des Geschriebenen öffentlich zu machen: das Ringen um Formulierungen, das Feilen an Sätzen.
Für seine Performance ist Becker samt Frau und Töchtern eigens von seiner Heimat Mainz nach Wien gezogen, in den 17. Bezirk. Wie er auf die Idee kam? Als er einst im deutschen Essen zu Besuch war, landete er in einem Künstlerhaus. "Das kannte nur zwei Regeln: Alles, was produziert wird, muss erstens legal und zweitens öffentlich sein", sagt Becker im Gespräch mit der bz. Und schon war die Frage da: Wie schreibt ein Autor öffentlich? Mittels Beamer und Leinwand, war die zwangsläufige Antwort. Becker hat es in Essen umgesetzt, dann in Mainz, jetzt in Wien.
Becker profitiert selbst vom öffentlichen Schreiben, wie er sagt. Zum einen, weil er konsequent sein muss: "Wenn ich da sitze, ist klar: Das ist Arbeitszeit, ich habe die Verpflichtung zu schreiben."
Ein Buch mit Wien-Bezug
Zum anderen, weil sich der Kontakt mit den Gästen und Passanten auf das Buch auswirke. Denn der Autor ist ansprechbar, man kann ihm Fragen stellen oder sich mit ihm austauschen. "Spannend sind die unterschiedlichen Sichtweisen der Menschen. Einmal hat mir eine Deutschlehrerin zugesehen. Die war ganz begeistert, dass ich keine Fehler mache. Mit einem anderen Gast wiederum habe ich eine Stunde lang über einen einzigen Satz philosophiert."
Übrigens: Natürlich hat sein neues Buch "Die Lebensformel" Wien-Bezug. Zwei junge Wissenschaftler schmieden den Plan, die Formel des Lebens zu finden. Die Essenz des Lebens, was allen Menschen gemein ist. Mit den Jahren verlieren die beiden einander aus den Augen. Bis der eine eine Karte erhält, die mit folgendem Text beginnt: „Gruber, alter Freund. Ich habe es fast geschafft! …“
Hintergrund:
Ab 1. April schreibt Marcus Becker, Schriftsteller aus Mainz, immer mittwochs bis samstags zwischen 14 und 18 Uhr im Le Méridien am Opernring 13. Über die Schulter zu schauen ist ebenso erlaubt wie mitzudiskutieren.
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