Nikolo: Der Bart ist jetzt ab
Warum ist der Nikolaus für Kinder wichtig? Was darf er? Und was nicht? Ein Gespräch mit Susanna Haas, pädagogische Leiterin der St. Nikolausstiftung.
Wenn Sie an den Nikolaus Ihrer Kindheit denken: Haben Sie da positive Erinnerungen?
SUSANNA HAAS: Positive wie negative. Ich erinnere mich an schöne Feiern. Aber das Erscheinungsbild des Nikolaus kann natürlich Angst in Kindern wecken. Er ist groß, mächtig und – mit seinem goldenen Buch – allwissend. Das kann Kinder, die im Alter von drei bis fünf Jahren in der sogenannten magischen Phase sind und alles für bare Münze nehmen, schon verschrecken.
Ich könnte sagen: Geschadet hat es Ihnen aber nicht.
Das ist ein Argument aus der schwarzen Pädagogik. Da sind wir heute zum Glück schon weiter. Daher liegt es auch in unserer Verantwortung, die Nikolausfeiern für die Kinder anders aufzubereiten.
Gerade über den Nikolaus im Kindergarten wird alljährlich diskutiert. Wie können solche Feiern funktionieren?
Kinder müssen in der heutigen Zeit manchmal mit schwierigen Situationen umgehen. Mit Trennungen, Verlusten – von der Flüchtlingsthematik gar nicht zu sprechen. Da haben sie ein Recht, im Kindergarten ein Umfeld vorzufinden, in dem sie Sicherheit und Geborgenheit erfahren können. Und in diesem Sinne müssen wir auch unsere Feiern gestalten. Niemand soll Angst haben müssen.
Was bedeutet das konkret?
Wir achten auf die Entwicklungsphase der Kinder und gestalten gemeinsam mit ihnen die Feier. Meist zieht sich der Nikolaus-Darsteller erst in der Gruppe um. So sieht jeder, dass man sich nicht fürchten muss. Vom Zauber der Feier geht dadurch nichts verloren. In der magischen Welt der Kinder ist das alles, sobald der Nikolo umgezogen ist und feierliche Stimmung herrscht, genauso faszinierend. Wir brauchen auch niemanden, der mit erhobenem Zeigefinger und einem Buch mit guten oder schlimmen Taten kommt. Das Kind kann nicht verstehen, warum der Nikolaus das weiß. Das verunsichert und beschämt. Und es nützt gar nicht. Auch der Krampus ist unnötig.
Auch der Bart ist ab.
Eher ja. Wer sich einen dicken, künstlichen Bart umhängt, ist für sein Gegenüber nicht mehr einzuschätzen. Vor allem Kinder lesen an den Gesichtern der Erwachsenen ab, ob sie es gut mit ihnen meinen. Das ist durch den künstlichen Bart kaum möglich.
Wenn der Nikolaus all das, was ihn früher ausgemacht hat, nicht mehr darf, warum feiern wir dann noch?
Durch Feiern und Traditionen können Kinder Gemeinschaft und Stärkung erfahren. Der Nikolaus vermittelt positive Werte wie Solidarität, Großherzigkeit. Der Nikolaus erzählt eine Geschichte, die die Kinder in ihre Lebenswelt übersetzen können. Das tut gut.
Aber geht nicht trotzdem viel verloren?
Das ist ein Argument von Erwachsenen. Die Angst kann ich Ihnen nehmen. Vom Zauber des Festes geht für die Kinder nichts verloren – und vom Inhalt und Sinn schon gar nichts.
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