14. September 2016: Freiheit für tanzwütige Pensionisten!
Es ist also vollbracht. Die Vergnügungssteuer auf Publikumstanz in Wien fällt. Das will von den politischen Parteien nun natürlich auch genützt sein, sich selbst so richtig zu feiern. (Man hat ja eh so selten Gelegenheit dazu.)
Besonders groß ist die Freude bei der ÖVP. Sie hat sich des Themas in den vergangenen Monaten umfassend angenommen. Unter dem Schlagwort "Spaß befreien" hat vor allem die Parteijugend Druck gemacht. Dass ausgerechnet die Schwarzen, die wohl gemeinhin als die spaßbefreiteste Partei Österreichs gelten, diesen Slogan wählten, zeugt zumindest von Mut und (hoffentlich) Selbstironie.
Aber auch den Grünen war heute zum Feiern zu Mute. Wirtschaftssprecher Peter Kraus postete gar ein Video auf Facebook, in dem man den sogenannten "Harlem Shake" zum Besten gab. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, muss sich keine Sorgen machen. Das Internet-Phänomen machte 2013, also vor gerade einmal drei Jahren, die Runde. Mit der Idee, jetzt auf diesen Zug aufzuspringen, festigen die Grünen ihre Position als junge, innovative Partei. (Das einzige, was zur zeitgemäßen Inszenierung fehlt, ist Maria Vassilakou, die im Hintergrund "Macarena" tanzt.)
Doch schauen wir nicht nur auf die Inszenierung, sondern auch auf die Inhalte: Immerhin ist es mit der Abschaffung gelungen, einen umfassenden Reformschritt hin zu einem lebenswerteren Wien zu machen, dem schwächelnden Wirtschaftsstandort neues Leben einzuhauchen und zugleich - nennen wir es beim Namen - eines der ganz großen Themen unserer Zeit anzupacken.
Denn wer kennt sie nicht, diese Menschen aus dem eigenen Bekanntenkreis, denen es am nötigsten fehlt: leistbarem Wohnraum, guter Kinderbetreuung - und vergnügungssteuerbefreitem Publikumstanz. Damit ist es nun vorbei. In Massen werden junges Partyvolk und tanzwütige Pensionisten zu all den Veranstaltungen strömen, die nun endlich wieder leistbar sind. Clubbetreiber, befreit vom bürokratischen Joch der Vergnügungssteuererklärung, werden mit niedrigen Preisen locken. Betriebe werden sich ansiedeln, Arbeitsplätze geschaffen. Irgendwo, wahrscheinlich am Gürtel, werden Wirtschaftskammervertreter extatisch um brennende Registrierkassen tanzen.
Schauen wir uns die Zahlen an: Rund 5,6 Millionen Euro an Vergügungssteuer wurden 2015 in Wien eingehoben. Das sind pro Einwohner (wenn wir alle Kleinstkinder, Menschen mit Gips und männliche Tanzmuffel einfach ganz salopp wegrechnen) also rund fünf Euro an Steuer pro Jahr, die nun wegfallen. (Zugegeben: Die Rechnung ist nicht ganz genau. Vielleicht sind es auch vier oder sieben Euro.) So oder so: Damit kann man einiges machen. Die positiven Effekte auf die Wirtschaft - wir erinnern uns - nicht eingerechnet.
Seien wir ehrlich: Die Debatte um die Vergnügungssteuer war und ist eine, die nie in der Bevölkerung angekommen ist. Sie wurde von der Stadtpolitik am Köcheln gehalten, weil man wusste, dass man zu einem (kleinen) Erfolg kommen kann. Und (kleine) Erfolge eignen sich gut, um über generelle Apathie hinwegzutäuschen.
Wie groß die Begeisterung der Wiener für das Thema ist, zeigt eine Aussendung der ÖVP heute: In dieser freute man sich, dass ganze 60 Unterstützer die Abschaffung der Steuer feierten. Ob die Unterstützer getanzt haben, ist übrigens nicht überliefert. Sonst müssten sie Steuer zahlen. Denn diese fällt erst mit 1. Jänner 2017.
Für die Grünen kann man jedenfalls Entwarnung geben: Wenn der "Harlem Shake" besonders schlecht dargestellt wird, drückt die Finanz sicher ein Auge zu.
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