Pfarrerin Lang-Czedik: „Kirche muss politisch agieren, wenn Menschenrechte in Frage gestellt werden“
Am Montag läuten die Kirchenglocken als Protest zur FPÖ-Demo gegen das Flüchtlingsheim in der Ziedlergasse. Die evangelische Pfarrerin Gabriele Lang-Czedik hat die Idee ins Leben gerufen. Im Interview spricht sie darüber, warum es für sie an der Zeit war, ein Zeichen zu setzen.
Die Liesinger Glaubensgemeinschaften haben Anfang des Jahres bereits ein Manifest gegen Fremdenfeindlichkeit herausgegeben. Am Montag läuten die Kirchenglocken aus Protest. Warum ist das politische Engagement der Kirchen gerade in Liesing so hoch?
GABRIELE LANG-CZEDIK: Ich möchte vorausschicken, dass das Glockenläuten als Einladung zum Friedensgebet gesehen wird. Das wird von der katholischen Kirche so kommuniziert. Es ist keine gemeinsame politische Aktion.
Wie sieht das die evangelische Kirche? Ist es eine politische Aktion?
Ich formuliere es so: Es ist ein gesellschaftspolitisches Engagement für Flüchtlinge und für Solidarität.
Zurück zu Eingangsfrage: Warum ist gerade in Liesing eben dieses gesellschaftspolitische Engagement so hoch?
Zum einen ist es mir ein persönliches Anliegen, zum anderen war das bei der evangelischen Gemeinde in Liesing schon immer so. Das war auch bei meinen Vorgängern nicht anders. Und zur jetzigen Situation: Der Widerstand gegen das Flüchtlingsheim ist massiv geworden. Bei den Bürgerversammlungen war die Stimmung nicht immer freundlich, eine bestimmet Partei schürt die Angst. Und jetzt gibt es sogar eine Demo gegen die Flüchtlinge. Darum habe ich gefunden, dass man ein Zeichen setzen muss.
Verärgert man mit der Glockenaktion nicht viele gläubige Menschen, die mit den Forderungen der FPÖ konform gehen?
Ich habe sehr viele positive Reaktionen bekommen, viele haben sich bedankt. Kritische Stimmen waren auch dabei, aber wenige. Man muss dazu sagen, dass ich für Menschlichkeit stehe. Für alle Menschen, egal ob Flüchtling oder Österreicher. Für mich sind alle gleich. Ich glaube nicht, dass ich eine Person bin, die diesbezüglich polarisiert.
Und umgekehrt: Poliert man dadurch das verstaubte Image der Kirche auf und macht sich für jüngere, politisch engagierte Menschen wieder attraktiver?
Ich glaube, dass sich diese Menschen dadurch angesprochen fühlen, aber deswegen mache ich es sicher nicht. Für mich ist das einfach selbstverständliches Engagement.
Die Gegner der Aktion kritisieren, dass sich die Kirche nicht in die Politik einmischen sollte. Was sagen Sie dazu?
Die Kirche muss politisch agieren, wenn die Menschenrechte in Frage gestellt werden. Sonst hat das nichts mehr mit Nächstenliebe zu tun.
Verstehen Sie die Ängste der Liesinger?
Werteschulungen sind notwendig. Also es ist wichtig, dass klar gestellt wird, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind und dass demokratische Gesetze geachtet werden. Das ist auch mir als Frau ein Anliegen. Aber das sind geflüchtete Menschen, die haben anderes im Sinn als gleich wieder unangenehm aufzufallen, weil sie nicht abgewiesen werden wollen. Die Flüchtlinge sind auch nicht gefährlicher als andere Menschen.
Waren Sie selbst schon im Flüchtlingsheim?
Ja, ich bin in der Nachbarschaftshilfe tätig. Ein paar Familien sind schon eingezogen. Das sind alles sehr herzliche Menschen. Wenn jemand Angst hat vor einer Frau mit kleinen Kindern, dann weiß ich auch nicht.
Was sollte aus ihrer Sicht die Politik in der Flüchtlingsfrage anders machen?
Ich bin nicht in der Bundespolitik tätig. Aber am Mittwoch hat im ORF eine katholische Nonne gesagt „Mein Herz würde alle herein lassen.“ Das sehe ich auch so. Österreich, als siebentreichstes Land der Welt, verträgt das schon. Und konkret zu Liesing: Selbst wenn das Flüchtlingsheim voll belegt ist, macht das nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung aus. Ich sehe das also vollkommen undramatisch.
Hat es schon einmal eine Protestaktion dieser Art gegeben?
In Liesing nicht. Aber jetzt sind die Glocken ein religiöses Ausdrucksmittel für Nächstenliebe.
Hintergrund
Interview: Demo-Organisator Jung: "Die Liesinger sind kein wütender Mob, der aufmarschiert"
Bericht: 4.000 Leute wollen wegen Asylheim auf die Straße
Bericht:FPÖ protestiert im März in Liesing
Analyse: Warum Liesing zum Sinnbild des Flüchtlingsphänomens wurde
Kommentar: Das Asylheim und seine Profiteure
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.