Gerufen zur Entscheidung

„Es gehört zu deiner Berufung, 
das Evangelium von den Dächern zu rufen, 
nicht durch dein Wort, sondern durch dein Leben.“ 
(Charles de Foucauld, 1916 in Algerien erschossen) | Foto: Order of Preacher (Dominikaner)
  • „Es gehört zu deiner Berufung,
    das Evangelium von den Dächern zu rufen,
    nicht durch dein Wort, sondern durch dein Leben.“
    (Charles de Foucauld, 1916 in Algerien erschossen)
  • Foto: Order of Preacher (Dominikaner)
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Von den Konsequenzen des Christ-Seins

Von Charles de Foucauld stammt die Aussage:
„Es gehört zu deiner Berufung,
das Evangelium von den Dächern zu rufen,
nicht durch dein Wort, sondern durch dein Leben.“
(Charles de Foucauld, 1916 in Algerien erschossen)

Paulus macht die Christen aufmerksam: „Seht auf eure Berufung!“ Und damit wir uns nicht etwa von dem göttlichen Anruf drücken können, sagt Paulus: „Das Schwache hat Gott erwählt.“ So, nun liegt der Ball auf unserer Seite.

Doch mit der Berufung zum Christentum ist das so eine Sache. Die meisten hier wurden als Babys getauft. Sie wurden nicht gefragt und so „fraglos“ ging es weiter, Religionsunterricht und Vorbereitung auf Erstkommunion. Selbst die Firmung für Halbwüchsige erwies sich mehr als eine Veranstaltung, an der mitgemacht wurde, weil es alle machten. Ich sage nicht, dass das alles keinen Wert habe. Wir sollten anerkennen, dass eine Beheimatung im Christlichen durchaus wichtig ist und oft genug auch gute Erfahrungen vermittelte.
Aber Berufung? Auf einen Ruf hin gilt es zu antworten, ja zu sagen oder nein. Das verlangt eine reife Persönlichkeit. Denn eine tragfähige Antwort kann nicht unter Druck und Zwang, sondern nur in aller Freiheit gegeben werden.
Ich kann mich noch sehr gut an die Befragung im Priesterseminar durch den Spiritual erinnern, 39 Jahre ist das jetzt her. Er wollte wissen, warum ich Priester werden wollte. Mir war klar, dass er als Antwort erwartete, ich fühlte mich von Gott dazu berufen. Aber das wäre für mich damals zu hoch gegriffen gewesen. Also sagte ich: „Weil ich die Menschen mag und es versuchen will“ An seinem Urteil damals hatte ich lange zu knabbern. Der Dogmatikprofessor meinte nämlich: „Dann werden Sie scheitern!“
Priesterliche Berufung? Berufung in den Ordensstand?
Das Wort des Paulus „seht auf eure Berufung“ ist nicht für einen Stand gemünzt, den es damals noch gar nicht gab. Wir alle sind gemeint. Wir sind berufen, die Frohe Botschaft Jesu, die wir Evangelium nennen, durch unser Leben, also in Wort und Tat zu bezeugen. Das ist das eine.
Das andere ist genau so wichtig. Vielleicht sogar entscheidender. Der kurze Satz steht im Galaterbrief: „Ihr seid zur Freiheit berufen“ (5,13). Mit der Freiheit hat nicht nur die katholische Kirche ihre Schwierigkeiten. Alle religiösen Modelle setzen auf Regeln und Bestimmungen, auf Riten und Abmachungen, die möglichst von allen Anhängern eingehalten werden sollen.
Jüngst rückte, ausgelöst durch Terroranschläge gegen Christen, das Thema Religionsfreiheit wieder in die Mitte. Die Religionsfreiheit ist die Freiheit des Gedankens, des Gewissens und des Lebens in Sachen Religion. Religionsfreiheit bedeutet auch die Freiheit zu glauben und nicht zu glauben. Diese Freiheit gilt gleichermaßen für Gelehrte, für die Priester und für die Gläubigen. Selbstbewusst schreibt es der 1. Johannesbrief: „Die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibt in euch, und ihr braucht euch von niemand belehren zu lassen“ (2,27).
In der Freiheit liegen Gefahren. Das soll nicht verschwiegen werden. Denn die Freiheit wird zumeist nur auf ungesicherten Wegen gefunden. Einer hat das so ausgedrückt: Freiheit ist die Freiheit, sich selbst zu entdecken und die Gefahr, sich selbst zu begegnen.
Dazu kommt, dass es absolute Freiheit nicht geben darf, sie ist die Freiheit des Stärksten, des Dschungels und des Terrors. Das bedeutet, dass die Freiheit des einen immer auch die Freiheit des anderen sein muss. Wenn wir bedenken, dass die Liebe der höchste menschliche Wert ist, dann ordnet sich die Freiheit unter. Frei sind wir nur, wenn wir lieben. Das ist sogar in höchster äußerer Unfreiheit möglich, in unfreien Systemen und Strukturen.
Liebe und Freiheit schaffen zusammen etwas ganz Neues: Verbindlichkeit. Das meint das Zusammenspiel und die Zusammenarbeit von Gleichgesinnten, die ein Stück ihrer eigenen Freiheit zugunsten des Ganzen und Gemeinsamen zurücknehmen.
Dieses Zusammenspiel üben sie, wenn sie in Aufmerksamkeit einander den Dienst ergänzen und helfen, wo es notwendig ist. Dieses Zusammenspiel wird dort spürbar, wo die Sorge um das Wohlbefinden des anderen höher ist als die eigene Bequemlichkeit.
So – und nur so – ist der Satz des heiligen Augustinus zu verstehen:
Dilige et quod vis fac – Liebe und tu was du willst.
Das Latein macht hier ganz deutlich, was mit „Liebe“ gemeint ist,
nämlich die Hochachtung und Wertschätzung des anderen.
Darum geht es in der Glaubenspraxis. Im Philipperbrief ist das so formuliert:
„…in Demut schätze einer den andern höher ein als sich selbst. Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der anderen.“ (Phil 2, 3f)
Damit steht und fällt unsere Strahlkraft und die Glaubwürdigkeit unserer Gemeinschaften – unserer Kirche -
damit und nur damit werden die Seligpreisungen in einer
zunehmend säkularen und egomanisch verirrten Welt ein Faktor bleiben.
Also, halten wir´s mit Charles de Foucauld:
„Es gehört zu deiner Berufung,
das Evangelium von den Dächern zu rufen,
nicht durch dein Wort, sondern durch dein Leben."

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