Bella Figura oder Mühen des Daseins
Bella Figura – ich dachte, man bekommt auf humorvolle Weise Tipps, wie ein Bäuchlein abgebaut werden kann. Doch Bella Figura bedeutet Haltung innehaben, das Erscheinungsbild bewahren, hässliche Realität abschütteln. Damit tun sich alle Protagonisten auf der Bühne schwer. Wie immer bei Yasmina Reza geht es um Beziehungskisten, komplexe Verhältnisse, in die sich die handelnden Personen selbst eingebracht haben, und um Konflikte im persönlichen Bereich.
Bald machen sich tiefe Abgründe auf. „Sag mal: Findest du es normal, mit mir in ein Restaurant zu gehen, dass dir deine Frau empfohlen hat?“ fragt der Seitensprung Andrea. Banal kontert das männliche Gegenüber, genannt Boris: „Sie hat es mir nicht empfohlen. Sie hat nur gesagt, es ist nett da, und das Essen ist gut“. In dem Lokal befindet sich eine Geburtstag feiernde Oma mit Entourage. Blöd nur, dass deren zukünftige Schwiegertochter die beste Freundin der Frau des Untreuen ist. Boris, der vor dem Bankrott seiner Firma steht und durch die langjährige Beziehung zu Andrea erheblichen Stress hat, muss der Angebeteten Paroli bieten, weil sie sich für diesen besonderen Abend sauteure Schuhe gekauft hat. Diese Investition hat sich nicht ausgezahlt und letztendlich begreift sie es auch. Barfuss erreicht sie unvergleichlich mehr Aufmerksamkeit. Dazu kommt noch Eric, der Sohn von Oma Yvonne Blum, der Boris mehr oder weniger gute Ratschläge zur Sanierung seiner Firma gibt. Die überstrapazierten Nerven seiner Freundin Françoise sorgen für ein emotionales und gefühlvolles Chaos in der wunderbaren oft wechselnden Szenerie. Das schicke Auto widerspricht Boris‘ pekuniär schwierigen Situation, sein Geld-Siechtum ist ohne Perspektive. Alle machen keine Bella Figura.
In Wahrheit geht es um Beziehungen: Zwischen Boris und Andrea, die nicht einmal einen gemeinsamen konfliktfreien Abend schaffen, und alle Übrigen - Françoise, Eric und Yvonne. Aus einem normalen Leben wird plötzlich nüchterner Alltag mit allerlei Unwägbarkeiten. Andrea raucht, trinkt, ist medikamentensüchtig und liebt Schuhe, Boris mit den bekannten Problemen, Eric ist ziemlich verklemmt und spießig, die Großmutter lallt herum, sucht hauptsächlich ihre Tasche und steuert ein paar Pointen bei, und die Schwiegertochter ist eine frustrierte Dame, die mit sich und den anderen unzufrieden ist. 90 Minuten wogt das eigentlich lächerliche Spiel hin und her.
Alles gut? Mitnichten. Man hofft auf ein erlösendes Ende, aber es bleibt nur die Hoffnung.
Es ist nicht das beste Werk von Yasmina Rezas. „Kunst“ und „Gott des Gemetzels“ waren spannender, frischer, humorvoller. Die SchauspielerInnen Caroline Peters, Joachim Meyerhoff, Sylvia Rohrer, Roland Koch und Kirsten Dene mühen sich zeitweise mit Text und Regie (Dieter Giesing) ab.
Next „Bella Flora“: 11.6.2016
Infos und Tickets: www.burgtheater.at
Next „Gott des Gemetzels“ in der Burg Perchtoldsdorf: 13., 17., 19. 6 um 20 Uhr.
Infos und Tickets: www.sommerspiele-perchtoldsdorf.at
Reinhard Hübl
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