Ein Treffen der Psychopathen
Im Psychothriller „Diese Geschichte von Ihnen“ (Akademietheater) spielt Nicholas Ofczarek einen alkoholkranken Polizisten niederen Ranges. Die häusliche Gewalt des massigen Mannes entlädt sich im Frust über seine umstrittene Ermittlungsarbeit. Hat er getötet oder nicht, hat er einen Verdächtigen in der Haft erschlagen oder nicht? Seine Frau (Andrea Clausen) will ihm Supervision angedeihen lassen, findet jedoch nicht die richtigen Worte, was den bulligen Polizisten noch mehr in Rage bringt. Gewalt, Verbalinjurien – Scheiße ist das am häufigsten verwendete Wort des ersten Aktes – und Erniedrigung lässt sie nicht ruhen. Er hingegen schleift sie über die Bühne, schlägt alles kurz und klein und verliert jede Contenance. Im Adrenalin-Ausstoß kotzt er die Verniedlichung der Gewalt heraus. Er kommt vom Polizeidienst nach Hause. Im Suff sagt er, dass er einen Päderasten im Verhör getötet hat. Oder doch nicht? Im Stück von John Hopkins erfährt man es nie.
Nicholas Ofczarek als englischer Polizist Johnson ist wieder klar im Kopf. Eine Disziplinar-Kommission schickt im Vorfeld den Chefinspektor Cartwright (Roland Koch) aus, um Licht ins Dunkel zu bringen. Es ist ein undurchsichtiges Kalt-Warm-Spiel, das der Kettenraucher betreibt. Mal verständnisvoller Ermittler, mal unbarmherziger Exekutor versucht er, aus Johnson herauszukitzeln, was wirklich passiert ist. Ohne Erfolg. Die Interaktion scheitert wie die Konfrontation am häuslichen Herd. Es ist ein Vabanque -Spiel zwischen Selbstanklage und Verteidigung.
Großes Theater erlebt man in der Rückschau. Zwei Alphatiere - Nicholas Ofczarek und August Diehl als vermeintlicher Kinderschänder - liefern sich ein fulminantes Duell der Intelligenz und niedriger Gewalt. Man sitzt im Theater und ist vom Schauspiel der Giganten sprachlos. Es kommen Erinnerungen auf, sowohl bei dem einem, als auch beim anderen. Man ist verwirrt über so viel Gehässigkeit auf hohem Niveau. Die Lösung, ob ein Perverser Kinder tötete, wird nicht geliefert. Statt dessen gibt es Vermutungen, Indizien, aber keine schlüssige Antwort. Der Krieg der Worte kommt zu keinem Ergebnis, doch am Schluss gibt einen Toten.
Regie führt Andrea Breth
Next im Akademietheater: Ab 3.4.2016 steht die österreichische Erstaufführung von Yasmina Rezas „Bella Figura“ auf dem Spielplan. Nach insgesamt mehr als 200 besonders gelungenen Vorstellungen von „Kunst“, „Drei Mal Leben“ und „Der Gott des Gemetzels“ ist nun wieder ein neues Stück von Yasmina Reza im Repertoire.
Infos und Tickets: www.burgtheater.at
Reinhard Hübl
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