"System ist schlichtweg unfinanzierbar"
Sein Hilferuf ist unüberhörbar. Bgm. Franz Platzer, Obmann des Sozialhilfeverbandes Leibnitz, im WOCHE-Interview.
Die Gemeinden im Bezirk Leibnitz haben schwer mit steigenden Sozialkosten zu kämpfen. Sehen Sie ein Licht am Ende des Tunnels?
Nein, wenn sich nicht rasch etwas ändert, stürzen wir das bisherige System in den finanziellen Abgrund. Es ist schlichtweg unfinanzierbar. Das Land schuldet den Verbänden im Rahmen der 60%igen Kostenvergütung (Sechstelzahlungen) rd. € 40 Mio. und das Sozialbudget 2015 wurde lt. Medienberichten bzw. Aussage von LRin Kampuss zusätzlich um € 80 Mio. überschritten. Steiermarkweit verweigern mittlerweile die Gemeindevertreter ihre Zustimmung zu den Sozialbudgets. Zahlreiche Obmänner konnten ihr Sozialbudget für 2016 erst im zweiten Anlauf mit Stimmenmehrheit beschließen, in einem Verband gelang dies erst im dritten Anlauf Mitte Juni d.J.(anstatt bis 15.12.2015), kurz vor dem Fristablauf, wo dies ab 01.07.d.J. zum Einsatz eines Regierungskommissärs geführt hätte. Die steirischen Gemeinden können einfach nicht mehr, jeder 5. Euro geht als Verbandsumlage in das SHV-Budget.
Die Kosten der Flüchtlingsversorgung waren zu Jahresbeginn in den explodierenden Sozialkosten noch gar nicht enthalten. Gibt es jetzt schon aktuelle Zahlen und wie werden diese gedeckt?
Nein, gerade dieser Faktor ist neben den laufenden Kostensteigerungen von rd. 5 % im heurigen Jahr das große Problem. Die Mindestsicherung für Asylberechtigte wird wahrscheinlich diesen Kostenansatz um 100 % erhöhen.
Als Folge der Gemeindefusion sind die Ertragsanteile für fusionierte Gemeinden unter 10.000 Einwohner geringer. Welche Gemeinden des Bezirkes trifft es hier besonders stark und wie hoch ist das Minus?
Es gibt Fusionsgemeinden mit rd. 5.000 Einwohner, welche nun ein Minus bei den Gemeindeertragsanteilen von rd. € 55.000,- einfahren und das bei gleichzeitiger Erhöhung der Sozialkosten um rd. € 50.000,- jährlich. Da fehlen gleich einmal mehr als € 100.000,- im Budget.
Der Budgetentwurf 2016 des Sozialhilfeverbandes Leibnitz wurde von der Mehrheit der Mitglieder in der Verbandsversammlung abgelehnt und wurde erst im zweiten Anlauf beschlossen. Wie betrachten Sie die schwierige Situation als Obmann des Sozialhilfeverbandes?
Es liegt in meiner Verantwortung ein rechtswirksames Budget für die Leistung aller sozialen Ansprüche im Bezirk Leibnitz zu erstellen. Die Aufwendungen werden allerdings zu mehr als 98 % durch landesgesetzliche Bestimmungen und Tarifverordnungen sowie bescheidmässige Festsetzung der Behörde vorgegeben. Dies ohne Mitsprache der Gemeindevertreter, obwohl 40 % aller Sozialaufwendungen im Land von den Gemeinden und nicht vom Land Steiermark getragen werden. Die Sozialhilfeverbände wurden quasi als Kostenverrechnungsstelle zwischen Land und Anspruchsberechtigte, Trägereinrichtungen und Pflegeheimbetreiber installiert.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit, denn können wir die Kosten nicht mehr tragen, beginnt der soziale Notstand. Dann handeln wir als politische Vertreter „unsozial“.
Mitsprache der Sozialhilfeverbände bei der Kostengestaltung für die gesamte soziale Versorgungsschiene – Sozialwesen (Mindestsicherung), Kinder- und Jugendhilfe (JUWON-neu) sowie Behindertenhilfe.
Keine Mindestsicherung für Asylberechtigte auf Kosten der dzt. schon schwer belasteten Gemeinden. Widrigenfalls geht jeder 4.Euro der Gemeinde für Soziales auf…
Bundesweite Einführung einer gesetzlich verpflichtenden Pflegeversicherung, damit die Steuerzahler von heute im Alter eine Pflege erfahren dürfen.
Globalbudgets in der Behindertenhilfe am Beispiel von JUWON-neu, wo dies in Ansätzen zu Kosteneinsparungen führen kann.
Abstellung der „Überversorgung“, welcher durch den dichten Sozialmarkt und ohne Verrechnung eines Selbstbehaltes Tür und Tore öffnet. Bisherige Argumente: „Zahlt ja eh die öffentliche Hand!“
Gerechterer Einsatz der vorhanden Mittel für Soziales – da liegt der Ball wohl beim Gesetzgeber bzw. Entscheidungsträger, nämlich beim Land Steiermark.
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