Brutalismus
Brutalismus klingt heftig, erinnert an körperliche Gewalt. Und tatsächlich kann man einige Gebäude, die diesem Baustil zuzuordnen sind, durchaus als furchterregend bezeichnen. Doch der Begriff bezieht sich auf den Werkstoff: "beton brut" heisst so viel wie roher Beton. Sichtbeton war in den 60er und 70er Jahren modern. Durch Betonguss konnte man Formen herstellen, die in der Ziegelbauweise nicht möglich waren. Dementsprechend versuchten die Architekten ihren Objekten neue Formen zu geben und so auf die Möglichkeiten des Werkstoffs hinzuweisen. Geschwungene, futuristische Formen, auskragende Elemente, runde Bullaugen und vor allem die unbearbeitete Betonoberfläche zählten zu den wesentlichen Stilmerkmalen des Brutalismus.
Die ersten Gebäude, die dem Brutalismus zuzuordnen sind, entstanden in den frühen 50er Jahren. In den 60er Jahren etablierte sich der Baustil weltweit und es entstanden zahlreiche Wohnbauten, Industrie- und Verwaltungsgebäude aber auch Einfamilienhäuser. Einer der bekanntesten Architekten, der diesem Baustil zugeordnet werden kann, ist Le Corbusier. Unter seiner Federführung entstanden einige Gebäude in Frankreich und Deutschland, die für nachfolgende Bauwerke richtungsweisend waren.
Brutalistische Gebäude sind fast jedem bekannt, heute findet aber kaum jemand Gefallen an diesen Betonklötzen. Sichtbeton wurde in den 70er Jahren in vielen Urlaubsorten verbaut. Hotelbauten und Restaurants in Sichtbetonbauweise waren damals modern und jeder, der schon einmal in Grado oder Lignano urlaubte, kennt die futuristischen Betonburgen am Meer. Noch mächtiger erscheinen die Wohnbauten, die in den 70er Jahren in Italien entstanden sind. Sowohl der Corviale in Rom, als auch der Sozialbaukomplex Ater im Stadtteil Rozzol Melara / Triest können dem Brutalismus zugeordnet werden. Diese monströsen Bauten waren es auch, die für einen schlechten Ruf der Betonburgen verantwortlich waren. Der Grundgedanke einer autarken Wohnsiedlung wollte nicht ganz aufgehen, Vandalismus und Kriminalität bestimmte den Alltag in vielen dieser Siedlungen. Speziell die Siedlungen in Rom, Neapel und Palermo gerieten dadurch in Verruf.
Während in Italien die brutalistischen Wohnburgen eher in Verruf gerieten, bietet die Siedlung Habitat 67 in Montreal hohe Wohnqualität direkt am St. Lorenz Strom. Der vom Architekten Moshe Safdie entworfene Komplex besteht aus 354 Betonquadern, die insgesamt 158 Wohneinheiten bilden. Die nach dem Baukastenprinzip gestaltete Wohnsiedlung wurde 1967 zur Weltausstellung fertigggestellt.
Auch der Montreal Tower mit dem Olympiastadion kann dem Brutalismus zugeordnet werden. Mit einer Höhe von 175 ist er das höchste geneigte Bauwerk der Welt.
Brutalistische Bauten findet man auf der ganzen Welt. Auch in Lateinaemrika gibt es zahlreiche Beispiele für Brutalismus, der mächtige Komplex Parqua Central zählte lange Zeit zu den höchten Gebäuden in Südamerika.
Aber auch kuriose Kleinode, wie das Betonschiff "Mirko Jelen" in Kroatien findet man zuweilen.
Auch in Österreich können einige Bauwerke dem brutalismus zugeordnet werden. Das bekannteste Bauwerk ist mit Sicherheit die Wotrubakirche in Wien Mauer. die von 1974 bis 1976 erbaute Kirche besteht aus 152 massiven Betonquadern und wurde nach den Entwürfen des Bildhauers Fritz Wotruba auf dem Georgenberg gebaut.
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