Wenn Antibiotika nicht mehr wirken

Pro Tag werden am Ordensklinikum Linz Elisabethinen rund 100 Antibiotikaresistenz-Testungen durchgeführt. | Foto: kasto/panthermedia
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  • Pro Tag werden am Ordensklinikum Linz Elisabethinen rund 100 Antibiotikaresistenz-Testungen durchgeführt.
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Schockiert und betroffen waren viele Linzer, als Anfang des Vorjahres ein Baby am Kepler Uniklinikum starb. Schuld war ein hochresistenter Keim, mit dem sich das Kind angesteckt hatte. Das Neugeborene war wegen einer Darmfehlbildung mehrfach operiert worden und deutlich immungeschwächt. Es kam zu einer Sepsis, an der es schließlich starb. Erst vor wenigen Tagen wiederum erlitt in Amerika eine Frau mit einem Knochenbruch eine Infektion. Sie starb, nachdem alle zugelassenen Antibiotika keine Wirkung gegen die Erreger gezeigt hatte. Beide gehören zu einer wachsenden Gruppe von Patienten, die mit hochresistenten Erregern infiziert sind – laut UNO die „größte Bedrohung für die moderne Medizin“.

Post-antibiotisches Zeitalter

Manche Experten befürchten, die Welt bewege sich derzeit in Richtung eines post-antibiotischen Zeitalters. Manche Länder sind bereits mittendrin – „Indien etwa, aber auch manche europäische Länder wie Griechenland“, weiß Rainer Gattringer, Krankenhaushygieniker und stellvertretender Leiter des Instituts für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin am Ordensklinikum Linz/Elisabethinen. Gattringer und seine Kollegen erstellen gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium jährlich den österreichischen Bericht AURES, der die Entwicklungen in diesem Bereich festhält. „Österreich gilt derzeit noch als Niedrigresistenzland. Man muss sich aber bewusst sein, dass es sich um ein globales Problem handelt, dem man sich widmen muss“, warnt der Experte.

"Krankenhauskeime" als Gefahr

Für den Normalsterblichen auf der Straße ist die Wahrscheinlichkeit, sich mit einem multiresistenten Erreger anzustecken, äußerst gering. Im Spitalsbereich sind diese jedoch ein wachsendes Problem. Der Begriff nosokomiale Erreger steht für Krankenhauskeime, weil sie vor allem im Krankenhaus auftreten und für gesunde Menschen meist harmlos sind. Trägt ein Patient so einen Keim in sich und wird dieser im Spital entdeckt, will man vermeiden, dass er übertragen wird. „Das wäre vor allem für immungeschwächte Personen gefährlich, von denen es im Krankenhaus natürlich viele gibt, von Kindern über Senioren bis zu frisch Operierten. Die Folgen einer Ausbreitung wären fatal.“ Um die anderen Patienten zu schützen, werden etwa die Hygienemaßnahmen in diesem Fall stark verschärft.

Laut einer 2015 durchgeführten Studie des ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control) erleiden ca. sechs Prozent aller stationären Patienten in Österreich eine Infektion im Krankenhaus. Im EU-Vergleich ist das ein eher geringer Wert. „Man muss sich nicht fürchten, wenn man ins Krankenhaus muss, man ist aber auch nicht gänzlich vor einer Ansteckung gefeit“, sagt Gattringer.

Teure und langwierige Forschung

Multiresistente Keime sind gegen die meisten Antibiotika unempfindlich. Eine Infektion verläuft dadurch nicht schlimmer, sie ist nur nicht so leicht behandelbar. Ist der Keim multiresistent, fallen viele Antibiotika weg, die sonst vielleicht helfen würden. Die Behandlung ist mit höheren Behandlungskosten, teureren Arzneimitteln und längeren Krankenhausaufenthalten verbunden. „Derzeit haben wir in Österreich noch Glück. Es bedeutet nicht gleich den Tod, wenn man sich an einem Krankenhauskeim infiziert. Aber die Resistenzen nehmen zu und es gibt nur wenige antibiotische Substanzen.“ Dazu kommt, dass nur wenige neue Antibiotika auf den Markt kommen: „Für Pharmafirmen lohnt sich die Entwicklung kaum, denn diese dauert lange und ist sehr teuer.“

Achtsamer Umgang mit wertvoller Substanz

Im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen können nicht nur Mediziner, sondern auch Patienten ihren Teil beitragen. Für viele sind bereits erste Anzeichen etwa eines grippalen Infekts Anlass genug, sich beim Arzt ein Rezept für ein Antibiotikum zu besorgen, um möglichst bald wieder auf die Beine zu kommen. „Antibiotika helfen jedoch nur gegen bakteriologische Erkrankungen und nicht gegen Viren, die etwa die Ursache für eine Grippe sind.“ Viele Patienten setzen die Tabletten auch zu früh ab, weil sie sich schon besser fühlen. Dieser sorglose Umgang trägt dazu bei, dass Bakterien Resistenzen entwickeln und die Medikamente nicht mehr wirken. „Wichtig ist, die Antibiotika mit Maß und Ziel einzusetzen. Es handelt sich um eine sehr wertvolle Substanz, auf die wir achten müssen.“

Zur Sache:

• Die Entdeckung der Antibiotika war ein Zufall. 1928 experimentierte der Mikrobiologe Alexander Fleming in seinem Labor mit Staphylokokken (Krankheitserreger). Dabei entdeckte er, dass eine seiner Bakterienkulturen von den Sporen eines Schimmelpilzes befallen worden war. Als er die verunreinigte Probe wegwerfen wollte, fiel ihm auf, dass sich überall dort, wo sich der Pilz ausbreitete, keine Bakterien ansiedelten und dort, wo welche vorhanden waren, diese sogar eingingen.

• Diese Eigenschaft macht Antibiotika zu den wichtigsten Arzneimitteln zur Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten. Gemeinsam mit Impfungen haben Antibiotika die Lebenserwartung des Menschen weltweit um 20 Jahre verlängert.

• Antibiotika zählen zu den weltweit am häufigsten verschriebenen Medikamenten. Doch je mehr Antibiotika zum Einsatz kommen, desto höher ist die Gefahr, dass die Bakterien immun werden. Denn auch Bakterien kennen die Evolution. Sie passen sich an und werden widerstandsfähiger gegen ein Antibiotikum.

• Das stellt die Humanmedizin vor enorme Probleme. In einem "post-antibiotischen Zeitalter" könnten sich geringfügige Infektionen oder Schnittverletzungen als tödlich erweisen, Kinder könnten an Lungenentzündung sterben, das Risiko für Infektionen bei Transplantationen, Chemotherapien, Operationen oder einem Kaiserschnitt wäre groß und diese komplizierten medizinischen Behandlungen damit beinahe unmöglich.

Wirksame Strategien: Mit Hochdruck wird nicht nur an der Entwicklung neuer Antibiotika gearbeitet, sondern es werden auch wirksame Strategien gegen die Bildung und Ausbreitung von resistenten Keimen entwickelt. Dazu gehören strenge Hygienevorschriften in Krankenhäusern, um bereits resistente Erreger nicht von einem Patienten zum nächsten zu tragen. Eine weitere Maßnahme zielt auf die Verschreibungspraxis von Ärzten ab. Viel zu häufig werden Medikamente verordnet, die nicht benötigt werden oder die gar nicht wirken – oft auch deshalb, weil sie von den Patienten eingefordert werden. Besonders wichtig sind daher Informationskampagnen, denn das Wissen in der Bevölkerung ist gering: So wissen viele nicht, dass Antibiotika nur gegen bakterielle Infektionen, nicht aber gegen Viruserkrankungen wie Erkältungen oder Grippe wirken. Und wer das verordnete Antibiotikum zu kurz oder falsch einnimmt, verbessert für Bakterien die Chance, sich an die Wirkstoffe so anzupassen, dass diese die Erreger nicht mehr abtöten können.

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