Autor Eugen Banauch: "Die Stadtregierung hat mehr Baujuwele zerstört als die Bomben im Krieg"
Über 50 Jahre nach ihrem Abriss ist die Rauchfangkehrerkirche zentrales Thema eines neuen Romans. Die bz bat den Autor Eugen Banauch zum Gespräch.
WIEDEN. MARGARETEN. 1965 wurde die alte Matzleinsdorfer Pfarrkirche "Zum Heiligen Florian", auch als "Florianikirche" oder "Rauchfangkehrerkirche" bekannt, abgerissen. Grund: Die barocke Kirche, die 1725 geweiht wurde, befand sich mitten auf der Wiedner Hauptstraße und stellte ein Verkehrshindernis dar. Der Abriss sorgt damals für einen Aufschrei in der Bevölkerung. Trotz einer Bürgerinitiative mit 13.000 Unterschriften wurde das Baujuwel an der Grenze Wieden/Margareten abgerissen.
Vergessen ist die "Rauchfangkehrerkirche" auch 50 Jahre nach ihrem Abriss nicht: Das Bezirksmuseum Wieden widmet ihr noch bis Ende Juni eine Ausstellung (zu besichtigen jeden Sonntag von 10 bis 12 Uhr bei freiem Eintritt). Auch der Autor Eugen Banauch lässt seinen jüngsten Roman "Die Rauchfangkehrerkirche" rund um den Abriss der Kiche spielen. Die bz bat den Autor zum Gespräch über Denkmalschutz, Zerstörung und Wiederaufbau.
Wieso machen Sie nach 50 Jahren den Abriss der Rauchfangkehrerkirche zum Leitmotiv Ihres neuen Romans?
EUGEN BANAUCH: Ich wohne seit jeher im 10. Bezirk und bin damals jeden Tag mit der Straßenbahn 65 - heute ist es der 1-er - an der Kirche vorbeigefahren. Sie stand mitten auf der Straße.
Wie haben Sie den Abriss damals empfunden?
Sehr dramatisch. Es gab auch eine Bürgerinitiative, die 13.000 Unterschriften sammelte und von Prominenten wie Heimito von Doderer unterstützt wurde. Das war die erste Initiative solchen Ausmaßes! Es hat nichts genutzt und alles ist dann ziemlich schnell gegangen. Zuerst wurden der Dachhelm und die Glocke heruntergeholt, dann die Mauern mit einem Rammbock umgerissen.
Wäre so ein Kirchenabriss heute noch denkbar?
Es wäre heute nicht so einfach, da das Gesetz gleich danach geändert wurde. Man wollte ja die Paulanerkirche auch mit abreißen, doch der damalige Pfarrer hat sich quer gelegt. Diese Zerstörung war ein richtig großes Thema in Wien.
Geht es in Ihrem neuen Roman um den Abriss der Kirche?
Nein, es ist kein Genrewerk, sondern ein Roman über Lebensfindung und ein Aufarbeiten der persönlichen Vergangenheit. Aber thematisiert werden auch die Abrisse, die in den 1960-er Jahren durchgeführt wurden. Es werden im Buch noch weitere abgerissene Gebäude erwähnt, etwa das Café auf dem Konstantinhügel im Prater oder die graphische Lehranstalt in der Westbahnstraße. Es wurde von der damaligen Stadtregierung viel unnötig zerstört - mehr als von den Bomben im Zweiten Weltkrieg!
Spielte der Denkmalschutz bis zu den 80er Jahren keine Rolle?
Doch, aber der Denkmalschutz hat heute aufgrund der verbesserten Gesetzeslage mehr Macht. Aber auch heutzutage werden schöne, alte Gebäude abgerissen, wenn auch nicht so bemerkenswerte wie eine Kirche. Leider weiß ich, dass damals wie heute die Strafe für den Abriss eines geschützten Gebäudes bereits in die Baukosten einkalkuliert wird.
Hat die Lücke der Rauchfangkehrerkirche eine Leere im Bezirk hinterlassen?
Sicherlich haben die Leute nach dem Abriss eine Leere gespürt. Es gibt auch junge Leute, die von der Kirche wissen, ohne dass sie diese gekannt haben. Heute wäre so ein Verkehrshindernis in der Mitte der Straße willkommen. Es wird einiges in diese Richtung gebaut, um den Verkehr zu entschleunigen. Damals wollte man eine Hauptverkehrsstraße in die Stadt bauen, jetzt möchte man den Verkehr eher bremsen. Doch auch 1965 war das Projekt Ustraba - die Unterpflaster-Straßenbahn - altmodisch, es handelte sich um ein Prestigeprojekt der roten Stadtregierung. Die ÖVP favorisierte den U-Bahnbau - eine U-Bahn hätte die Kirche nicht tangiert.
Haben Sie den Abriss als Zuseher mitverfolgt?
Nein, aber mir wurde eine Anekdote erzählt: Ein Wiener Architekt hat den Mann, der den Abriss leitete, gefragt, ob ihm denn nicht das Herz blutet. Er erhielt zur Antwort, dass es doch ein Lustgefühl sei und er den Stephansdom am liebsten auch gleich abreißen würde!
In welche Richtung wird es in Wien gehen - das Alte bewahren oder moderne Glaspaläste errichten?
Das kann ich nicht sagen, aber generell hat man zur Zeit ein stärkeres Bedürfnis, Älteres zu schützen. Es wäre ja auch ein Wiederaufbau ohne weiteres möglich! Die Semperoper in Dresden wurde noch in der kommunistischen Zeit anhand von Bildern wieder aufgebaut. ich habe gehört, dass in Brasilien ein ganzes Stadtviertel wieder errichtet wurde. Das ist eine interessante Tendenz, aber bei uns ist man noch nicht so weit!
Zur Person
Eugen Banauch wurde 1938 in Wien geboren. Er studierte Musikwissenschaft und Germanistik und besuchte die Graphische Lehranstalt. Banauch arbeitet nicht nur als Musiklehrer in niederösterreichischen Gymnasie, sondern auch als Grafiker, Seemann, Galerieleiter und persönlicher Sekretär des Malers Ernst Fuchs. Nach seiner Pensionierung fing Banauch an, als Autor tätig zu werden.
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
2 Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.