Notarzt fehlt: Schwerer Unfall auf der A1 erhitzt Gemüter
Das Fehlen eines Arztes bei einem Verkehrsunfall sorgt für Besorgnis bei Bevölkerung und Politik.
MELK. Ein schwerer Autounfall mit einer lebensgefährlich verletzten Person am Abend des 23. November (mehr dazu im Unfallbericht) sorgt für Aufregung. Denn im Rahmen der Rettungsmaßnahmen stellte sich heraus, dass in Melk kein Notarztwagen (NAW) verfügbar ist, weshalb das in Ybbs-Persenbeug stationierte Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) die wesentlich weitere Anfahrt antreten musste, um den Verunfallten zu reanimieren.
In Melk kein Arzt verfügbar
Bezirksstellenkurator Willi Kuhn betont: "Unser Team vom Roten Kreuz war verfügbar, allerdings kein Arzt des Landesklinikums. Warum das so war, müssen Sie die Landeskliniken-Holding fragen", betont Kuhn ausdrücklich, dass das Problem nicht im Bereich seiner Rot-Kreuz-Truppe lag. Das Team des Melker Rettungswagens (RTW), das am Einsatzort auf der Westautobahn war, konnte den Unfalllenker erfolgreich reanimieren, wie Kuhn mitteilt: "Er wurde von unserem Team in Begleitung des Arztes vom Ybbser NEF nach St. Pölten gebracht."
Die Wogen gehen hoch
Nach dem ersten BEZIRKSBLÄTTER-Bericht gingen auf Facebook binnen kürzester Zeit die Wogen hoch. Melks Grünen-Gemeinderat Peter Pruzina etwa kommentiertet: "Gratulation an das RK-Team Melk zur erfolgreichen Reanimation! Ich bewundere immer wieder die Sanitäter. Aber die Frage bleibt: Der NAW ist starklar, aber kein Arzt aufzufinden? Wie gibt es das? Sind das weitere Sparmaßnahmen (zusätzlich zu den 30 Betten) der Landesklinikum Holding? Muss nun ein Melker Herzinfarkt-Patient auf einen NAW aus dem 25 km entfernten Ybbs warten?" Auch sein ÖVP-Gemeinderatskollege Adolf Salzer, Betriebsratsvorsitzender im Landesklinikum Melk, wünscht sich Aufklärung: "Es ist durchaus möglich, dass der derzeitige Ärztemangel aufgrund der neuen Arbeitszeitregelungen im Krankenhaus zu einem Engpass führen kann." In diesem Fall liege die Versorgung bei der nächstgelegenen Notarzt-Basis, so Salzer.
Landesholding sieht kein Problem
Auf BEZIRKSBLÄTTER-Anfrage betont Abteilungsleiter Bernhard Jany von der NÖ Landeskliniken-Holding in einer schriftlichen Stellungnahme: "Es kann immer wieder vorkommen, dass auch ein Notarzt aufgrund einer Erkrankung den Dienst nicht antreten kann", gewährleiste aber das perfekte Zusammenspiel von Holding, den Rettungsorganisationen und dem 144 Notruf NÖ, dass immer der nächstliegende Notarzt eingesetzt wird. "Es gibt immer wieder Ereignisse, die auf die Rettungskette Einfluss haben können, etwa Verzögerungen auf einem Bahnübergang", so Jany weiter.
Drei Teams für den Bezirk
In Summe verfügt der Bezirk Melk über drei Notarztteams, die die gesamte Region versorgen. Mit häufigeren Engpässen sei deshalb in Zukunft nicht zu rechnen, beruhigt Jany, der betont: "Eine kürzest mögliche Hilfsfrist kann zu jeder Tages- und Nachtzeit gewährleistet werden." Es sei nicht wichtig woher, sondern wie schnell der Notarzt am Einsatzort eintrifft.
Anfrage an Landesrat Wilfing
Ganz so rosig sieht der Petzenkirchner SP-Landtagsabgeordnete Günther Sidl die Sache nicht und kündigt deshalb in einer ersten Reaktion auf den exklusiven BEZIRKSBLÄTTER-Bericht eine schriftliche Anfrage an den zuständigen Landesrat Karl Wilfing an: "Der Vorfall gehört genau untersucht. Es darf nichts sein, dass in einem Spital kein Notarzt anwesend ist. Es geht um die Sicherheit der Bevölkerung! Ich werde daher als Abgeordneter eine schriftliche Anfrage an den zuständingen Landesrat Karl Wilfing richten", kündigt Sidl an und betont im Hinblick auf den NEF in Ybbs-Persenbeug: "Den Notarzt-Stützpunkt Ybbs-Persenbeug wollte man noch vor kurzer Zeit schliessen. Gut, dass wir das verhindern konnten und ich dagegen aufgetreten bin."
Zur Sache
In Niederösterreich vergehen vom Notruf bis zum Eintreffen des Notarztes am Einsatzort durchschnittlich 12:40 Minuten. Damit liegt laut NÖ Landeskliniken-Holding das NÖ Notarztsystem weit unter den Hilfsfristen vergleichbarer Bundesländer. Im konkreten Fall waren laut Auskunft der Landeskliniken-Holding die Notfallsanitäter binnen zehn Minuten vor Ort, der Notarzt in fast 15 Minuten.
Stimmen zum Thema
Peter Pruzina, Grünen-Gemeinderat, Melk: "Wenn zum Unfall-Zeitpunkt der Notarzt von schweren Blähungen befallen und dienstuntauglich war, ist das ok. Wenn es aber am Sparwahn der NÖ-ÖVP-Landesregierung liegt, dann keinesfalls. Die ÖVP sollte das Geld lieber in Gesundsheitsprojekte stecken als in nervige Selbstbeweihräucherungs-Werbekampagnen."
Günther Sidl, SP-Landtagsabgeordneter, Petzenkirchen: "Wenn es um Sekunden geht, so hat unsere Bevölkerung das Recht bestmöglich versorgt zu sein!"
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