REPORTAGE: Wieselburger Tuning Days 2015 - Archetypen, Sexismus, starke Frauen und recht viele Autos

"Miss-Auto-Finalistin" Janina Weichhart ziert unsere Titelseite - das dürfte manches Gemüt ob der nackten Haut erregen. Sehr gut, denn dann sprechen wir über das Thema dieses Artikeln.
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  • "Miss-Auto-Finalistin" Janina Weichhart ziert unsere Titelseite - das dürfte manches Gemüt ob der nackten Haut erregen. Sehr gut, denn dann sprechen wir über das Thema dieses Artikeln.
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WIESELBURG (MiW). Der "Tuning Club Bulls" aus St. Leonhard am Forst lud in Kooperation mit der Webseite "auto.at" dieser Tage zu den "Tuning Days" nach Wieselburg – viel nackte Haut, gute Laune und auf Hochglanz polierte Boliden waren garantiert. Zwischen Testosteron und Machoismus, Leidenschaft und Restaurations-Kredit träumen indes Nora Sedlacek und Mike Humele von ihren Traumautos: Einem Laborgini und einen Shelby Mustang GT 500. Lukas Seisenbacher gefiele ein alter Toyota Supra gut, Dominik Haselberger wünscht sich einen BMW M6 herbei und Martin Hahn hat sich den Traumauto-Wunsch bereits erfüllt: Er fährt mit einem Batmobil vor.
Es geht in erster Linie bei einem solchen Tuning-Treffen um den Spaß und das Teilen einer gemeinsamen Leidenschaft. Doch welches Bild vermittelt wird, das ist eine andere Geschichte, die Sie hier nachlesen können.

Das Tuningtreff - Mikrokosmos alter Geschlechterrollen?

Die Titelseite der aktuellen Ausgabe der Bezirksblätter Scheibbs, Kalenderwoche 30, zeigt Model und "Miss Auto"-Finalistin Janina Weichhart, wie sie sich lasziv an ein poliertes Fahrzeug schmiegt. Völlig freiwillig, denn es macht ihr Spaß, niemand zwingt sie zu Hotpants im Zielflaggen-Look und Schmollmund. Ist dieses Gebahren bereits sexistisch, eine attraktive Frau, die sich bewusst attraktiv zur Schau stellt abzulichten und anschließend als Blickfang für die Leser auf die Titelseite hinzupflanzen?
Jetzt wird es spannend: Wir haben mit diesem Reiz und dessen Auswirkung gespielt. Statistisch gesehen werden Berichte mit sexualisierenden Anzeigebildern, ("Thumbnails" genannt) oder zweideutigen Themen häufiger angeklickt.
Warum tut es also ein Medium? Weil die Zahlen zeigen, dass es gewünscht wird?
Ist es dann Heuchelei, diesen Mechanismus zu verwenden und anschließend als Thema näher und kritischer zu beäugen?
Es ist ein Spiel, liebe Leserinnen und Leser. Es ist, wie Ernst Strasser, Österreichs Rechenschafts-Export nach Brüssel sagen würde: It's part of the game.

Ein Blick hinter die Fassade
Sieht man über das gefallende Erscheinungsbild von unserem Covermodel Janina Weichhart hinaus, dann sieht man eine leidenschaftliche Reitsportlerin, die vor kurzem drei Mal an den Start ging und gleich dreimal gewonnen hatte. Nebenbei macht sie ihre Matura in der Abendschule nach und arbeitet im ersten Wiener Gemeindebezirk in der Gastronomie. Fleißig ist sie und eine Unverschämtheit wäre es, sie bloß an ihre ansprechende Physis zu reduzieren.
Wobei - man muss sich halt auch die Mühe machen nachzufragen.
Janina posiert freiwillig, ihr macht es großen Spaß und sie ist sehr unkompliziert - nach einer freundlichen Unterhaltung machen wir ihr die Fotos zum Geschenk, sobald sie auf Hochglanz gebracht worden sind.

Tuning Days? Der Name macht Programm
Natürlich dreht es sich bei dem Bolidentreff um Autos, persönliche kleine Schmuckstücke die auf Optik und Leistung (manchmal auch durch Aufnahme eines Kredits) getrimmt werden.
Der Zeitplan des Events informiert über das Programm, das neben Autobewertung, Low Rider Show und der Eröffnung des Händlerbereichs auch über folgende, relevante Programmpunkte informiert:
Samstag, 18.7.2015:
09.00 Uhr: Bodypaint
11.00 Uhr: Fotoshooting Bodypaint-Girls
14.30 Uhr: Sexy Car Wash
15.00 Uhr: Fotoshooting "Miss Auto.At"
23.00 Uhr: Feuer Show
00.00 Uhr: Strip Show
01.00 Uhr: Feuer Show
"Drei Gogo-Shows während der Abendveranstaltung!" (sic!)

Der Motorsport und die Verfleischlichung
Es geht hier keineswegs darum, eine Sexismusdebatte hervorzurufen, denn die Programmpunkte sind absolut legitim und keine Teilnehmerin und kein Teilnehmer wird oder wurde zum Mitmachen oder Mitansehen der einzelnen Programmpunkte gezwungen.
Aber: Es gibt ein "Aber".
Nach wie vor sind fesche junge Frauen und Motorsport-Events untrennbar miteinander verbunden. Erst Ende Februar dieses Jahres echauffierte sich der deutsche Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel beim GP in Monaco über die Verwendung von "Grid-Boys" , also dem geschlechtlichen Pendant zu den "Grid-Girls" - nach wie vor besser bekannt unter dem pejorativen Terminus "Boxenluder".
Würde er auf Männer stehen, dann hätte er ja kein Problem damit, dass anstelle der langhaxerten Gazelle ein Schrank von Kerl mit dem deutschen Fähnchen wachle, so der 28-jährige Rennprofi aus Heppenheim.

Zurück zu den "Tuning Days" in Wieselburg. Auch hier nimmt die motorsport-typische Objektifizierung einen großen Raum ein. Die Website "auto.at" warb im Vorfeld auf ihrer Seite mit zwei sehr anregenden youtube-Videos, die im Zuge der Tuning Days 2014 erstellt wurden.
Das erste Video behandelt unter dem Titel "Tuning Days Wieselburg 2014 und Miss Auto.At 2014" das Event selbst, erste Szene: Bodypainting, zweite Szene: Junge Frauen in Hotpants, Präsentation der Miss-Auto-Anwärterinnen, dann wieder der grinsende Bodypainter mit seiner lebenden Leinwand. Nach über einer, praktisch rein für die hübschen Mädels anberaumten Minute erfolgt er Schnitt zu einer Stangentänzerin, dann wieder Bodypainting. Nach Zeitstempel "1:09" das erste Auto, ein hüpfender VW Golf. Der putzige Low-Rider scheint sich ebenso sehr zu freuen wie der Zuseher des Videos.
Anschließend geht es endlich um Autos, zwischendurch wieder Mädels, dann Autos - den Rest kann man sich denken. Das Video könnte auch Satire sein, wäre es nicht ernst gemeint.

Das zweite Video mit dem Titel "Tuning Days Wieselburg - Sexy Car Wash und Party" interessiert sich geschlagene 11 Minuten und sieben Sekunden für ... Sie können es sich denken. Interessantes Detail am Rande: Möchte man das Video auf youtube.com direkt ansehen, so erscheint eine sogenannte Inhaltswarnung: "Dieses Video ist möglicherweise für einige Nutzer unangemessen. Melde dich an, um dein Alter zu bestätigen."

Sexismus, Machoismus, Feminismus?
Die Szene ist wie sie ist und man möchte sich kein Urteil erlauben, denn sie ist vielschichtiger und sollte ebenso wie Miss-Auto-Anwärterinnen nicht auf reine Optik reduziert werden.
Die einste reine Männerdomäne ist schon längst, wenn aber auch nur zum Teil, in der postfeministischen Moderne angelangt: Weibliche Autonarren sind gestande Frauen, nicht nur mit Meinung, auch mit augenzwinkernder Selbstironie und sie spielen teils bewusst, teils aus Präferenz mit den ewiggestrigen Stereotypen. Zum Beispiel Nina Machac, die Gewinnerin der Facebook-Online-Wertung zum "schönsten Auto" bei den Damen. Ihr Fünfer Golf zeigt sich mit pinken Felgen und pinkem Akzent am Kühlergrill. "Die Farbe heißt Magenta, das ist nicht Pink!", korrigiert sie den Redakteur augenzwinkernd. Man merkt: Mit Nina ist nicht gut streiten, die weiß, wovon sie spricht und sie hat sich wohl viele Gedanken über die kleinen Details gemacht.
Als männlicher - offensichtlich mit beschränkter Farbwahrnehmung verfluchter Redakteur muss ich aber eingestehen: Für mich sahen die Felgen eher nach Pink aus. Aber mein Farbspektrum umfasst in Pink vermutlich gute 150 einzelne Schattierungen, die allesamt ignoriert werde. "Für mich als Mann?" - das war bereits als Aussage selbst sexistisch. Kniffelig!

Daniela Wagner ist selbst leidenschaftlicher Autofan und besuchte jedes Jahr das Wieselburger Treffen. Die 24-jährige grübelt über die Frage, ob sie glaube, dass manche Besucher eher für die hübschen Frauen oder für die Autos hierher gekommen waren.
Sie trägt ein weißes, bauchfreies Tanktop und blaue, knallenge Hotpants.
"Ich glaube, die Autofans sind in der Mehrheit, aber bei solchen Treffen geht es immer um das Sehen und Gesehenwerden", verrät sie und zeigt auf ihre Schuhe: "Ich trage nur deshalb bequeme Schuhe, weil ich mir alles genau anschauen kann. Mit Stöckelschuhen bringt dich die Lauferei um."
Doch, wie Daniela verrät, möchte man sich auch herzeigen, das läge nicht nur an den extremen Temperaturen dieser Tage. Man brauche aber als Frau auf jeden Fall ein starkes Mundwerk um gleich das Revier zu markieren und vor plumpen Anmachsprüchen verschont zu bleiben. Stark sein heißt die Devise, wenn man sich behaupten möchte.

In den Messehallen selbst vollführen Mona Arbinger und Birgit Gröll vom Tanzstudio "polearts" akrobatische Verrenkungen, die an den Cirque du soleil erinnern.
Die beiden Sportlerinnen - und man kann diese Form des Stangen-Ausdruckstanzes nur als Sport anerkennen! - schmunzeln, denn wenn sie sich für ihren Auftritt vorbereiten, so verrät Mona, dann entledigen sie sich der hängenden Kleidung, der Sicherheit wegen. Wenn Besucher sie beim unlassziven Ausziehen sehen, so bleiben sie stehen. Wenn sich die beiden aber dann zur Stange begeben und die Akrobatik beginnt, so erlischt das Interesse mancher Besucher so schnell, wie es gekommen war.
Mona und Birgit verstehen das selbst nicht. Der Redakteur noch weniger.

Aber, hier zum Abschluss das letzte "Aber" unseres zwiegespaltenen Streifzugs:
Mona und Birgit stehen nicht im Dienst der Veranstalter, sie sind von einem Aussteller engagiert. Auch die Händler haben das altbewährte Konzept des "Sex sells" erkannt und wissen dies zu nutzen.

Man wusste den Reiz und die wohl untrennbar mit dem menschlichen Wesen verbundenen Schaulust optimal zu nutzen. So wie wir von den Bezirksblättern, mit dem Titelfoto, mit Miss-Auto-Finalistin Janina Weichhart: Reitsport-Siegerin, Angestellte in der Gastronomie und nebenbei: Matura in der Abendschule.

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