Arbeiterkammer NÖ erkämpft im ersten Halbjahr 20 Millionen Euro
Forderung nach 6. Urlaubswoche. Kuriose Rechtsfälle: Arbeitnehmerin aus Baden zum Babyschwimmkurs eingeteilt.
MÖDLING/BEZIRK: "Im Jahr 2016 möchte man meinen, dass Probleme in den Unternehmen eigentlich Geschichte sind, aber es kommt häufiger vor als man glaubt", so AK-Kammerrat Patrick Slacik bei der Halbjahresbilanz der Arbeiterkammer für den Bereich NÖ Süd in der AK Mödling.
Zum Babyschwimmkurs eingeteilt
Der kurioseste Fall ist aus dem Bezirk Baden. Eine junge Frau musste als Bürokraft sogar auf den neugeborenen Sohn ihres Arbeitgebers aufpassen. Selbst am Stundenkalender vermerkte der Chef, dass es oberstes Ziel wäre „Mausi glücklich zu machen“. Mit „Mausi“ war die Mutter des Juniors gemeint.
Anfangs die Aufgabe noch duldend, um den Job zu behalten, reichte es der Frau, nachdem sie unter anderem sogar einen Babyschwimmkurs am Wochennede besuchen musste. Nach der Kündigung durch die Dienstnehmerin wollte der Unternehmer der Frau auch noch eine Unterschrift unter eine ungerechtfertigte vorzeitige Dienstauflösung abluchsen. Doch diese wandte sich an die AK.
Die Aussagen gingen auseinander. Bei der Gerichtsverhandlung kam es bezüglich der offenen Forderungen zu einem Vergleich.
Auch der Fall einer ungarischen Arbeitskraft aus Maria Enzersdorf sorgte für Wirbel.
Ihr ebenfalls aus Ungarn stammender Arbeitgeber fühlte sich dem magyarischen Arbeitsrecht verpflichtet. Die Liste der Verfehlungen ist lange. So folgte die Anmeldung bei der Krankenkasse zu spät, die Arbeitszeit war mit 30 anstatt der tatsächlich geleisteten 40 Wochenstunden angegeben, und dann wurde noch die Unterschrift unter den Stundenaufzeichnungen gefälscht. Nach erster Intervention folgte eine zu geringe Nachzahlung, obendrein begleitet mit Drohungen des Chefs und der Aufforderung, den noch offenen Urlaub während der Kündigungsfrist zu konsumieren. "Das geht nur nach beidseitiger Vereinbarung, die nicht vorlag", so die Mödlinger Bezirksstellenleiterin der AK, Susanna Stangl. Insgesamt lagen laut AK-Berechnung für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses Ausstände in Höhe von über 16.000 Euro vor.
Da im Kollektivvertrag der Frisöre jedoch eine Verfallsfrist von drei Monaten gilt, konnte der Gesamtbetrag nicht mehr eingefordert werden. Nach einem gerichtlichen Vergleich erhielt die Frau letztendlich 2.000 Euro netto. "Tedenziell kommen die Leute erst, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist", so Stangl, die den Schritt der Frisörin, die AK schon während des noch aufrechten Dienstverhältnisses einzuschalten, als mutig bezeichnet. Auch die Tatsache, dass bei ausländischen Arbeitgebern es öfters zu arbeitsrechtlichen Verletzungen kommt sei zu bemerken, wie Wiener Neustadts AK-Bezirksstellenleiter Thomas Kaindl. "Die Hemmschwelle sich zu beschweren nicht nur bei Ausländern gering, die auch geduldiger sind. Auch die Situation am Arbeitsmarkt sorgt für Druck beim Arbeitnehmer", so Kaindl.
84.000 mal geholfen
Mehr als 84.000 Arbeitnehmer hat die AK Niederösterreich im ersten Halbjahr bei Problemen am Arbeitsplatz oder in sozialrechtlichen Fragen geholfen. „Wir haben 20 Millionen Euro erkämpft“, so Kammerrat Patrick Slacik. Es ging dabei sowohl um ausstehende Löhne und Gehälter nach Insolvenzen, Abfertigungen, die den Betroffenen vorenthalten wurden oder Nachzahlungen, weil Beschäftigte mitunter monatelang unter Kollektivvertrag bezahlt wurden.
Sechste Urlaubswoche für alle
Immer wieder kommt es rund um den gesetzlichen Urlaub zu Konflikten. Dabei geht es nicht nur um Gewährung und Anspruch, auch das Thema sechste Urlaubswoche sorgt für Diskussionen.
Immer weniger Menschen haben jedoch Anspruch auf die sechste Urlaubswoche, die (bis auf wenige Ausnahmen) nach 25 Jahren beim selben Dienstgeber gewährt wird. "Das tritt immer seltener auch tatsächlich ein", wie Slacik anhand von Zahlen deutlich belegt.
Das durchschnittliche Arbeitsverhältnis in Niederösterreich dauerte im Jahr 2015 nur noch 10,8 Jahre. Lediglich bei 30 Prozent der über 40-Jährigen ist die Betriebszugehörigkeit länger als 20 Jahre. Weniger als 10 Prozent haben derzeit Anspruch auf sechste Urlaubswoche. Viele verlieren ihn auch noch unverschuldet. Gerade 11,5 Prozent der Dienstverhältnisse in Niederösterreich wurden 2015 beendet, weil es ausschließlich die Arbeitnehmer so wollten.
Erreichbarkeit im Urlaub großes Thema
Ein großes Thema für die Arbeitnehmer war die Frage, ob sie im Urlaub erreichbar sein müssen, sagt Karin Matzinger vom AK Rechtsschutzbüro Niederösterreich Süd. "In der Dienstleistungsbranche haben bei einer Befragung der AK mehr als 40 Prozent der Beschäftigten angegeben, dass sie auch im Urlaub erreichbar sind.
Das müssen sie nicht. Der Urlaub dient ausschließlich der Erholung, das ist klar gesetzlich verankert" so Matzinger
Zu Problemen komme es auch häufig bei der Urlaubsvereinbarung. "Urlaub muss vereinbart werden und er sollte laut Gesetz mindestens eine Woche dauern.
Der Chef kann also weder einseitig den Urlaub verordnen noch darf er sie dazu zwingen, den Urlaub jeweils nur tageweise zu konsumieren.
Auch kann man als Dienstnehmer nicht jederzeit auf Urlaub gehen. Ebenfalls Thema seien Verfallsfristen im Urlaub.
Nach drei Jahren verjähre nicht verbrauchter Urlaubsanspruch, sagt Matzinger. "Man muss ihn also davor konsumieren, sonst hat man nichts davon."
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