Lungenspezialist Lamprecht
"Fürchte noch keine große 2. Welle", aber "Respekt vor Grenzöffnungen"

Primar Bernd Lamprecht ist Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde / Pneumologie am Kepler Universitäts Klinikum, stellvertretender Dekan für Lehre und Studierende an der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Uni, Hochschulreferent der Ärztekammer für Oberösterreich, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie sowie
wissenschaftlicher Leiter der Pneumologischen Rehabilitation, Rehaklinik Enns.
  | Foto: Kepler Universitäts Klinikum
  • Primar Bernd Lamprecht ist Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde / Pneumologie am Kepler Universitäts Klinikum, stellvertretender Dekan für Lehre und Studierende an der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Uni, Hochschulreferent der Ärztekammer für Oberösterreich, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie sowie
    wissenschaftlicher Leiter der Pneumologischen Rehabilitation, Rehaklinik Enns.
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Primar Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler Uni Klinikum über die Entwicklung von Corona in Oberösterreich, mögliche Folgen der Lockerungen, die Corona-App, die Erfahrungen mit Medikamenten zur Behandlung von Covid-19, die Plasmatherapie und die Langzeitfolgen bei schweren Erkrankungen.

Update: Aktuelles Interview mit Primar Lamprecht vom 4. August 2020:
Normaler Schulstart im Herbst – Impfung Mitte 2021 wahrscheinlich

BezirksRundschau: Von 23. auf 24. Juni wurden in Oberösterreich elf Corona-Neuinfektionen verzeichnet (aktuelle Zahl der Covid-19-Fälle) – braut sich da etwas zusammen?
Lamprecht:
Man kann nüchtern sagen: Wir hatten schon ruhigere Zeiten. Vor drei Wochen, am Tiefpunkt der Erkrankungen, waren wir als Kepler Universitäts Klinikum kurz davor, Covid-frei zu werden – dann kamen wieder drei Patienten. Seither nehmen die Infektionen zu, das zeigen auch die Tests, die bei uns gemacht werden. Die Entwicklung ist nicht dramatisch, aber der Trend ist eindeutig erkennbar. Auch Israel, Bulgarien oder der Minicluster in Salzburg zeigt: Das Virus ist da. Und wenn die "falschen" Menschen mit dem falschen Verhalten zusammenkommen, dann passiert was. Ein sogenannter Superspreader, und das sind zehn Prozent der Infizierten, ist für 80 bis 85 Prozent der Neuinfektionen verantwortlich.

Also droht vor dem Hintergrund der jetzigen Steigerungen der Infektionen noch keine zweite Welle?
Ich fürchte noch keine große 2. Welle, weil wir derzeit kleine Ausbreitungscluster haben und die gut nachverfolgen können. Aber ich habe Respekt vor den Grenzöffnungen, weil dann die Nachverfolgung viel schwieriger wird. Und die meisten Sorgen machen mir die Fälle von Erkrankungen, die keine Symptome zeigen. Sie können aber sehr wohl ansteckend sein, das haben wir gesehen. Und so kann uns die Ausbreitung der Infektion über längere Zeit entgehen.

Corona-App ist "sinnvolles Werkzeug"

Bei der Nachverfolgung von Infektionsketten soll ja die Corona-App helfen – was halten Sie davon?
Sie ist ein sinnvolles Werkzeug. Denn wer erinnert sich schon, mit wem er vor vor Tagen genau Kontakt hatte. Ich würde sie jedem mit vielen Kontakten empfehlen. Sie ersetzt aber nicht andere Maßnahmen zur Nachverfolgung.

Während viele Menschen froh über die Lockerungen wie das Ende der Maskenpflicht in den meisten Bereichen sind, macht sich ein Teil der Bevölkerung Sorgen, dass damit der zweiten Welle der Weg geebnet wird.
Ich halte die Lockerungen nicht für falsch, sondern genau für richtig. Sie erfolgen schrittweise, es ist ein Hintasten auf jenes Maß an Corona-Belastung, das dem Gesundheitssystem zumutbar und bei dem die Einschränkungen auch wirtschaftlich verkraftbar sind. Wir haben jetzt schon eigene Erfahrungen, wie es mit dem Gesundheitssystem aussieht, wie viele Menschen schwer erkranken und wie viele Intensivbetten wir brauchen. Zehn Prozent aller Erkrankten müssen ins Krankenhaus, zwei Prozent aller Fälle benötigen ein Intensivbett. Die Politik nimmt jetzt bewusst eine Spur mehr Fälle in Kauf als beim Lockdown, der sehr wirksam war, wie sich jetzt zeigt. Wir schauen nun, wie wir mit dem Virus leben und arbeiten können. Dabei kommen uns die Erfahrungen, etwa bei der Behandlung mit Medikamenten, und die ausreichende Schutzausrüstung zu Gute. Aber das ist nur ein kleines Sicherheitspolster, wie Infektionen in Schlachthöfen und die dadurch notwendigen Einschränkungen in Deutschland zeigen.


Virus bleibt gefährlich


Was auffällt: Derzeit (Stand 24. Juni) muss kein Covid-19-Patient auf der Intensivstation behandelt werden – wird das Virus weniger gefährlich?

Das liegt vor allem daran, dass einmal Zeit vergeht zwischen dem Test, einem Krankenhausaufenthalt und dem Verlegen auf die Intensivstation. Und bei so wenigen Fällen wie zuletzt ist das auch rein rechnerisch zu erklären, da ja nur etwa zwei Prozent der Erkrankten eine Intensivbehandlung benötigen. Ich gehe aber davon aus, dass wir in den nächsten 14 Tagen eine leichte Zunahme der Intensivpatienten verzeichnen. Es gibt jedenfalls keinen Hinweis darauf, dass das Virus nun weniger schwere Verläufe verursacht?

Die Sterblichkeitsrate dürfte also etwa bei 1,5 bis 2 Prozent liegen. Das ist entschieden mehr als bei der Influenza.

Wie gefährlich ist das Corona-Virus wirklich nach den Erfahrungen der vergangenen Monate?
Bei früheren Erkrankungen durch andere Corona-Viren lag die Sterblichkeit deutlich höher. Bei Sars 1 etwa bei zehn Prozent, bei Mers sogar bei 30 Prozent. Aber sie waren nicht so ansteckend. In Oberösterreich beträgt die Sterblichkeitsrate in Bezug auf alle getesteten Fälle 2,5 Prozent – österreichweit sind es 3,9 Prozent. Wir liegen also sicher unter fünf Prozent Sterblichkeit – ohne Einrechnen der Dunkelziffer der Infizierten. Denn man kann davon ausgehen, dass einige es hatten, die nicht getestet wurden. Entsprechende Studien zeigen eine bis zu doppelt so hohe Anzahl an Infizierten, als getestet wurden. Die Sterblichkeitsrate dürfte also etwa bei 1,5 bis 2 Prozent liegen. Das ist entschieden mehr als bei der Influenza.

Bis zu einer Impfung wird es ja noch dauern, wie sind die Erfahrungen mit den Medikamenten, die eingesetzt werden – da gab es ja zuletzt Erfolgsmeldungen aus Großbritannien beim Einsatz von Dexamethason.
Dexamethason ist ein weit verbreitetes und billiges Medikament, das schon bisher bei Lungenversagen eingesetzt wurde, etwa bei Sars1 oder Mers, weil es eine völlig überschießende Immunreaktion dämpft, die mehr Schaden anrichtet, als sie hilft. Sein Einsatz ist also gerechtfertigt, aber es ist kein Medikament, das schwere Verläufe verhindert. Was wir brauchen, ist ein Medikament, damit es gar nicht zu einem Lungenversagen kommt.

Penninger-Medikament hat Potenzial

An der Kepler Uniklinik wird ja das vom Innviertler Forscher Josef Penninger entwickelte Medikament gegen Covid-19 getestet. Wie sind die Erfahrungen damit?
Das Penninger-Medikament hat Chancen, diese schweren Lungenschäden zu verhindern, das Potenzial ist da. Wir können aber noch keine seriöse Beurteilung geben, da bei uns erst vier Patienten damit behandelt wurden, österreichweit sind es zwölf. Bisher verzeichneten wir keine negativen Nebenwirkungen und vier der sechs bei uns damit behandelten Patienten konnten das Krankenhaus bereits verlassen. Derzeit kommt es ja erst später zum Einsatz, bei Patienten, die älter sind, Begleiterkrankungen haben und deutliche Symptome wie eine zu niedrige Sauerstoffsättigung zeigen. Ziel wäre aber in weiterer Folge, es vorbeugend und an breitere Erkranktengruppen zu verabreichen und so Lungenschäden zu vermeiden. Derzeit verabreichen wir es aber nur an schwere Fälle, weil die Risken nicht bekannt sind.

Es gab zuletzt wieder einen Aufruf der Ärztekammer an jene, die eine Covid-19-Erkrankung überstanden haben, Blutplasma zu spenden. Gibt es schon Erfahrungen mit der Behandlung mit Blutplasma?
Der Einsatz von Blutplasma ist eine sinnvolle Strategie als Überbrückung, bis es eine Impfung und verlässliche Medikamente gibt. Er ist gut für die, die schwer erkranken. Bei uns ist Blutplasma bisher noch nicht eingesetzt worden, wir haben aber genug, um fünf bis zehn schwere Fälle behandeln zu können. Zum Glück war das Interesse der Betroffenen groß, Blutplasma zu spenden.

Mehrheit ohne Langzeitschäden

Schwer an Covid-19 Erkrankte, die zuvor fit waren, berichten davon, dass sie nach überstandener Krankheit kaum eine Treppe schaffen, ohne außer Atem zu geraten. Wie sehen die Langzeitfolgen aus?
Wir haben jetzt im Juni unsere ersten Patienten nach drei Monaten nachkontrolliert. Die überwiegende Zahl zeigte eine Rückbildung der Veränderungen an der Lunge, bei Einzelnen gab es noch leichte Einschränkungen. Im Regelfall gibt es also eine Rückbildung, wie bei anderen Lungenentzündungen können aber Einschränkungen bleiben. Im Vergleich etwa zu Sars 1, wo 16 Prozent nach mehreren Monaten noch Einschränkungen hatten, dürfte die Rate bei Covid-19-Patienten aber niedriger liegen.

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