Petitionsausschuss-Vorsitzende Kickert: "Weniger Petitionen, weil Erwartungen realistischer geworden sind"
Im abschließenden Beitrag des Petitionschwerpunkts spricht die bz-Wiener Bezirkszeitung mit Jennifer Kickert (Die Grünen) über sinkende Beteiligung, Hürden und ein Thema, dass sie selber einreichen würde.
Wenn man sich die Zahlen ansieht, erkennt man einen Rückgang der Petitionseinreichungen. Wie können Sie sich das erklären?
JENNIFER KICKERT: Zu Beginn gab es sicherlich einen großen Ansturm auf das neue Instrument. So gab es etwa mehrere Petitionen zum gleichen Thema. Möglicherweise sind auch die Erwartungen realistischer geworden.
Der Zeitraum von der Einreichung einer Petition bis hin zum Abschluss im Petitionsausschuss hat sich fast verdoppelt: Von rund 6,3 im Jahr 2013 auf 11,7 Monate im Jahr 2015. Welche Erklärungen haben Sie hierfür?
Wenn die BürgerInnen schon mit einem Packen Unterschriften kommen und es muss dann nur mehr geprüft werden, ob die 500 erreicht worden sind - dann geht das schneller. Das war am Anfang häufiger als jetzt. Jetzt sammeln tatsächlich mehr Petitionswerber auch übers Internet und da kann es länger dauern.
Ein immer wieder aufkeimendes Thema, wenn man über Petitionen spricht, sind die Steinhof-Gründe. Hier steht der Vorwurf im Raum, dass die Wiener Politik mehrere Petitionen vollkommen ignoriert hat. Was können Sie auf diesen Unmut antworten? Bziehungswies: Was können Sie zu Menschen sagen, die mit einer im Ausschuss getroffenen Empfehlung unzufrieden sind und weitere Petitionen zu dem Thema einreichen?
Wir haben eben einen Prozess gehabt, der übrigens angestoßen wurde durch die Bürgerinitative, nämlich ein Moratorium und dann eine Mediation. Ich bin mit den meisten ein ganzes Jahr lang in der Mediation gesessen. Und daher wissen sie, was ich auch politisch beigetragen habe in dieser Causa. Zwei weitere Prozesse haben dann eine bereits beschlossene Flächenwidmung und einen bereits beschlossenen Grundstücksverkauf rückgängig gemacht. Die Bebauung des östlichen Teils der Steinhofgründe konnten wir wirklich wesentlich reduzieren. Die Anzahl ist von ca. 600 Wohnungen auf maximal 120 Wohnungen je nach Größe reduziert worden. Das heißt, es gab einen politischen Prozess in der Auseinandersetzung mit der Bürgerinitiative, mit dem Volk.
Wenn bereits 80% der Anliegen einer Petition erreicht worden sind, ist es für uns ein großer Erfolg. Natürlich gibt es Menschen, die ihre 100%-Position beibehalten, das ist auch deren Recht. Aber es gibt auch andere Interessen, die wir in diese Interessensabwägung miteinbeziehen müssen. Hier wünsche ich mir Verständnis vom Gegenüber.
Gäbe es eine "Kommunikation mit den Bürgern auf Augenhöhe" und "führzeitig, ehrlich und ergebnisoffen Informationen zu Bauvorhaben und Flächenwidmungsänderungen" (wie eine Leserin schrieb), stimmen Sie da zu, dass dann viele Petitionen gar nicht nötig wären?
Ja, ich gebe Ihnen da Recht. Es gibt nur ein Wort, das in diesem Zusammenhang eine falsche Erwartung erzeugt: ergebnisoffen.
Ganz am Anfang eines solchen Prozesses kommt jemand mit einer Idee und sagt "Ich würde da gerne mehr bauen als jetzt zugelassen ist". Die Verwaltung sieht sich das an und sagt dann, dass dies (aufgrund strategischer Vorgaben wie Stadtentwicklungspläne) denkbar oder eben nicht denkbar wäre. Ist es nicht denkbar, ist das Projekt tot, ist es aber denkbar, so startet der ganze Prozess.
Das heißt, diese Erwartung „ergebnisoffen“, ist in solchen Prozessen eine zu hohe Erwartung. Man kann sehr viel beeinflussen, aber man kann es kaum mehr abdrehen. Weil sonst wäre es ja kein Projekt, wenn es nicht schon im Sinne der Stadtentwicklung wäre. Diese Logik ist sehr schwer begreifbar zu machen. Ich verstehe auch grundsätzlich den Unmut damit, aber wie gesagt, all das, was kein Projekt geworden ist, das kriegen die meisten Menschen gar nicht mit.
Wie zufrieden sind Sie mit den technischen Möglichkeiten der Zustimmung auf der Onlineplattform - also mit der Bürgerkarte bzw. der Handysignatur?
Ich glaube schon, dass es eine Form der Verifizierung der Person braucht. Wir haben einen Gesetzestext, der besagt, dass die Person älter als 16 Jahre sein und den Hauptwohnsitz in Wien haben muss. Das lässt sich mit den Daten hinter der Handysignatur sehr leicht und vollkommen automatisch überprüfen.
Sobald es weitere verlässliche elektronische Identifikationsmöglichkeiten gibt, würde ich sie gerne anschauen und aufnehmen. Für alles, was die Nutzbarkeit leichter macht, bin ich offen. Aber das System dahinter muss das auch verkraften, und das bezweifle ich im Moment.
Eine Petitionseinreicherin wünscht sich ein "starkes Commitment" der Stadt Wien, wenn das Proejtk als unterstützenswert erachtet wird. Können Sie ein solches Commitment versprechen?
Es ist relativ schwierig, weil in dem Moment, wo der Petitionsausschuss eine Empfehlung abgibt, dann gibt er diese Empfehlung an die jeweils zuständige verhandelnde Stelle aus. Ich muss mich bis zu einem gewissen Grad darauf verlassen können, dass das dann auch umgesetzt wird. Weil ich nicht den Mitarbeiterstab und keine Verwaltungsstelle habe, die das in irgendeiner Weise nachbearbeiten kann.
Welche Themenbereiche sind für Wiens Petitionen nicht geeignet?
Die häufigsten abgelehnten Petitionsthemen betreffen entweder eine Gesetzesmaterie, die zum Bund gehört, oder es ist etwas, das wir nicht in direkter Verwaltung haben. Wie z.B. Forderungen nach Intervallverdichtung oder Fahrzeitverlängerung einer Buslinie - das ist nicht Angelegenheit der Gemeinde Wien, aber wir versuchen das Anliegen an die Wiener Linien weiterzuleiten.
Welche Petition würden Sie selbst einreichen, wären Sie nicht Ausschussvorsitzende?
Wenn ich etwas täte, dann am ehesten bezüglich Grünraum, also etwas, das mir auch sehr nahe liegt. Eine Initative, die ich wahrscheinlich auch privat unterstützt hätte, wäre eine Petition, die tatsächlich eingereicht worden ist. Da war die Arbeit vorher schon sehr intensiv und das wird sie auch weiterhin sein. Das ist die Petition zur Schmelz.
Ich würde eine Petition aufsetzen mit dem Anliegen, den Bewohnern von Häusern Fassadenbegrünungen zu erleichtern. Ich hätte das eigentlich gerne in Wien.
Was sollten Menschen beachten, die Unterschriften sammeln?
Es braucht Name, Adresse, Geburtsdatum und Unterschrift. Sehr, sehr viele fangen an Unterschriften zu sammeln und vergessen entweder die Adresse, aber meistens das Geburtsdatum. Wenn etwas davon fehlt, dann sind die Unterschriften nicht gültig. Also durchaus auch zum Telefonhörer greifen und bei der MA 65 nachfragen, wie man es machen soll. Da erspart man sich viele Kilometer.
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
13 Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.