Magersucht: Was hinter dem Hungern steckt
Die Zahl der an Magersucht Betroffenen nimmt zu. Warum Hungern immer mehr junge Frauen?
SCHWERTBERG. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat sich die Anzahl der wegen Essstörungen stationär aufgenommenen Patienten in Österreich verdoppelt. Eine solche Störung ist die Magersucht (Anorexia nervosa), an der schätzungsweise 5500 Menschen zwischen 15 und 25 Jahren leiden. 19 von 20 Betroffenen sind Frauen. Eine Therapie gilt als schwierig. "Je früher diese ansetzt, desto besser", sagt Petra Kepplinger, die in Schwertberg als Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision arbeitet. Ein allgemeingültiges Rezept gebe es keines. Betroffene bräuchten Geduld. Wie es so weit kommt, dass junge Frauen eine derart falsche Wahrnehmung über den eigenen Körper erlangen und hungern?
Der perfekte Körper
"Der Krankheitsgewinn besteht häufig in der Macht über sich selbst und die Kontrolle. Wo möchten die Betroffenen diese Selbstbestimmung erlangen und können sie es in ihrem Leben nicht?", sagt Kepplinger. Perfektionismus spielt eine Rolle: "Durch einen perfekten Körper glauben Betroffene, sich gegen Kritik und Kränkung schützen zu können. Sie definieren den Selbstwert über Leistung und Erfolg. Perfekt sein ist das Ziel, alles andere bedeutet Scheitern", ergänzt die Expertin. Eng damit verbunden seien die propagierten unrealistischen Schlankheitsideale, die zu einer immer größeren Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper führen.
Abfällige Bemerkung genügt
Der Körper wird zur „Maske“ und geht als fühlender Körper verloren. Oft genügt eine abfällige Bemerkung über das Äußere, um in den Kreislauf der Essstörung zu gelangen. Wird Einsicht gewonnen, ist viel erreicht. Positiv wirkt sich auch aus, wenn das familiäre Umfeld Beratung in Anspruch nimmt. In medizinische Hände gehört die Überwachung des Gesundheitszustandes und des Gewichts. In der Psychotherapie wird in verschiedene Richtungen gearbeitet: Verstehen des Symptoms, Entwicklung einer positiven Körperwahrnehmung, Stärkung des Selbstwerts und Selbstfürsorge, Bedürfnisse wahrnehmen, Gefühle regulieren. "Alarmsignale sind andauernde Beschäftigung mit dem Thema 'Nicht Essen', deutliche Gewichtsabnahme in kurzer Zeit, ständiges Kalorienzählen, Einteilung von Lebensmittel in gut/erlaubt und böse/verboten sowie sozialer Rückzug und Isolation", so Kepplinger. Liegt der Body-Mass-Index (BMI) unter 18,5 spricht man von Untergewicht. Unter 16 wird eine Behandlung im Krankenhaus empfohlen. Unter 14 ist der Zustand lebensbedrohlich. Die Folgen sind schwerwiegend. Sie reichen von Haarausfall, Muskelschwäche bis Osteoporose. Es kommt zu Konzentrations- und Schlafstörungen, Ausbleiben der Regeblutung, ständigem Frieren, Herzrhythmusstörungen und mehr. Dazu können sozialer Rückzug, Depressionen und Suizidversuche auftreten. 10 bis 17 Prozent der Erkrankten sterben an den Folgen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.