Elisabeth Scharfetter und die Krimmler Judenflucht - eine Rückschau

Tauernhauswirtin Elisabeth Scharfetter mit Rupert Scharfetter, ihrem zweiten Ehemann. Er hat sie im Rahmen der „Krimmler Judenflucht“ tatkräftig unterstützt | Foto: Privat / Repro Hölzl
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  • Tauernhauswirtin Elisabeth Scharfetter mit Rupert Scharfetter, ihrem zweiten Ehemann. Er hat sie im Rahmen der „Krimmler Judenflucht“ tatkräftig unterstützt
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In der jüngeren Vergangenheit war das Thema Flüchtlinge noch nie so präsent wie gerade jetzt. Gefragt ist Menschlichkeit, gepaart mit sinnvollem Handeln. Eine, die das vor fast 70 Jahren bei der „Krimmler Judenflucht“ vorgezeigt hat, war Elisabeth Scharfetter, Wirtin im Krimmler Tauernhaus

Ein Rückblende in das Jahr 1947

Im Gelände der heutigen Kaserne der Pinzgauer Stadtgemeinde Saalfelden halten sich in einem Flüchtlingslager zahlreiche Juden, die den Holocaust irgendwie überlebt haben, als sogenannte „Displaced Persons“ auf. Es ist ihnen nicht erlaubt, auf legalem Weg nach Palästina zu reisen. Insgesamt sind es mehrere tausend Menschen - Männer, Frauen, Kinder, Säuglinge. Den Mitgliedern einer illegalen jüdischen Transportorganisation gelingt es jedoch, die vielen Menschen über einen uralten Pfad, der über den Krimmler Tauern führt, nach Südtirol und dann weiter nach Genua zu bringen, von wo aus sie per Schiff weiterreisen können. Die Aktion wird von der Obrigkeit zwar nicht offiziell, aber stillschweigend geduldet.

Die Fäden laufen bei Marko Feingold zusammen

Herausragende Protagonisten der von vielen selbstlosen Menschen mitgetragenen Aktion sind die Juden Marko Feingold und Viktor Knopf sowie die Katholikin Elisabeth Scharfetter, geborene Unterwurzacher.
Der heute noch lebende und nach wie vor so unfassbar aktive Marko Feingold ist der Hauptorganisator; bei ihm laufen alle Fäden zusammen. Bergführer Viktor Knopf begleitet die Gruppen, die aus etwa 60 bis 280 Leuten bestehen, im Schutz der Dunkelheit und bis zu dreimal pro Woche über den steilen und gebirgigen Pfad - alles andere als ein Spaziergang. Festes Schuhwerk oder gar Regenschutz gibt es nicht. Babys und Kleinkinder werden in von Pferden getragene Schachteln und Kisten gepackt.

Und die Krimmlerin „Liesl“?

Und die Krimmlerin „Liesl“? Die gelernte Köchin ist seit 1932, seit ihrer Heirat mit Friedrich Geisler, die Wirtin im auf 1.631 Metern Seehöhe gelegenen Tauernhaus. Dieses dient seit dem Spätmittelalter jenen Menschen, die aus welchen Gründen auch immer im Gebirge unterwegs sind, als Raststätte und Herberge.
Das Leben stellt die Wirtin vor schwierige Herausforderungen: Die materielle Not der Vorkriegs- und Kriegsjahre; der Gatte muss einrücken. Nach einiger Zeit darf er zwar wieder heim, stirbt aber 1943 bei einem Arbeitsunfall. Der jüngere, zweitgeborene Sohn der Witwe ist zu diesem Zeitpunkt vier Jahre alt. Auch um den kleinen Buben ist sie bald stets in Sorge, denn die nach Kriegsende in großer Zahl von der anderen Seite des Tauernkamms heimkehrenden Soldaten hinterlassen in der Umgebung immer wieder Patronen, Waffen und andere für ein Kleinkind gefährliche Dinge. Doch bereits in dieser turbulenten und sorgenvollen Zeit zeigt Elisabeth Geisler ihr Engagement und ihre Menschlichkeit: Sie versorgt die ersten Heimkehrer mit Essen und mit Kleidungsstücken ihres verstorbenen Mannes - freilich werden es innerhalb kurzer Zeit immer mehr und mehr und zum Leidwesen der Wirtin reichen die vorhandenen Möglichkeiten bei weitem nicht für alle Heimkehrer.

Eine neue Liebe als große Stütze

Doch auch in dramatischen Zeiten passiert Schönes: Die Tauernhaus-Wirtin kann sich über eine neue Liebe freuen; 1946 heiratet sie Rupert Scharfetter. Er ist ihr eine große Stütze - auch bei der „Krimmler Judenflucht“: Während sie selber mit viel Empathie, Mütterlichkeit und Herzensgüte die flüchtenden Menschen betreut und vor allem auch für die Kinder unentwegt Süppchen, Brei und andere warme Mahlzeiten kocht, hilft der Gatte tatkräftig beim Organisieren mit, bringt zum Beispiel Konserven und Suppenzeug, das von der amerikanischen Besatzung zur Verfügung gestellt wird, mit dem Pferd über das kilometerlange Achental ins Tauernhaus.

Neid in der Bevölkerung

Apropos Konserven: Wie Sohn Adi Geisler - mittlerweile bereits selber Seniorwirt vom Tauerhaus - weiß, schüren die Lebensmittel für die Flüchtlinge teilweise auch Neid bei der oft notleidenden heimischen Bevölkerung. Manche Leute glauben sogar, für die Tauernhaus-Wirtsleute schaue ein Gewinn heraus... Dass dem keinesfalls so gewesen ist, beweisen auch die herzlichen Lobesworte, mit denen die 1986 verstorbene Elisabeth Scharfetter von Marko Feingold höchstpersönlich bedacht worden ist.

"Das jüdische Volk erinnert sich..."

Auch die „Jewish Agency for Israel“, die heutige offizielle Einwanderungsorganisation des Staates Israel, hat die Tauernhauswirtin posthum geehrt und zwar „für ihr couragiertes und humanitäres Wirken während des Sommers 1947, als sie tausenden Holocaust-Überlebenden auf deren Reise nach Israel geholfen hat... Das jüdische Volk erinnert sich innig ihrer großzügigen und herzlichen Zuwendung.“

Dieser Bericht entstand für das Bezirksblätter-Magazin "Salzburger G'schichten". Nachfolgend noch zwei Artikel daraus mit großem Pinzgau-Bezug:

Warum unser Salzburger Wasser so gut schmeckt und so einwandfrei ist:
http://www.meinbezirk.at/pinzgau/lokales/darum-schmeckt-unser-wasser-so-gut-zu-besuch-auf-einer-pinzgauer-alm-und-im-labor-d1894113.html

Leopold Kohr und der Oberpinzgauer Verein Tauriksa:
http://www.meinbezirk.at/pinzgau/lokales/philosoph-der-kleinheit-leopold-kohr-und-die-erben-seines-geistigen-nachlasses-d1894275.html

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