Mittendrin im Weltcup!

SAALFELDEN/SAALFELDEN. Wenn bunte beklebte Vans mit getönten Scheiben, nigelnagelneue Mountainbikes und Wohnmobile mit gelben Kennzeichen in Leogang einrollen, dann kann das nur eines bedeuten: Es ist wieder Mountainbike Weltcup! Für mich bedeutet das ein langes Wochenende voller Campingromantik, Bike-Idolen, lustigen Kollegen und seltsamen Pinzgauer Bräuchen.

Wenig Wohnraum

Die geschätzten fünf Kubikmeter Innenraum meines silbernen VW Buses warten zu Hause darauf vollgepackt zu werden. Normalerweise eine fast unlösbare Aufgabe für jemanden wie mich, der mit spartanisch wenig Gepäck reist. Heißt das Ziel allerdings „Leogang“ und der Reisezweck „Downhill-Weltcup“, dann wird die Befüllung bis unters Dach ein Kinderspiel. Schlafsack, Iso-Matte, Mountainbike, Ersatzteile, Radbekleidung, und und und.

Mini-Schlafplatz

Von der unendlichen Weite des Innenraums bleibt gerade noch ein Schlurf als Schlafplatz frei. Anhand der Packliste könnte man darauf schließen, dass meine Profession Downhill-Racer oder Betreuer ist. Weder noch. Meine Mission ist verdeckter, etwas weniger gefährlich und weitaus lustiger. Ich bin für dieses Wochenende „Volunteer“.

Vorfreude

Schon bei der Fahrt nach Leogang verpfeifen sich die Gedanken an Vorlesungen, Klausuren und sonstigem Studenten-Zeugs aus meinem Kopf. Spätestens bei der Ortseinfahrt Leogang und dem Anblick der ersten Teamfahrzeuge steigt die Vorfreude auf die Action am Wochenende. Mit glänzenden Augen, wie bei einem Kleinkind das gedankenverloren eine Kugel Eis aus der Tüte verliert, blicke ich den soeben einfahrenden Teamtrucks nach. Die nette Dame an der M-Preis Kassa, wo ich noch Zahnbürste und –pasta kaufe, muss mir den Preis zweimal nennen um zu mir durchzudringen.

Früher Wochenendbeginn

Am Donnerstag fängt das Wochenende an. Alle sind mit Anreise oder Aufbau beschäftigt. Erstaunlich wie gut gefüllt die zum Campingplatz umfunktionierte Wiese gegenüber dem Salzburger Hof bereits ist. Wohnmobile und allerhand abenteuerlich bepackte Gefährte mit Kennzeichen, die man sonst nur im Urlaub zu Gesicht bekommt.

Campingromantik

Ein Sammelsurium an engagierten Privatfahrern und Hardcore-Sympathisanten. Die tschechischen Fans in der Parzelle nebenan sind mir bereits aus dem Vorjahr bekannt. Der belegte Grill und ein paar gekühlte Dosen Bier lassen jetzt schon auf eine Nacht voller lautstarker Campingromantik schließen. Ich grüße freundlich, bekomme ein müdes Nicken zurück, schmeiße die Bus-Türe zu und gehe erst mal einchecken.

Infrastruktur für Weltcup

Es wuselt überall am Gelände rund um die Leoganger Bergbahnen. Zelt-Pavillons werden auseinander gezogen, Kabeln gelegt, Mensch und Material auf den dunkelblauen Pick-Ups transportiert. Freiwillige Helfer werden überall benötigt. Streckensicherung, Gastro, Videowall-Aufbau. Mit meinem nicht vorhandenen handwerklichen Geschick ist mein Einsatzbereich allerdings dort, wo der EDV-Techniker „Murks“ gerufen wird und hauptsächlich Personen und Zettel zu betreuen sind. Das Pressecenter-Team begrüßt mich so freundlich, als hätte ich erst letzte Woche ausgeholfen. Dabei ist seit dem letzten „Volunteer“-Einsatz schon wieder ein ganzes Jahr vergangen.

Pesseleute versorgen

Die Mission für die nächsten drei Tage im Keller des Salzburger Hofs kenne ich bereits: Fotografen und Journalisten betreuen und füttern. Die Nahrungsaufnahme hat dabei oberste Priorität. Wenn die Renn-Action draußen auf der Strecke Pause hat, geht es im Pressecenter erst richtig los. Parallelen zur Raubtierfütterung in Schönbrunn sind nicht zu leugnen – ausgehungert und matschverschmiert.

Fisch n' Chips vs. Gulasch

Der engagierte Volontär sollte dabei nicht nur flink im Nachfüllen der Speisen sein, sondern auch stets kompetent über das angebotene Essen bescheid wissen. Zum Beispiel wie man den Fish’n’Chips gewohnten britischen Kollegen „Gulasch“ erklärt oder was für eine Art Fleisch sich in demselbigen befindet.

Informieren, informieren, informieren

Ein weiterer Auftrag für das Wochenende lautet: Die Schützlinge im Pressecenter stets gut zu betreuen, zu informieren und ihnen den Aufenthalt so angenehm als möglich zu gestalten. „Accreditation?“ – „In the building opposite from us!“. „Results?“ – „Over there!“. „Showers?“ – „Beneath the gondola.“. Keine Frage bleibt unbeantwortet, die Medienvertreter sind rundum zufrieden. Manchen gefällt es sogar dermaßen gut, dass sie nicht einmal bei Dienstschluss um 22 Uhr nach Hause möchten.

"Afficionados"

Für Mountainbike-Afficionados wie mich bietet der Job als freiwilliger Helfer einen tollen Einblick in die Abläufe eines Weltcup-Events. Man ist live dabei, wenn sich die Fahrer bei den ersten Trainingsläufen an die Strecke herantasten, läuft Weltmeistern in der Expo-Area vor dem ersten Kaffee über den Weg und bekommt die Emotionen bei Teambesprechungen hautnah mit. Wer sich selbst nicht als Mountainbike-Freak tituliert, dem bleibt die Mitarbeit in einem unglaublich netten Team wo der Spaß nie zu kurz kommt und meist ein paar neue Leoganger Freunde. Und schließlich wird den Helfern für ihre Leistung auch etwas geboten. Da wäre zum einen der gratis Eintritt zu den Rennen selbst. Zeit zum Bestaunen der waghalsigen Fahrmanöver bleibt meist nach Absprache mit dem Teamleiter auch. Zudem ist für ausreichend Verpflegung gesorgt, serviert mit Bundesheer-Charme im einzigartigen Ambiente der Leoganger Tiefgarage.

Kreative Nutzung der Parkgarage

Überhaupt wird eine Tiefgarage selten so kreativ genutzt wie hier. In dieser originellen Location findet auch die Ö3-Party statt zu der man als Helfer eingeladen wird und die man sich keinesfalls entgehen lassen sollte. Die Feier mag zwar nicht mit hohem Niveau glänzen, den einzigartigen Culture-Clash muss man aber miterleben: hier trifft die feierlustige Jugend der Region mit landwirtschaftlichem Background auf weitgereiste und meist englischsprachige Downhill-Fahrer und deren Team-Mitglieder. Verständigungs-Highlights sind vorprogrammiert! Pinzgauer Bräuche – wie Gummibärchen im „Flügerl“ – quittieren die Globetrotter mit einem überraschten aber wohlwollenden Lächeln.

Sprachbarrieren

Nach einer derartigen Fete tangieren mich dann nicht einmal meine tschechischen Nachbarn am Campingplatz, die lautstark Anfeuerungsrufe für das Rennen am nächsten Tag proben. Dafür fallen mir am nächsten Morgen die banalsten Aufgaben im Pressecenter schwer. Statt „Topf“ verstehe ich „Schöpfer“, organisiere das Utensil in der Hotel-Küche und wundere mich anschließend, worin wir jetzt unser Gulasch bunkern sollen. Die Aufteilung der Startlisten in die richtigen Fächer wird ohnehin zur intellektuellen Höchstleistung. Bis Mittag funktioniert aber wieder alles auf gewohntem Niveau.

"Volunteer" sein, echt lässig

Die frische Luft an der Rennstrecke tut mir gut. Und als der Kanadier Steve Smith im letzten Rennen noch den Gesamtweltcup ergattert, wäre ich schon wieder bereit für die nächste Party. Wie das mit schönen Wochenenden aber nun mal so ist, sind sie viel zu schnell vorbei. Siegerehrung, Pressekonferenz, Abbau und im VW Bus retour nach Graz. Spätestens wenn die Gedanken an Klausuren, Vorlesungen und Noten kommen, freue ich mich schon wieder auf das nächste Jahr als „Volunteer“ in Leogang – ein Wochenende voller Weltcup-Flair, netten Leuten und Pinzgauer Eigenheiten.

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