Ausländer-Witze sind auch eine Art von Humor

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Was war es an dem Roman "Funny Girl", das Sie dazu bewogen hat, mit dem Autor Anthony McCarten Kontakt aufzunehmen und ihn zu fragen, ob er bereit wäre, eine Bühnenfassung zu schreiben?
CARL PHILIP VON MALDEGHEM:
Der Autor ist seit vielen Jahren ein Grenzgänger. Er nimmt sich ernster Themen an, aber er baut immer ein Lachen dort ein, wo man es am wenigsten erwarten würde. Und er ist einer jener modernen Autoren, die ihre Geschichte einmal als Roman und einmal als Filmskript oder Bühnenfassung schreiben. Sein Roman "Funny Girl", ist übrigens nur auf Deutsch erschienen – und das obwohl er ein englischsprachiger Autor ist. Er ist einer von denen, die nur das machen, was sie wollen – und zwar mit wem sie wollen. Er hatte zum Beispiel alle Rechte an diesem Roman an den Diogenes Verlag übertragen – handschriftlich auf einer Serviette. Das beantwortet jetzt aber noch nicht Ihre Frage ...

Richtig :-).
CARL PHILIP VON MALDEGHEM:
In meiner eigenen Annäherung an den Islam empfand ich es als überfällig, einen Einblick in die Perspektive junger Muslime zu gewinnen, die keine Islamisten sind. Nach jedem Anschlag frage ich mich: Wo sind diese Leute, wann stehen sie auf und sagen etwas? In dem Roman geht es um die innere Zerrissenheit einer jungen Muslimin zwischen Tradition und Moderne. Und das fand ich spannend.

Wird das Stück, die Inszenierung auch ein politisches Statement von Landestheater-Intendant Carl Philip von Maldeghem sein?
CARL PHILIP VON MALDEGHEM:
Ja, klar. Damit erzählen wir auf der Bühne ein bestimmte Geschichte, die sonst so nicht erzählt werden würde. Diese Geschichte gibt uns Einblick in das Gefühlsleben einer jungen Muslimin. Das haben wir nicht jeden Tag. Hinzu kommt, dass unsere beiden Hauptdarsteller – Elisa Afie Agbaglah und Rahmi Özgündüz – nicht den klassischen deutschsprachigen, weißen Mittelschicht vertreten. Bisher haben wir auf der Bühne stets uns selbst abgebildet. Rahmi Özgündüz, ein junger Kurde, hat uns in der Bearbeitung beraten. Ich empfinde es immer als merkwürdig, wenn wir als Europäer uns von außen anmaßen, etwas über eine andere Kultur zu erzählen. Damit hat das Stück natürlich eine hohe Autentizität. Und so konsequent waren wir bisher nicht.

Viele Menschen in Österreich, in Salzburg, fürchten sich vor dem Fremden, vor dem Islam, vor einer Veränderung der Gesellschaft. Sie nicht?
CARL PHILIP VON MALDEGHEM:
Wir müssen über unsere eigenen Grundwerte nachdenken, und über Ängste muss man reden. Gesellschaftliche Entwicklungen kann man nur gemeinsam umsetzen. Die Wahrheit liegt in der Mitte zwischen jenen, die meinen, man darf Zuwanderer in keinem Punkt kritisieren und jenen, die finden, jeder, der fremd aussieht, muss sofort raus.

Kann Theater etwas zum gesellschaftlichen Diskurs beitragen? Erreichen Sie damit nicht nur wieder diejenigen, die anderem ohnehin offen gegenüber stehen?
CARL PHILIP VON MALDEGHEM:
Ersteres ja, letzteres glaube ich nicht. Die Überraschung im Vorjahr war für mich, dass das Salzburger Bildungsbürgertum die Flüchtlingsaufgabe nahezu umarmt hat. Große christliche Bewegungen sind auf die Flüchtlinge zugegangen, das hat mich überrascht. Dass FPÖ-Wähler nicht unsere Hauptklientel sind, ist eine andere Wahrheit.

In dem Stück spielt Humor eine große Rolle. Wie gut passen Humor und Angst zusammen?
CARL PHILIP VON MALDEGHEM:
Wunderbar. Wenn man gemeinsam lachen kann, ist die Angst schon überwunden – wenn man sich den Ängsten stellt und Witze machen kann. Und genau das passiert ja der Hauptfigur in "Funny Girl". Aus dem Zusammenbruch heraus steht sie auf und sagt, was ihr als junger Muslimin wichtig ist. Und das wird sehr cool vorgetragen. Wenn man es schafft, Menschen einen Witz zu erzählen, dann verwandelt man sie in eine Wertegemeinschaft.

Gilt das auch für Ausländer-Witze?
CARL PHILIP VON MALDEGHEM:
Das ist auch eine Art von Humor, und es sind auch ein paar dieser Witze in dem Stück drinnen. Unsere Hauptdarstellerin – Elisa Afie Agbaglah, deren Vater aus Ghana stammt, – hat einen begnadeten Humor und hat uns viele Witze über Schwarze erzählt. Es kommt ja auch immer darauf an, wer solche Witze mit welcher Absicht erzählt.

Was ist Ihr Ziel bei der Inszenierung? Die Menschen zum nachdenken zu bringen? Sie einfach gut zu unterhalten?
CARL PHILIP VON MALDEGHEM:
Ich möchte den aktuellen gesellschaftlichen Diskurs aufgreifen. Ich möchte die Menschen dazu bringen, sich zu überlegen: Was wäre, wenn ich das wäre? Alleine das verändert schon etwas. So wie ein zeitungsartikel, den man in zwei Minuten gelesen hat. Bei uns dauert es halt zweieinhalb Stunden und ist vielleicht etwas umfangreicher und emotionaler. Wenn die Zuschauer dabei auch noch unterhalten werden: Umso besser. Das Stück ist jedenfalls ein Plädoyer für eine tolerante, vielfältige Gesellschaft.

FUNNY GIRL: Komikerin in der Burka
Das Stück aus der Feder des neuseeländischen Autors Anthony McCarten kommt am 5. Februar als Uraufführung auf die Bühne des Salzburger Landestheaters – in einer vom Autor adaptierten Bühnenfassung. Inszeniert wird "Funny Girl" von Intendant Carl Philip von Maldeghem.
Zum Inhalt: Die schüchterne Azime – gespielt von Elisa Afie Agbaglah –, 20, aus kurdischer Familie, wächst in London auf. Ost und West, Islam und Säkularismus, Burka und bauchfrei – in Azimes beiden Welten gibt es klare Regeln, wie sie zu sein hat und was sie darf. Zwischen den Welten knirscht es gewaltig. Azime beginnt nachzuforschen. Als Terroranschläge in der U-Bahn hunderte Opfer fordern, weiß sie, dass sie ihre Stimme erheben muss. Auf ihre Art. Heimlich besucht sie einen Comedy-Kurs, schlüpft in eine Burka und tritt auf: als weltweit erste muslimische Komikerin. Der Auftritt ist wie Sprengstoff. Ihre Familie verstößt sie, die englische Presse feiert sie als Sensation, im Internet hagelt es Morddrohungen. Es wird ernst. Und doch immer komischer.

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