Billig kommt uns teuer zu stehen

EZA-Geschäftsführerin Andrea Schlehuber: Fair Trade-Kaffee macht 38 Prozent ihres Gesamtumsatzes aus. Im Bild: Arabica Hochlandkaffee "Adelante" aus Honduras, der ausschließlich von Frauen produziert wird.
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  • EZA-Geschäftsführerin Andrea Schlehuber: Fair Trade-Kaffee macht 38 Prozent ihres Gesamtumsatzes aus. Im Bild: Arabica Hochlandkaffee "Adelante" aus Honduras, der ausschließlich von Frauen produziert wird.
  • hochgeladen von Stefanie Schenker

Es gibt einen Trend zu Gemeinwohl-Ökonomie. Ist das auch ein "faireres" Wirtschaften?
ANDREA SCHLEHUBER:
Die Bilanz eines Gemeinwohl-Unternehmens misst nicht nur den finanziellen Erfolg, sondern auch das soziale und umweltpolitische Engagement. Man kann nämlich einen Riesen-Profit machen und trotzdem großen Schaden anrichten. Deshalb sehen wir diesen Trend sehr positiv.

Wie wichtig sind Supermärkte für Fair-Trade?
ANDREA SCHLEHUBER: Sehr wichtig, wir verkaufen fast zwei Drittel unseres Kaffees – mit 38 Prozent Anteil unser größter Umsatzbringer – und 35 Prozent unseres Gesamtumsatzes von 16 Millionen Euro über Supermärkte. Und: Viele Neukunden gewinnen wir über die Supermärkte. Und dieser Trend steigt weiter an.

In welchen Bereichen gibt es noch zu wenig fairen Handel?
ANDREA SCHLEHUBER: Noch viel zu wenig gibt es im gesamten elektronischen Bereich, bei Handys oder Autos. Das sind aber auch sehr komplexe Produktionsbereiche. Einiges getan hat sich im Fair-Fashion-Bereich. Bis zum Vorjahr gab es nur ein "Fair-Cotton"-Siegel, jetzt kann man die ganze Produktionskette – vom Faden bis zur eingesetzten Farbe – als fair zertifizieren lassen. Was es seit Kurzem gibt, ist fair gehandeltes Gold. Immer mehr Menschen erkennen die globalen wirtschaftlichen Zusammenhänge und wollen die Welt ein Stück weit besser machen – zum Beispiel Familienväter an entscheidenden Stellen von Produktionsketten.

Es hängt wohl auch am Konsumenten?
ANDREA SCHLEHUBER: Ich denke nicht, dass wir diese Verantwortung nur den Konsumenten umhängen dürfen. Es sind auch die Produzenten und die Politik gefragt. Wir brauchen Strukturen, in denen faires Gebaren im internationalen Handel ein Kriterium ist. Wir arbeiten mit dem Fair Trade Advocacy Office in Brüssel zusammen. Sie fordern die Parlamentarier auf, sich für den fairen Handel einzusetzen.

Leben wir in Österreich, in Europa auf Kosten anderer?
ANDREA SCHLEHUBER: Wenn für manche Rohstoffe wie Kaffee nicht einmal die Produktionskosten gezahlt werden, dann geben Menschen in Südamerika diese Produktion auf, wandern in Hauptstädte und wenn sie dort kein Auskommen finden, ziehen sie weiter. Das Gleiche gilt für die Kakao-Produktion in Westafrika. Die Menschen geben auf, ziehen weg und suchen ihr Glück anderswo. Die Mutigen ziehen in Richtung Europa.

Sind wir also "selber schuld", wenn sich Menschen auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen auf den Weg nach Europa machen?

ANDREA SCHLEHUBER: Warum gehen Weltmarktpreise rauf und runter? Weil Aktienfonds damit spekulieren. Investoren, die sich über Gewinne aus Spekulationen am Weltmarkt freuen, freuen sich zu früh. Denn die Probleme der Produzenten werden irgendwann zu unseren Problemen. Wir können nicht einfach eine Mauer um Europa herum bauen – denn dann müssten wir auch autark wirtschaften. Ja, ich denke, wir haben einen Anteil an dieser Schuld. Auch wenn in vielen Ländern dieser Welt die Eigenverantwortung von den eigenen Regierungen nicht wahrgenommen wird. Aber ja, im internationalen Handelssystem haben wir eine Mitverantwortung.

Heimische Bauern können von fairen Preisen nur träumen. Lässt sich fairer Handel auch hier anwenden?
ANDREA SCHLEHUBER: Ja, das lässt sich übertragen und das passiert ja auch zum Teil. Wenn Bauern keinen angemessenen Preis für ihre Produkte erhalten, dann sinkt auch die Qualität. Billig kommt uns teuer zu stehen, vor allem in der Tierhaltung. Jede Schulklasse müsste in einen Schweinestall geführt werden, dann würde sich vielleicht etwas ändern.

Ist Fair Trade für Frauen besonders wichtig?
ANDREA SCHLEHUBER: Eines von zehn Kriterien für fairen Handel ist Gendergerechtigkeit und dass Frauen beteiligt sein müssen. Wir haben zum Beispiel den Kaffee "Adelante", der in Honduras von 69 Frauen produziert wird. Wenn Frauen in so einem Land, das ja vom Machismo geprägt ist, plötzlich über das Familieneinkommen verfügen, dann profitiert die gesamte Gesellschaft, weil sie das Geld in die Ernährung und Ausbildung ihrer Kinder stecken. Wir haben aber auch aus anderen Ländern solche Beispiele. Es ist erwiesen: Wenn man Frauen fördert, fördert man die gesamte Gesellschaft.

Sind Frauen vernünftiger als Männer?
ANDREA SCHLEHUBER: Ich weiß es nicht. Aber ein Beispiel: Einmal ging es darum abzustimmen, ob mit dem vorhandenen Geld ein Fußballfeld oder ein Brunnen finanziert werden sollte. Die Männer haben sich für's Fußballfeld entschieden, weil das Wasser ja ohnehin die Frauen tragen müssen und nicht sie.

Interessiert an mehr Chefinnen-Gesprächen? Hier geht es zur Interview-Reihe "Chefinnen-Gespräch".


ZAHLEN, DATEN, FAKTEN ZU EZA FAIRER HANDEL

EZA Österreich mit Sitz in Köstendorf betreibt drei Weltläden, darunter jenen in der Linzer Gasse und einen Fair Fashion laden in Wien. Daneben gibt es 86 unabhängige Weltläden. Von 55.000 Tonnen Röstkaffee, die jährlich in Österreich verkauft werden, sind 3.000 Tonnen Fair-Trade-Kaffee, 550 Tonnen davon verkauft EZA.
92 Prozent der Österreicher kennen fairen Handel. Der Gesamtumsatz von fairem Handel liegt in Österreich bei 185 Millionen Euro. Der EZA-Jahresumsatz beträgt 16 Millionen Euro. 38 Prozent davon entfallen auf Kaffee, 15 Prozent auf Schokolade, 16 Prozent auf Fair Fashion und 12 Prozent auf Kunsthandwerk. EZA vertreibt fast zwei Drittel seines Kaffees und 35 Prozent seines Gesamtumsatzes über Supermärkte.

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