"Eine Hassliebe zu Thomas Bernhard"

Foto: OeNB

TRAUNKIRCHEN. Wie sieht es mit der Zukunft der Wirtschaft aus? Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny im Interview mit der BezirksRundschau Salzkammergut.

Ewald Nowotny ist ein ausgezeichneter Wirtschaftsexperte: Er war Professor an der WU Wien, Finanzausschussvorsitzender des Nationalrates, Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank, Generaldirektor der BAWAG P.S.K und ist seit acht Jahren Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Mit dem Salzkammergut verbindet ihn seit vielen Jahren sein Zweitwohnsitz in Traunkirchen.

BezirksRundschau: Herr Gouverneur, Sie sind durch Ihre vielen beruflichen Stationen ein exzellenter Wirtschaftskenner. In welchen Bereichen sehen Sie gute Zukunftschancen für die Wirtschaft und für Arbeitsplätze?
Nowotny: Österreichs Wirtschaft wird in den Jahren 2016 und 2017 so stark wie jene des Euroraumes wachsen und die Wachstumsschwäche hinter sich lassen. Der Standort Österreich bleibt nach wie vor attraktiv. Österreich war in der Vergangenheit immer schon flexibel und anpassungsfähig. Ich sehe derzeit gute Chancen für den Bereich Biotechnologie. Aber auch im Bereich Industrie haben wir hervorragende Unternehmen, Leitbetriebe, die wiederum Motor für Entwicklungen sind. Wichtig ist, dass wir auch die Chancen der Digitalisierung nutzen.

Welche Wirtschaftssektoren sollten seitens der öffentlichen Hand forciert werden - z.B. durch spezielle Förderungen?
Ich möchte hier keinen speziellen Sektor hervorheben. Generell glaube ich, dass die öffentliche Hand zwei Dinge tun muss: Erstens für eine gute Infrastruktur zu sorgen. Und zweitens ist es wichtig in Bildung und Forschung zu investieren. Hier gibt es genug Herausforderungen für die Regierung.

Sie kennen ja das Salzkammergut und den Bezirk Gmunden recht gut. Wo sehen Sie in unserer Region wirtschaftliche Zukunftschancen?
Es gibt gerade im Raum Vöcklabruck-Lenzing Unternehmen mit weltweit führender Technologie, die auch Ausstrahlungskraft für die gesamte Region haben. Im inneren Salzkammergut wird es wohl vor allem darum gehen, über den Fremdenverkehrsbereich hinaus speziell kleine und mittlere regionale Unternehmen mit innovativen Perspektiven im Dienstleistungs- wie im Sachgüterbereich zu unterstützen.

Immer wieder hört man aus Wirtschaftskreisen, dass gute Ausbildung die Berufs- und Karrierechancen erhöht. Sehen Sie im österreichischen Bildungssystem Mankos? Gibt es aus Ihrer Sicht Verbesserungspotential?
Gerade aufgrund der wachsenden Komplexität von Finanzthemen würde ich mir wünschen, dass vor allem die Bildung im Bereich des Finanzwissens gerade bei der jungen Bevölkerung noch weiter ausgebaut wird.
Die OeNB forciert bereits die Finanzbildung von Schülerinnen und Schüler durch Vorträge und Workshops an Schulen. Mit Beginn des Schuljahres 2015/2016 wurde die Finanzbildungsplattform www.eurologisch.at veröffentlicht, die die unterschiedlichen Finanzthemen für Schülerinnen und Schüler anschaulich aufbereitet.

Gerade jetzt gibt es eine Diskussion über die Abschaffung von Bargeld, weil der Zahlungsverkehr immer öfter bargeldlos abgewickelt wird. Hat das Bargeld noch Zukunft?
Eine der grundlegenden Aufgaben des Eurosystems ist die Förderung eines reibungslosen Zahlungsverkehrs. Der Verwendung der verschiedenen Zahlungsmittel (Bargeld, Überweisungen, Kreditkarte etc.) steht das Eurosystem zwar neutral gegenüber, dennoch hat es eine besondere Verantwortung für Bargeld, da es für die Ausgabe von Euro-Banknoten zuständig ist.
Bargeld ist auch immer noch ein äußerst beliebtes Zahlungsmitte in ganz Europa und vor allem in Österreich. Der Bargeldumlauf in den Euroländern nimmt stetig zu, Ende Februar 2016 betrug dieser 1,088 Billionen Euro. Nicht zuletzt hat das Eurosystem durch die Ausgabe der neuen Euro-Banknotenserie ein klares Bekenntnis zur Zukunft des Bargelds abgegeben.
Ich persönlich glaube, dass Bargeld ein unerlässliches Zahlungsmittel im Wirtschaftskreislauf ist. Eine Abschaffung von Bargeld kann ich mir nicht vorstellen.

Stichwort Euro: Hat er Ihrer Meinung nach Zukunft?
Um diese Frage zu beantworten, kann man auch schon in die jüngste Geschichte des Euro zurückblicken: Ohne der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, zu welcher auch die Gemeinschaftswährung Euro gehört, hätte sich die 2007 einsetzende weltweite Wirtschaftskrise für Europa wesentlich dramatischer ausgewirkt.
Keine nationale Notenbank hätte bei nicht funktionierenden Geld- und Kapitalmärkten und hoher Volatilität so rasch und massiv mit zusätzlicher Liquidität reagieren können, wie es die Europäische Zentralbank (EZB) tat. Aus (volks-)wirtschaftlicher Perspektive wäre eine Abschaffung des Euro für die Eurozone und auch Österreich mit großen Nachteilen verbunden.
Also für die historisch gesehen kurze Zeit des Bestehens – seit 2002 als Bargeld – ist der Euro sicher eine Erfolgsgeschichte.

Ein Thema, das in aller Munde ist: Flüchtlinge und Migration. Der OeNB-Jubiläumsfonds scheibt gerade einen Forschungsschwerpunkt um eine Million Euro zum Thema "Migration, Arbeitsmarkt und Wirtschaftswachstum" aus. Warum?
Die Flüchtlingskrise stellt Europa und Österreich vor große Herausforderungen. Vor allem politisch ist dies eine sehr heikle Diskussion. Die OeNB nimmt diesen Anlass, um durch ihre Forschungsförderungen einen Beitrag bei der schwierigen Suche nach konstruktiven und ökonomisch sinnvollen Lösungsansätzen bzw. Handlungsalternativen für Europa leisten zu können. Es geht uns darum, diese Debatte nicht nur auf politischer und emotionaler Ebene zu führen, sondern mit unserem Beitrag auch zur Versachlichung der Diskussion beitragen können.

Eine persönliche Frage noch: Sie lesen gerne Thomas Bernhard, der ja im Bezirk Gmunden seine Wahlheimat hatte. Was fasziniert Sie an Bernhard?
Mit Thomas Bernhard verbindet mich – durchaus in seinem Sinne – eine Hass-Liebe. Ich bewundere seine Sprachgewalt, ich bin oft intellektuell enttäuscht von seiner „Übertreibungs-Kunst“ – und ich bin menschlich berührt von seinem Weg als „Suchender“.

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