Ernüchterndes Ergebnis der 10. Pädagogischen Fachtagung in St. Pölten
Je mehr wir in Kindergarten und Schule dokumentieren, testen und evaluieren, desto weniger Beziehungsarbeit und Bildungsqualität vor Ort
ST. PÖLTEN (red). Die 10. Pädagogische Fachtagung der Interessenvertretung der NÖ Familien beschäftigte sich in St. Pölten mit der „Wegsuche zur Qualitätssicherung in der Arbeit mit Kindern in Kindergarten, Tagesbetreuungseinrichtungen und Schule“.
Betont offen beleuchtete Johann Heuras, 2. Präsident des NÖ Landtages, in seiner Eröffnungsansprache die Situation in unseren Bildungsinstitutionen. „Was ist denn da passiert, dass Qualität nachlässt, je mehr von Qualität, von Sicherung, von Kompetenz gesprochen wird? Es reicht nicht, zu testen, zu standardisieren, zu evaluieren, sondern entscheidend in unserem erzieherischen und pädagogischen Zugang ist die Persönlichkeit des Pädagogen und der Pädagogin.“
Zustimmend bekräftigte Josef Grubner, Präsident der Interessenvertretung der NÖ Familien, in seiner fachlichen Einführung: „Die qualitätsvolle Arbeit von gut ausgebildeten Pädagoginnen und Pädagogen ermöglicht Bildung. Der Fokus auf ein vorwiegend an das System gerichtetes Qualitätsmanagement führt nicht zu einer Verbesserung der pädagogischen Arbeit.“
In seinem Impulsreferat berichtete Egyd Gstättner, Journalist und Publizist, über die vielfältigen Reaktionen zu seinem im Jänner dieses Jahres veröffentlichten Gastkommentar in der Presse „Ich qualitätssichere nicht, ich arbeite!“. Viele Professionisten seien unzufrieden darüber, dass wertvolle Arbeitszeit für Dokumentations‐ und Statistiktätigkeiten verloren geht. „Vor lauter Evaluieren und Dokumentieren kommen die Pflegerinnen und Pfleger nicht mehr zum Pflegen, die Lehrer nicht mehr zum Lehren.“
Mit seinem Beitrag „Normal ist, verschieden zu sein! Qualitätssicherung – Benefit für das Kind!?“ forderte Martin Jäggle, langjähriger Dekan der Katholisch‐Theologischen Fakultät der Universität Wien, jedem Kind seine Zeit für seine Entwicklung und für seinen Bildungsweg zu ermöglichen. „Eine Qualitätssicherung, die durch Vorgaben bewusst oder unbewusst einengt, ist gegen das Kind gerichtet und verhindert Bildung.“
In den Tischrunden tauschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer darüber aus, inwieweit die vorgegebenen Qualitätssicherungsmaßnahmen für die eigene Arbeit als förderlich erlebt werden. Resümierend steht das ernüchternde Ergebnis: „Unsere Pädagoginnen und Pädagogen brauchen mehr Zeit für das Kind und weniger bürokratische Vorschriften von außen!“
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