Friedrich Ch. Zauner: "Sagt der Petrus Grüß Gott, wenn ich komme? Ich glaube nicht"

Friedrich Zauner (80) wirkt seit 60 Jahren als Schriftsteller: "Mein Ziel ist es, ein Leben zu führen, für das ich mich nicht 23 Mal am Tag entschuldigen muss."
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RAINBACH (ska). Friedrich Zauner zählt zu den bedeutendsten Autoren der deutschen Gegenwartsliteratur. Im Innviertel erlangte er vor allem durch die Evangelienspiele Bekanntheit. Im BezirksRundschau-Interview spricht der nun 80-Jährige über den Tod. Darüber, warum er keine Angst vorm Vergessenwerden hat. Und warum er ein Gesichtenerzähler, kein Bibelschreiber ist.

Herr Zauner, glauben Sie an Gott?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott ein alter Mann mit Bart ist. Das Bild von Gott ist ein Gemachtes, kein Verebtes. Aber wir wissen, dass alles, was in der Welt geschieht, einen Grundfaden hat. Ich glaube an einige Sachen nicht. Ich glaube nicht daran, dass es irgendwann einmal Bumm gemacht hat und dann war unser Universium da. Das ist nur möglich, wenn es diese Energie, diese Kraft, die das kann, schon gegeben hat. Und diese Kraft muss schöpferisch sein.

Sie glauben also nicht, dass etwas auf uns wartet nach dem Tod?

Ich tue mir sehr schwer, mir vorzustellen, dort oben steht der Petrus und sagt Grüß Gott, wenn ich komme oder auch der Teufel, der mich hinunter zieht. Was passiert sehe ich erst, wenn ich tot bin. Vorher glaube ich es nicht.

In Ihrem Lyrikband "Als er anklopfte, der mit seiner Knochenhand" schreiben Sie über den Tod. Hat sich Ihre Ansicht seither verändert?
Ich glaube, von mir behaupten zu können, dass ich keine Angst vor dem Tod habe. Und ich hoffe ihn zu akzeptieren, wenn es so weit ist. Was ich weiß ist, dass mir ein Stück Leben gegeben wurde, aus dem ich was machen muss. Wenn ich halbwegs harmonisch mit mir selbst bin – nicht fehlerlos, das ist niemand – dann kann ich gelassen dem entgegen gehen, was mich erwartet. Ich kann mit meinen 80 Jahren nur raten: Schau, dass du ein Leben führst, für dass du dich nicht 23 Mal am Tag entschuldigen muss.

Sehen Sie sich als Theologen, Herr Zauner?

Ganz im Gegenteil. In die Theologie würde ich mich nie einmischen. Es gibt so viele Konfessionen. Keiner davon würde ich folgen.

Warum dann Bibelstücke?
Ich bin mit zehn Jahren zur Bibel gekommen. Grillparzer hat Fragmente veröffentlicht und aus einem Grund, den ich nicht mehr weiß, habe ich die "Esther" damals fertig geschrieben. Als ich dann später ein Jahr in Rom war, habe ich wenige Bücher mitgenommen. Die Bibel war darunter. Das erste, was ich gelesen habe, war die Passion. Und daraus habe ich das erste Theaterstück geschrieben. Ich war einfach fasziniert, wie klug, wie spannend und toll die Geschichten in der Bibel darin sind. Ich habe die Bibel nie als Gebetsbuch gesehen, sondern als Kulturgut. Deshalb sehe ich mich auch nicht als Bibelschreiber, sondern als Geschichtenerzähler.

Nächstes Jahr bei den Evangelienspielen ist das Stück "Zeichen und Wunder" zu sehen.
Ja und es geht um Jesus von Nazareth und die Wunder, die er gewirkt hat. Und dazu muss ich sagen: Ich bin kein Kirchengeher. Vieles ist mir zu kitschig. Deshalb ist mir wichtig, die Bibelgeschichten nicht zu interpretieren, sondern sie realitäts- und lebensnah widerzugeben – wörtlich in gewisser Hinsicht.

Glauben Sie auch im privaten Leben an Zeichen und Wunder?
Natürlich. Aber Wunder ohne Spektakel. Wissen Sie was ein Wunder ist? Dass ein zehnjähriger Zauner, aufgewachsen in einem Dorf hundert Kilometer entfernt von jeder Hochkultur, ein Buch entdeckt, mit dem er eine Art Seelenfreundschaft eingeht. Das möchte ich mit meinem Publikum machen. Von diesen kleinen Wundern lebt eine Schriftstellerkarriere.

Rückblickend gesehen: War das Schreiben genau das, was Sie machen wollten?

Ja, weil ich das Glück hatte, nie ein armer Schriftsteller gewesen zu sein. Unserer Familie hat es nie an etwas gemangelt. Aber wir hatten auch keine übertriebenen Ansprüche. Wir sind zum Beispiel nie auf Urlaub gefahren. Wobei ich hier sagen muss, dass wir trotzdem viel herumgekommen sind, weil wir zu Lesungen und Symposien eingeladen wurden (lacht).

Eine sehr bodenständige Einstellung. Sind Sie deshalb stets Ihrer Heimat Rainbach treu geblieben?
Das liegt daran, dass wir damals stur wie immer waren und einfach innviertlerisch sind (lacht). Hier in Rainbach ist unser Elternhaus und wir wollten, dass unsere Kinder in einem Dorf aufwachsen, in dem sie laufen können. Unsere Ziele waren nie Geld, Karriere oder Name.

Ihre Romanreihe "Das Ende der Ewigkeit" ist seit mehr als 20 Jahren vergriffen. Kommt eine Neuauflage nicht in Frage?
Dazu bräuchte ich das Wunder (lacht). Es ist noch kein passender Verlag für eine Neuauflage aufgetaucht. Es ist schon kurios: Der letzte Band der Ewigkeit wurde in einer Online-Buchhandlung in den USA um 2000 Dollar verkauft.

War das immer ihr Ziel? Dass Ihre Literatur nachgefragt wird?
Natürlich ist es schön, gelesen zu werden. Aber wir leben in einer Zeit, in der sich wenige Menschen mit Literatur beschäftigen. Viele geraten in Vergessenheit. Und ich bin nicht dumm genug zu glaube, dass das mir nicht auch passieren kann.

Haben Sie denn keine Angst vorm Vergessenwerden?
Nein, das gehört dazu. Warum sollte sich jemand nach mir umdrehen, nur weil ich Geschichten schreibe.

Aber was heißt es dann für Sie, als "bedeutender Autor der Gegenwartsliteratur" zu gelten?
Ich wollte die Menschen nie bei der Hand nehmen und irgendwohin führen. Sie nicht politisch aktivieren. Die Menschen sollen selbst zu Schlüssen kommen und ich wollte ihnen dafür Denkanstöße geben. Was ich behaupten kann ist, dass ich seit 60 Jahren Schreibender bin und mich nie habe vereinnahmen lassen. Zwei große Ströme habe ich überlebt – die Trümmerideologie nach dem Krieg und die 68-Ideologie.

Haben Sie das Gefühl, fertig zu sein?
Ich wollte immer noch den "Daniel" schreiben. Aber "Elias", mein aktuelles Stück, das jetzt herauskommt, wird wahrscheinlich mein letztes sein.

Warum?
Die Augen machen das Schreiben mühsam. Und "Daniel" ist sperrig. Und nicht nur, weil Löwen für die Theaterbühne schwer zu bekommen sind (lacht).

Das heißt, Sie spüren Alterserscheinungen?
Aufgrund der Makula kann ich nicht mehr lesen – auch Gesichter nicht mehr.

Ist das für einen Schriftsteller nicht das Schlimmste, nicht mehr lesen zu können?
Jetzt bin ich in einem Alter, wo es mich nicht mehr zerreißt, wenn ich nicht mehr schreiben kann.

Heißt das auch, die Evangelienspiele gehen dem Ende entgegen?
Nein, sicher nicht. Der neutestamentalische Zyklus wird auf jeden Fall weiter geführt. Und dann werden die Kinder weitermachen. Sie werden jetzt schon eingearbeitet. Mein Wunsch ist, dass sich eine Gruppe um die Evangelienspiele bildet, die später selbstständig arbeitet. Eine Einladung ergeht bei dieser Gelegenheit an alle, die dabei sein wollen. (lacht).

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