"Nirgends so viele Frühschoppen wie in Taufkirchen"

Karl Winklhamer (93) und seine Frau Anna sind seit 64 Jahren verheiratet. Die Veränderungen in der Gemeinde in den letzten 80 Jahren haben sie hautnah miterlebt.
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TAUFKIRCHEN (bich). Karl Winklhamer ist mit seinen 93 Jahren der älteste Einwohner Taufkirchens. Weshalb er auf seinem Acker um sein Leben rannte und wieso Christine Kaufmann bei ihm im Wagen saß, darüber sprach er zusammen mit seiner Frau Anna mit der BezirksRundschau.

BezirksRundschau: Seit wann leben Sie in Taufkirchen?
Karl Winklhamer: Ich war 13 Jahre alt, als ich mit meinen Eltern 1935 nach Taufkirchen gezogen bin. Seitdem lebe ich hier auf unserer Landwirtschaft.
Anna Winklhamer: Und ich bin seit 1952 hier.

Was ist das Besondere an Taufkirchen und an den Taufkirchnern?
Anna Winklhamer: Ich habe mich hier immer wohl gefühlt, hätte nirgends anders sein wollen.
Karl Winklhamer: Die Gemeinschaft, Geselligkeit und Offenheit zeichnet Taufkirchen und die Taufkirchner aus. Ich glaub, es gibt keinen Ort in der Umgebung, wo es so viele Frühschoppen gibt wie in Taufkirchen. Auch wenn meine Frau und ich durchs Alter nicht mehr so viel herum kommen wie früher.

Was ist Ihr schönstes Platzerl in Taufkirchen?
Beide: Wo man seinen Sitz hat ... bei uns daheim.

Taufkirchen hat viel zu bieten. Was schätzen Sie besonders?
Karl Winklhamer: Es gibt viele Vereine in Taufkirchen. Ich selbst war in meiner Jugend im Turnverein und im Gesangsverein aktiv, bin seit mehr als 70 Jahren bei der Jägerschaft. Da entwickeln sich viele Freundschaften, ein großes Zugehörigkeitsgefühl. Der Zusammenhalt zwischen den Leuten ist in Taufkirchen groß. Und dass ich gleich neben dem Junior-Olympiasieger wohn', den ich von klein auf an kenn. So kann ich dem Lukas Weisshaidinger immer beim Trainieren zuschauen (grinst).

Sie sind 93 Jahre alt. An welche Ereignisse in Taufkirchen erinnern Sie sich gerne zurück?
Karl Winklhamer: An unsere Hochzeit vor 64 Jahren. Die war damals an einem Dienstag, früher waren Hochzeiten grundsätzlich an Dienstagen.
Anna Winklhamer: Ja, und die Mutter der Braut durfte nicht dabei sein. Das war früher auch so Brauch.
Karl Winklhamer: Auch gerne zurück erinnere ich mich an die Zeit des berühmten Taufkirchner Kinos, der Eichberger Lichtspiele. Dafür waren wir Mitte der 1950er Jahre im ganzen Land bekannt. Zu den Filmpremieren kamen dann auch die großen Filmstars zu uns. Und ich durfte sie damals immer vom Flughafen abholen, da ich eines der ersten Autos in Taufkirchen besaß. Den Toni Sailer oder die Christine Kaufmann zum Beispiel.
Anna Winklhamer: Auch viele Taufkirchner sind damals immer wieder mal zu uns gekommen und haben uns gebeten sie zu chauffieren. Ich kann mich noch erinnern, dass wir eine Nachbarin mit Wehen ins Spital nach Linz fahren sollten. In Alkoven haben wir dann den allerersten Mähdrescher gesehen und sind vor Staunen stehen geblieben und ausgestiegen, um ihn zu bestaunen. Die Frau haben wir einfach sitzen lassen. Aber wir haben's dann eh noch rechtzeitig zur Geburt ins Krankenhaus geschafft (lacht).

Was ist in den letzten 80 Jahren in Taufkirchen passiert, was man so schnell nicht vergisst?
Karl Winklhamer: Als ich gegen Ende des Zweiten Weltkriegs von einem Tiefflieger auf dem Feld hinter unserm Hof fast erschossen wurde. Der kam im Tiefflug, um den Zug, der damals 500 Meter hinter unserer Landwirtschaft entlang fuhr, zu beschießen. Ich mit dem Pferd und der Egge auf dem Feld. Ich hab das Pferd abgeschirrt, bin aus der Schusslinie und hab mir gedacht: Jetzt bin ich von Stalingrad heil heimkommen und dann werd i daheim erschossen.
Anna Winklhamer: Nach dem Krieg hatten wir dann narrisch viele Flüchtlinge am Hof, sicher so um die 40. Südtiroler, Franzosen, Banater. Die haben alle im Haus gewohnt.
Karl Winklhamer: Dann schlug 1971 der Blitz in unseren Stadl ein und es brannte. Verletzt wurde Gott sei Dank niemand, die Tiere konnten auch fast alle gerettet werden.

Taufkirchen heute und damals - was hat sich verändert?
Anna Winklhamer: Die Landwirtschaft hat sich als Ganzes verändert, ist heute ganz anders. Früher waren mehr Leute am Hof. In den 1950er Jahren hatten wir sieben Dienstboten. Und wenn einer auf den Hof gekommen ist, etwa zum Kontrollieren oder zum Probearbeiten, dann blieb er fast immer über Nacht und wurde verköstigt. Jetzt ist nur mehr die Familie am Hof.
Karl Winklhamer: Früher hat man einfach die meiste Zeit zu Hause am Hof verbracht. Da gab's sonst nicht so viel. Und die Landwirtschaft war vor allem Handarbeit. Dann ist die Maschinisierung gekommen. Und es brauchte immer weniger Leute am Hof.
Anna Winklhamer: Und viele Berufe von früher, gibt's auch nicht mehr oder nicht mehr so wie damals. Da sind die Sattler, Schuster, Binder, Wagner und Schneider alle an den Hof gekommen, um ihr Handwerk auszurichten.
Karl Winklhamer: Begräbnisse sehen heute auch anders aus. Früher wurden die Toten zu Hause aufgebahrt und die Nachbarn sind zum Beten gekommen. Zum Begräbnis ging's dann direkt von daheim zum Friedhof.

Was ist gleich geblieben?
Beide: Gar nichts.

Hier geht's zurück zum Hauptartikel der Ortsreportage "Daheim in Taufkirchen".

Karl Winklhamer (93) und seine Frau Anna sind seit 64 Jahren verheiratet. Die Veränderungen in der Gemeinde in den letzten 80 Jahren haben sie hautnah miterlebt.
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