St. Pöltner Autor: "Verfassungsschutz überfordert"
"Einsame Wölfe", V-Leute und Sicherheitslecks: Robert Klement stellt Polizeiarbeit in Sachen Islamismus kein gutes Zeugnis aus.
ST. PÖLTEN (jg). Wir hatten vergangene Woche Glück. „Ich habe schon alles gepackt“, sagte Robert Klement kurz vor seiner Reise nach Polen. „Jetzt ist mir eh fad.“ Kurz darauf saß der Staatspreisträger für Literatur im Metropol und sprach über sein neues Buch „Halbmond über Rakka – Verführung Dschihad“, in dem er den Verfassungsschutz als überfordert darstellt und vor "einsamen Wölfen" warnt.
Sie haben das Credo des rasenden Reporters Egon Erwin Kisch übernommen: „Nichts ist erregender als die Wahrheit.“ Um welche Wahrheit geht es in Ihrem neuen Roman?
Mich hat interessiert, wie sich scheinbar normale Jugendliche in radikale Monster verwandeln können – angetrieben von einer Religion, die sie für den Islam halten, mit dem Islam selber aber gar nichts zu tun hat. Die Frage der Verführung stand im Mittelpunkt.
Wie ist es denn möglich?
Ich habe das meiste durch Prozessbeobachtung unter anderem gegen den 14-jährigen in St. Pölten, der angeblich eine Bombe am Westbahnhof zünden wollte, erfahren. Gemeinsam war den angeklagten Jugendlichen der fehlende Vater. Allah ist dann der Ersatzvater, der den Weg weist, der straft, der lobt.
Für Ihre Bücher sind Sie u.a. nach Brasilien, in die CSSR, nach Armenien und Nepal gereist. Hat sich die räumliche Nähe zum Inhalt des aktuellen Buches auf Ihre Arbeit ausgewirkt?
Als die beiden Mädchen im Frühjahr 2014 von Wien nach Syrien gezogen sind, habe ich gespürt, dass eine neue gefährliche Jugendkultur im Entstehen ist: Islamisten haben das Internet mit ihrer Propaganda ganz professionell geflutet. Österreich hat auf diese Gefahr zu spät reagiert. Man hat den Islamisten das Internet kampflos überlassen – eine Gefahr, die mir durch meine Recherchen bewusst geworden ist.
Welche Gefahr geht nun konk-ret von dieser Propaganda aus?
Ich habe einen Draht zur Polizei. Bei meinen Recherchen bekam ich mit, wie der Verfassungsschutz arbeitet. – Ich habe ihn als durchaus überfordert wahrgenommen. Es gibt Sicherheitslecks, es gibt anonyme Hinweisgeber an die Medien, immer wieder dringen Infos nach außen, dann die bezahlten V-Leute im Islamistenmilieu, die zum Teil falsche und erlogene Informationen liefern und dafür bezahlt werden. Angesichts der Propaganda sehe ich die größte Gefahr bei den einsamen Wölfen – viele, viele religiöse Fanatiker, die der Verfassungsschutz gar nicht am Radar hat. Ich glaube nicht, dass bei uns irgendwo eine Bombe hochgeht. Aber diese Wahnsinnigen, die wirklich glauben, sie müssen für ihren Gott sterben – dieses Einzeltätertum greift immer mehr um sich. Wenn die Herren vom Verfassungsschutz dahingehend in dem Buch ein gewisses Korrektiv und Impulse sehen, würde es mich freuen.
Wo besteht Ihrer Meinung nach Handlungsbedarf?
Es hilft nicht unbedingt, in noch mehr Überwachung und Polizei zu investieren. Terrorbekämpfung muss Terrorursachen-Bekämpfung sein, und Terrorursachen-Bekämpfung heißt, noch mehr in Integration zu investieren.
Zum Buch
Robert Klement hat für "Halbmond über Rakka" Prozesse gegen terrorverdächtige Jugendliche beobachtet, einen Dschihad-Heimkehrer getroffen und im türkisch-syrischen Grenzgebiet recherchiert. Er wird den Roman beim St. Pöltner "Blätterwirbel" (20. Oktober 2016) vorstellen.
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