ODERMENNIG. Märchen und Geschichten für Kinder, Kindsköpfe und Kind gebliebene - Teil 84

Im heutigen Märchen nehme ich den Odermennig unter die Lupe. Aufgrund seiner entzündungshemmenden Wirkung ist er bei Sängern und Sprechern in Form von Tees angeblich sehr beliebt. Seine wohltuende Wirkung auf die Stimmbänder spiegelt auch der Spitzname „Sängerkraut“ wider. Auch bei Entzündungen der Haut soll er lindernd wirken. Früher wurde ihm eine stark wundheilende Wirkung zugeschrieben. Der deutsche Name Odermennig soll von "ottermächtig" kommen, was auf eine mögliche Heilwirkung bei Schlangenbissen hinweist. Wer Odermennig unters Kopfkissen legt, hat angeblich einen besonders tiefen Schlaf.

Odermennig ist aber auch eine starke Schutzpflanze. Eine Odermennig-Räucherung so sagt man, schützt vor Verfluchungen und negativen Energien. Zu Maria Himmelfahrt gehört er seit jeher ins Kräuterbüscherl. Odermennig in Duftpotpourris holt die frische Energie der Pflanze ins Haus. Die Bachblüte Agrimony steht für Ehrlichkeit und soll von der scheinbaren Harmonie zum wirklichen inneren Frieden führen. Das klingt so schön, dass ich das zumindest in Form einer Räucherung gleich selber einmal ausprobieren werde! Aber leider ist der Odermennig bei uns am Englmair-Berg für heuer schon verblüht...

Das Amulett der alten Wilbirg

"Ein zartes Büberl bringst du mir da, Schwarzenwaldnerin! Aber trotzdem spür ich große Fähigkeiten in dem kleinen Kinderl..."

Im kleinen Dorf Pingau war es Sitte, die Neugeborenen zur weisen Wilbirg hinaufzubringen und von ihr den Segen der Naturgeister zu erbitten. Ein heidnischer Brauch, der fast schon ewig zu bestehen schien. Denn droben am Waldrand hatte seit Menschengedenken eine Weise Frau über die Menschen im Dorf gewacht.

Der Schwarzwaldnerin wurde ganz ungut zumute. Dass ihr Butzerl gar zart geraten war, wusste sie selbst. Und was brauchte ein Bauer schon große Fähigkeiten in sich tragen.

Lange studierte die Alte das Neugeborene. "Hier geb ich dir ein Säcklein mit. Der kleine Michael soll es später wie ein Amulett um den Hals tragen. Sein Inhalt kann Leben retten und wird ihm noch gute Dienste tun!"

Die Schwarzwaldnerin nahm's und verstaute es daheim gleich in ihrem Wäscheladl. Sie hatte sich von der weisen Wilbirg schon etwas mehr erwartet als unzusammenhängendes Geschwätz und ein altes Lederbeutelchen mit dubiosem Inhalt. Weil aber die Wilbirg etwas ziemlich Respekt einflößendes an sich hatte, beschloss sie ihrem Rat zu folgen und das Säcklein für ihren Jungen aufzuheben.

Die Jahre vergingen. Aus dem zarten Säugling wurde ein zarter Jüngling mit gar seltsamen Anlagen, die gar nicht zu einem Bauern passen wollten. Denn der Michael sang von Herzen gern und konnte jedem Instrument auf Anhieb die richtigen Töne entlocken.

"Gib ihn mir für die Kirche!" drängte der Pfarrer Michaels Vater. "Der MIchael ist der geborene Prediger. Seine Stimme erhebt sich mühelos über alle anderen und die Orgel spielt er wie kein zweiter im Dorf!"

Doch der Schwarzenwaldner schüttelte vehement den Kopf: "Nein, Herr Pfarrer! Der Michael bleibt daheim. Für einen Bauern ist er zwar klein und zart, aber wir werden ihm schon ein Auskommen finden!"

"Wie gut die alle wissen, was aus mir werden soll!" lachte der Michael, der dem Gespräch heimlich gelauscht hatte, verschmitzt in sich hinein. "Wenn die nur wüssten!" Heimlich hatte er längst beschlossen, von zu Hause weg zu gehen, um sich in der Stadt zum Opernsänger ausbilden zu lassen.

Noch in der selben Nacht nahm er Amulett und das Bschoad-Binkerl, das schon lange gepackt in einem Winkel seiner Kammer gestanden hatte, sagte der Mutter sie solle sich nicht grämen und weg war er - auf dem Weg in eine neue abenteuerliche Zukunft.

Als er einen halben Tagesmarsch hinter sich gebracht hatte, hörte er plötzlich einen lauten Schrei und sah einen großen Mann der am Wegesrand zusammensackte. Sein Knöchel blutete. Durch das Gras wand sich eine Schlange zischend davon.

"Schnell, Bursche! Hol einen Doktor! Eine Schlange hat mich gebissen! Jetzt lauf schon!" Anstatt davonzulaufen fasste MIchael jedoch schnell an sein Beutelchen. "Was für mich lebensrettend sein kann, müsste doch auch anderen helfen!" Schnell saugte er die blutende Bisswunde aus, spuckte Gift und Blut aus und streute etwas von der pulvrig zermahlenen Pflanze aus seinem Beutelchen in die Wunde. Danach wusch er sich gründlich den Mund aus. Glücklicherweise sprudelte neben der Böschung eine kleine Quelle hervor.

"Was hast du da mit mir gemacht?" schrie nun der Mann entsetzt, der sich langsam von seinem Schock erholte. "Bist du etwa ein Heilkundiger?" Da erzählte Michael dem Mann von der Prophezeiung der Alten und dem Amulett, das er seit seiner Kindheit um den Hals trug. "Meine Mutter sagte, dass Odermennig im Amulett drinnen ist!"

"Dann bin ich ja beruhigt" antwortete der Mann erleichtert. "Odermennig hilft wirklich bei Schlangenbissen. Ich weiß das, weil ich Apotheker bin. " Die beiden unterhielten sich noch eine Weile und Michael erzählte ihm, dass er sich in der Stadt zum Sänger ausbilden lassen wollte. "Schade!" sagte der Mann. "Du hast ein gutes Gespür für Pflanzen und ihre Heilkraft. Wenn du willst, könnte ich dich zum Apotheker ausbilden." Michael überlegte kurz, wog Für und Wider ab und beschloss, dem Mann zu folgen. Immerhin wäre er so zumindest in der Stadt und hätte ein Auskommen.

Michael lernte schnell und Apotheker Heller war sehr zufrieden mit seinem neuen Lehrling. Beim Herstellen der Salben und Tinkturen begann der Bursch ein jedesmal zu singen - und schon bald öffneten sich überall in der Nachbarschaft Fenster und Läden, und die Menschen erfreuten sich an seiner wunderschönen Stimme.

"Du hast Talent, mein Junge!" sprach ihn eine Kundschaft an, die sich regelmäßig Gurgelwasser für die Gesangsstimme holte. Ich bin Giaccomo Mastri, der neue Tenor am Opernhaus. Komm doch am Sonntag Vormittag zu mir, wenn du Lust hast. Ich könnte dir Gesangstunden geben und dich zum Opernsänger ausbilden." Giaccomo Mastri war als Opernstar gerade am Zenit seiner Karriere angelangt. Die Menschen jubelten ihm zu, die Frauen lagen ihm zu Füßen. Trotzdem war er einsam. Einem jungen Burschen ein paar Gesangsstunden zu geben, war genau die Abwechslung, die er suchte.

So kam es, dass Michaels Leben bald wunderbar ausgefüllt war. Wochentags erlernte er das Herstellen aller möglicher Arzneien und am Sonntag lehrte ihm Maestro Giaccomo wie ein richtiger Opernstar zu singen. "Nächsten Sonntag gebe ich Puccinis neue Oper Tosca vor ausverkauften Haus! Du weißt schon - die die ich die ganze Zeit über geprobt habe. Wenn du Lust hast, habe ich hier noch eine Karte für dich!"

Als Michael am Sonntag die Künstlergarderobe betrat, um Giaccomo Glück zu wünschen, fand er sich in hellem Chaos wieder. "Der Maestro hat seine Stimme verloren und auch die 2. Besetzung ist krank! Was für ein Unglück! Was für ein Unglück!" schallte es ihm verzweifelt entgegen.

Wieder griff Michael an seine Brust, um das Amulett zu umfassen. Schnell leerte er etwas von Wilbirgs Pulver in ein Glas Wasser, rührte um und verabreichte es Maestro Giaccomo.

"Michaele! Du bist ein Schatz! Ich spüre sofort wie es besser wird! Nur singen kann ich heute Abend trotzdem nicht! Das wäre eine Katastrophe!" Da breitete sich plötzlich ein Lächeln über das geschminkte Gesicht des Tenors aus. "Du wirst für mich singen, Michaele!

Bevor er wusste, wie ihm geschah, legten Maskenbildner und Kostümschneider bereits Hand an, um den Bauernsohn in einen schillernden Opernstar zu verwandeln. Der Vorhang hob sich und Michael sah sich einer Publikumsmasse gegenüber, wie er sie sein Lebtag noch nicht erlebt hatte. Texte und Arien kannte er auswendig - hatte er Giaccomo nicht unzählige Male beim Proben zugesehen. "Wenn ich ihn jetzt nur nicht blamiere!" sagte er sich immer und immer wieder.

Erst der tobende Applaus Riss ihn aus seiner Trance. Als das Publikum einen Vorhang nach dem anderen verlangte begann es langsam in ihm zu dämmern, dass er soeben den Sprung auf die Bühnen dieser Welt geschafft hatte.

Droben im Wald saß die uralte Wilbirg bei einer Tasse Malzkaffe in die sie eine Semmel bröckelte und studierte aufmerksam die Zeitung. Auf der Titelseite befand sich ein Foto vom Schwarzenwaldner Michael wie er sich gerade die Seele aus dem Leib sang und darüber stand in dicken schwarzen Lettern: Laie stürmt die Bretter die die Welt bedeuten. Bauernsohn bringt Opernhaus zum Tosen..." Da begann sie breit und zahnlos zu grinsen und musste dann lachen bis ihr die Seiten weh taten: "Ja, ja, Schwarzenwaldnerin! S' is schon was dran an den wirren Reden der alten Wilbirg!"

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