Währings Bezirkschefin Silvia Nossek im Interview: "Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben"
Im Interview mit der bz spricht Silvia Nossek (Grüne) über frischen Wind in Währing, ihre Pläne und - wie könnte es anders sein - das Parkpickerl.
WÄHRING. Ganz fertig mit dem Einziehen ist Silvia Nossek noch nicht. Die Bezirksvorsteherin hat im Dezember das Amt von Langzeit-Chef Karl Homole (ÖVP) übernommen. An ihn erinnern noch die blauen Wände in ihrem Büro. „Zumindest sind die Bilder mit den Goldrahmen schon weg“, sagt Nossek und setzt sich.
Sie sind seit fünf Monaten im Amt. Was haben Sie denn bis jetzt gelernt?
SILVIA NOSSEK: Ich habe mit viel Arbeit gerechnet und gelernt, dass es tatsächlich noch mehr Arbeit ist. Ich habe viel über das Wiener Magistrat gelernt, weiß aber wahrscheinlich erst einen Bruchteil. Gleichzeitig muss man lernen, wie Dinge umgesetzt werden. Mit wem man wann über ein bestimmtes Thema reden muss, damit auch etwas passiert.
Gibt es da auch Hilfe vom Vorgänger oder von Kollegen, beim Einarbeiten?
Also vom Vorgänger gibt es keine Unterstützung, wobei ich sagen muss dass der Herr Hofmole - wir hatten ja eine relativ lange Übergangszeit zwischen Wahl und Angelobung - das sehr korrekt abgewickelt hat. Danach habe ich keinen Kontakt mehr mit ihm gehabt, obwohl ich ihn gern verabschiedet hätte. Aber ich verstehe das: Er ist wirklich im Ruhestand.
Mit den anderen Kollegen habe ich Kontakt, am meisten natürlich mit Thomas Blimlinger. Ich bin sehr froh, da einen erfahrenen grünen Kollegen zu haben.
Sie wurden, sagen Sie, wegen des Parkpickerls gewählt. Aber trotzdem: Die Mehrheit hat sich dagegen ausgesprochen. Warum führen Sie es ein?
Mein Vorgänger hat zwei Meinungsumfragen dazu gemacht. Ich hätte das nicht getan. Das geht an der Intention der Stadtverfassung vorbei. Die zweite Sache: Das Parkplatzproblem ist in Währing enorm und die Aufgabe der Politik ist es, dass sie Lösungen findet. Wir haben über 50 Prozent aller Straßenbahnblockaden, die in Wien stattfinden. 2015 waren es in Währing 297. Das hat natürlich mit der Parkplatzsituation zu tun, weil die Leute sich in ihrer Verzweiflung einfach irgendwo hinstellen. Wir haben eine Parkplatzauslastung von teils über 100 Prozent, weil illegal geparkt wird.
Das Bauprojekt am Neustifter Friedhof hat in Währing heftigen Widerstand hervorgerufen. Wie Silvia Nossek dazu steht und wie es dort weitergeht, erfahren Sie im Video.
Ein weiteres Projekt von Ihnen?
Die Währinger Straße. Das ist eine gut funktionierende Einkaufsstraße. Gleichzeitig ist sie von der Verkehrsorganisation her ein Produkt der 1970er- und 1980er-Jahre. Das heißt: möglichst viele Parkplätze – und das zulasten der Gehsteige. Nebeneinander gehen, bummeln, das geht hier alles nicht. Da werden wir ein relativ großes Beteiligungsprojekt machen, um mit Geschäftsleuten, Verkehrsplanern und Anrainern zu schauen, was gute Lösungen sein könnten, um mit der Währinger Straße den Schritt ins 21. Jahrhundert zu machen.
Soll es in Währing eine Begegnungszone geben?
Es gibt keine Straße, wo das für mich auf der Hand liegt. Ich sehe Begegnungszonen als Mittel, um bestimmte Ziele zu erreichen – und ich sage nicht: „Währing braucht unbedingt eine!“
Was passiert beim Semmelweis-Areal?
Wir werden - da bin ich gerade dabei, das zu organisieren - ein Beteiligungsprojekt rund um das Semmelweis-Areal machen. Es geht darum, wie der vorhandene öffentliche Raum gestaltet wird. Wir haben als grüne Opposition damals nicht verhindern können, dass dort Bauland gewidmet wurde. Was wir erreicht haben ist, dass dort öffentliche Durchgänge gewidmet sind, die sind aber noch nicht ausgestaltet. Da gilt es jetzt, mit den Institutionen und mit den Anrainern Kontakt aufzunehmen. Ich würde gerne noch heuer beginnen, weiß aber nicht ob das gelingt.
Was muss eine Bezirksvorsteherin können?
Man muss am Kontakt mit Menschen und an der Auseinandersetzung Lust haben. Man muss mit Komplexität umgehen können. Es ist einfach so, dass sechs, sieben Bälle gleichzeitig in der Luft sind. Es braucht die Fähigkeit, die Dinge im richtigen Moment festzuzurren und dann auch wieder loszulassen. Das übe ich gerade. Bezirkspolitik hat viel mit Ermöglichung zu tun: Wie schafft man es, dass etwas in Bewegung kommt?
Ist Ihr Amt mit den richtigen Kompetenzen ausgestattet?
Im Großen und Ganzen ja. Ein bisschen seltsam finde ich, dass der Bezirk die Schulerhaltung finanziert. Da gibt es ein Stadtratsbüro, den Stadtschulrat. Den Bezirk nur als Geldgeber dazuzusetzen, ist komisch. Sinnvoller wäre es, ein Budget für Koordinationsaufgaben zu haben, um Schulen und die Nachbarschaft vernetzen zu können. Ich mache das schon auch, aber man muss viel Fantasie bei der Finanzierung walten lassen.
Sie sind mit dem Slogan angetreten, frischen Wind nach Währing zu bringen. Geht es Ihnen um einen neuen Stil in der Politik oder um neue Inhalte?
Um beides. Die Politik der 1980er- und 1990er-Jahre hat sich darauf ausruhen können, dass es ein Nachkriegswirtschaftswunder gab und dass der Klimawandel kein Thema war. Das hat sich geändert. Ich könnte versuchen, das so lange wie möglich zu erhalten. Es ist uns ja gut gegangen. Wenn man das auf Währing herunterbricht: einfach weiter Gehsteige in Parkplätze umwidmen, damit sich jeder ein Auto kaufen und im öffentlichen Raum abstellen kann. Aber das würde den Bezirk ungemütlich machen. Wenn das dann immer nur ein Weiterschleppen ist, kommt dabei Verdrossenheit heraus. Da hinzugreifen, ist ein Risiko. Es gab schon oft Themen, wo mir gesagt wurde: „Magst du das wirklich machen? Das wird einen Aufruhr geben.“ Aber zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.
Interview: Karl Pufler und Christine Bazalka
Zur Person:
Silvia Nossek (51) war von 2009 bis 2012 Landessprecherin der Wiener Grünen und arbeitete bis 2015 als Organisationsberaterin.
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