Killer-Selfie im X1/9
Es ist mir nicht gelungen, uns cool aussehen zu lassen. Selfie ist eben nicht mein Ding. Dafür ist die Karre sehr cool. Ein Bertone-Keil. Der Fiat X1/9, wie er 1972 auf den Markt kam.
Michael Toson ist einer der Mechaniker, von denen ich in letzter Zeit gelegentlich erzählt habe. Ein kluger Bursche von ruhigem Wesen. Er wäre nicht gerüstet, mit einem Philosophieprofessor Streitgespräche zu führen. In seinem Leben stehen andere Dinge auf der Hauptliste ganz oben.
Mir helfen solche Freundschaften, um über eigene Schatten hinaus zu gelangen. Der Geist ist wie ein Scheinwerfer. Sein Leuchtkegel hat Grenzen, hinter denen es sofort dunkel wird. Ich wäre von zu viel Nacht umgeben, wollte ich nur meinen eigenen Möglichkeiten trauen.
Wenn wir dann eine Runde plaudern, was auch heißt, einmal um den Block oder um die Stadt zu kommen, sauge ich vergnügt den Autogeruch einer anderen Welt ein. Der heisere Mittelmotor kocht einem direkt im Kreuz seine Mischung aus Öl und Benzin und – nicht zu vergessen – Bleizusatz.
Die Karre sitzt tief und ist so hart, daß man besser noch intakte Bandscheiben hat. Gegen ein ansteigendes Straßenstück, wie vor dem Gleisdorfer Rathaus, auch nur annähernd elegant auszusteigen ist in meiner Gewichtsklasse fast unmöglich.
Manchmal kommt Toson in seinem anderen Klassiker, der merklich komfortabler, aber genau so tief sitzend ist. Der Ferrari Mondial könnte als ziemlich kostspieliger Liegestuhl durchgehen. Ebenso eine Mittelmotor-Granate, Body allerings von Pininfarina.
Man muß sich von der Marke nicht blenden lassen. Es geht um das Weltmodell. Diese Autos sind noch ganz konkrete Maschinen. Das heißt, jede ihrer Komponenten bildet ihre Funktion ab. All das läßt sich mit einem Werkzeugsatz aus einem vergangenen Jahrhundert bewältigen.
Es ist eine Welt der greifbaren Dinge, in der das Begreifen eine andere Kultur hat als die Welt der abstrakten Maschinen, die sich uns – eingekapselt, abgekapselt – in der Betrachtung und im Verstehen weitgehend entziehen.
Es geht hier aber auch noch um etwas anderes. In meinem Nachdenken über die Gegenwart der Pop-Kultur bin ich bei Überlegungen gelandet, wie Mode und Wirtschaft die letzten zweihundert Jahre über die Silhouette der Frauenkörper verfügt haben und wie sich das dann in Massenprodukten zeigt.
Dabei gibt es kuriose Parallelen zwischen den Moden der Frauen und dem Autodesign. Die Busenwunder der 1950er-Jahre korrespondieren mit dem „Detroit Baroque“. Was dann zur knabenhaften Twiggy führte, fand seine Entsprechung im Verlauf von der Edge-Line zur Wedge-Line, also Keilform.
Dieser Fiat X1/9 ist unter den einst gerade noch erschwinglichen Zweisitzern sicher der prominenteste Keil, designed by Bertone. Ein Jahrzehnt später kam Toyota mit genau so einem „Midship Runabout“, dessen erster Bauweise man bei etwas Aufmerksamkeit in der Oststeiermark auch noch begegnen kann.
+) In logischer Verbindung zu "The Track: Pop" [link]
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