Mythos Puch: Betriebe vor Ort
Kaufleute möchten zeigen, was sie können und müssen zeigen, was sie haben. Das liegt im Wesen ihrer Tätigkeiten.
Anders ausgedrückt, bei den Leuten, mit denen ich zu tun habe, geht es nie bloß ums Geld. Da sind stets auch Geschichten im Spiel. Zweierlei Geschichten. Die der Personen selbst und die der Güter, mit denen sie handeln.
Für Mythos Puch III habe ich wieder etliche Geschäftsleute aus der Kleinregion Gleisdorf gewinnen können, nicht bloß mit Dingen, sondern auch mit ihren individuellen Zugängen einzusteigen.
Wenn Manfred Gutmann (Gutmann Objektkunst) seine Fahrzeug-Unikate zeigt, offenbart der Profi-Handwerker seine umfassenden Ambitionen und Fertigkeiten, die einst in der agrarischen Welt unverzichtbar waren, wo man nicht dauernd zum Professionisten ging, um etwas anzuschaffen oder etwas reparieren zu lassen.
Wenn Bernhard Lagler (Lagler Autosattler) mit seiner sagenhaften Puch 800 (Vierzylinder Boxer aus Graz) vorbeischauen wird, handelt das nicht bloß von privater Sammelleidenschaft, sondern von der ganzen Lebensgeschichte, die schon im Tun des Großvaters begründet ist. Er erinnert uns nebenher daran, daß sich Handwerk und Ingenieurswesen erst vor kaum mehr als hundert Jahren getrennte Wege suchten, um über Personen wie Lagler wieder verknüpft zu werden.
Wenn sein nicht direkt verwandter Namensvetter Gottfried Lagler von Solar Café Pizzeria Figaro, ein einfallsreicher Wirt und vorzüglicher Koch, uns seine Garagentore öffnet, zeigt sich eine Mischung aus persönlicher Biographie und allgemeiner Moblitätsgeschichte des Landes nach dem zweiten Weltkrieg. Das äußert sich auch in Laglers kulturellem Engagement.
Wo Alois Neffe (Zweirad Neffe) eine moderne Vespa zeigt, steht das unter anderem für Verläufe in einem Stück Familiengeschichte, welche über landwirtschaftliche Maschinen und eine Steyr-Puch-Vertretung zur Gegenwart führt, welche die Mobilitätsgeschichte der Region abbildet.
Wenn Peter Eberl (Agentur Hai.CC) historische Vespas zeigt, verknüpft das einerseits die Meta-Ebene des Erzählens, wie sie der Agenturprofi pflegt, mit andererseits den privaten Passion, in welcher er sich handwerkliches Geschick angeeignet hat. Denken und Tun, Reflexion und Zugreifen bleiben eben verbunden.
Norbert Janisch, mit seinem Betrieb Shört.Com wie Eberl im Gleisdorfer G20 ansässig, arbeitet nun gerade an der T-Shirt-Edition „Mythos Puch“. Er setzt moderne EDV und Drucktechnik ein, um ein altes Bekleidungselement aus der Arbeitswelt in seinem neuen kulturellen Zusammenhang darzustellen.
Hier geht es keinesfalls bloß um Business, sondern auch um ein eigentümliches Erzählen, bei dem eines der bedeutendsten Kleidungsstücke des 20. Jahrhunderts zum tragenden Medium wird; auch ganz im ursprünglichen Sinn des Wortes.
Mythos Puch ist ein Projekt des Kuratoriums für triviale Mythen, das unter anderem einem speziellen Fokus des Kulturlabors Kunst Ost gewidmet wurde. Diese Region erzählt sich quasi selbst, wenn man das Tun engagierter Leute näher betrachtet. Darin blättert sich eine atemberaubende Geschichte auf, die sich quer durch das 20. Jahrhundert ereignet hat.
P.S:
In letzter Zeit wird viel von Heimat, Identität und unserer Kultur gesprochen. Das braucht man nicht in den Hinterzimmern von Ideologie-Werkstätten abfragen. Wenn man mit dem Menschen spricht, die in unserem Lebensraum Dinge am laufen halten, erfährt man viel über solche Zusammenhänge, ohne daß sich jemand in Phrasendrescherei ergehen würde.
+) Mythos Puch III [link]
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