Jeder hat Recht auf Schokolade
Von der Börse an die Supermarktkassa– so kann man die bewegte Karriere von Alexander Schiel beschreiben. Der ehemalige EDV-Experte hat die Seiten gewechselt und ermöglicht mit seinen Sozialmärkten Menschen, die wenig haben, auch die Schokoladenseiten des Lebens zu genießen.
Braucht man Schokolade zum Leben? Das wird Alexander Schiel oft gefragt. Er führt in Favoriten und in der Hernalser Kalvarienberggasse Sozialmärkte. Das Prinzip ist einfach: Er bekommt Ware von Firmen und verkauft diese um ein Vielfaches billiger. Einkaufen dürfen bei ihm Menschen mit schlechter gestelltem Einkommen. Und es gibt auch Schokolade im Sozialmarkt! „Es ist ein Lebensgefühl. Klar kann man sich nur von Wasser und Brot ernähren, aber es erhöht den Selbstwert, Schokolade essen zu können, auch wenn man wenig Geld hat“, sagt Schiel.
Alexander Schiel ist im Adlerhof in Neubau aufgewachsen. Am Neubauflohmarkt hat er schon als Kind gerne verkauft. Da aber eher Dinge wie die Korallenkette seiner Mutter. „Sie hat sie nie getragen und ich konnte mein Taschengeld aufpeppen“, witzelt er über seine Gedanken von damals. Er hat sie um nur 20 Schillinge verkauft.
Vor zweieinhalb Jahren hat er den allerersten Sozialmarkt der Bundeshauptstadt gegründet. „200.000 Menschen sind betroffen und könnten das Angebot nutzen“, erzählt er. Bei Schiel kaufen mehr als 22.000 Betroffene, also mehr als ein Zehntel davon, ein.
Von der Börse an die Kassa
Zwischen 50 bis 80 Tonnen Produkte, vorrangig Lebensmittel, verkauft er im Monat. Gewinn gibt es trotz des hohen Abgangs aber keinen: Um seinen Kunden Vielfalt bieten zu können, investiert er und kauft Lebensmittel an. Dabei hat sein beruflicher Werdegang anders begonnen: Nach einer EDV-Lehre bei der ÖBB arbeitete er als EDV-Techniker bei der Wiener Börse, wo er als Betriebsrat im Aufsichtsrat saß. Im Alter von 21 Jahren war er somit der Jüngste im Aufsichtsrat. Projekte wurden besprochen, neue Börsenstandpunkte beschlossen. Schiel war für die Vertretung der Interessen der Belegschaft zuständig „Das war damals sehr aufregend für mich“, erzählt Schiel. Als Vorbereitung für den Sozialmarkt hat ihm das aber nicht gereicht.
Und somit entschloss er sich, von der Börse an die Kassa im Supermarkt zu wechseln. Zur Vorbereitung im Einzelhandel nahm Schiel einen samstäglichen Kassajob an. „In den Pausen bin ich immer durch die Gänge gegangen und habe alles angeschaut“, erinnert er sich an das halbe Jahr vor der Eröffnung seines Sozialmarktes. „Die Menschen kommen nicht nur zum Einkaufen, sie wollen auch reden. Da erzählen sie Dinge, die mir sehr nahegehen“, erzählt Schiel. Den ersten Urlaub hat er in Dubai verbracht. „Ich konnte das ganze erste Jahr einfach nicht abschalten. Es war eigenartig für mich. Um das Geld könnten andere besser leben“, dachte er schon während des Urlaubs. Immer mit dabei: sein Lebensgefährte Martin. Seit vier Jahren sind die beiden jetzt zusammen.
Die schönen Momente
Kennengelernt haben sie sich beim Chatten. „Das gibt’s in der Schwulenszene nicht so oft, dass jemand so lange fix zusammen und treu ist“, erzählt er stolz von seiner Beziehung. „Martin hat bei den Anfängen des Sozialmarktes mitgeholfen, ich rechne ihm das hoch an. Auch jetzt noch opfert er seine Zeit, hilft an der Kassa oder kümmert sich um die Warenabholung.“
Im Laden im zehnten Bezirk prangt ein Schild: Dominic Heinzl Platz. „Kennengelernt habe ich ihn beim Ersteigern einer Motorradfahrt für die Kinderkrebshilfe“, erzählt er. Mittlerweile habe sich eine sehr gute Freundschaft entwickelt. Heinzl schaut ab und zu ohne Kamera im Markt vorbei. „Da freuen sich die Kunden immer ganz besonders“, sagt Schiel. „Letztens kam eine Frau mit Fotos auf mich zu. Darauf sah man ein Behindertenklo. Dann hat sie mir erzählt, dass sie sich das jetzt endlich leisten konnte, weil sie hier so billig einkauft. Das sind die schönen Momente!“
Elisabeth Mondl
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