Militärkommandant Muhr im Interview
"Wir bräuchten zusätzlich 120 Millionen Euro in OÖ"

Oö. Militärkommandant Dieter Muhr: "Man kann so nicht weiter machen, wir müssen die Gebäude herrichten und sanieren".  | Foto: Land OÖ
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Dieter Muhr ist seit 5. Februar 2019 Militärkommandant von Oberösterreich. Der gebürtige Wiener lebt in Kronstorf (Bezirk Linz-Land) und ist seit 1986 beim Bundesheer. Details zu Brigadier Muhr finden Sie hier: "Kommandoübergabe in OÖ".

BezirksRundschau: Vor Kurzem wurden ja Österreicher aus China ausgeflogen und vom Bundesheer dann in Frankreich abgeholt. Inwieweit war das oö. Bundesheer involviert?
Muhr: Wir haben für den Transport der Personen von Frankreich nach Oberösterreich gesorgt. Das Kriterium war, das Flugzeug so vorzubereiten, dass es im Anschluss dekontaminiert werden konnte – und das ist ja nachher auch erfolgt.

Stimmt es, dass die Planen, die das Bundesheer im Flugzeug angebracht hatte, alle verbrannt werden mussten?
Ja, das stimmt. Die vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen müssen durchgeführt werden, sobald man in Oberösterreich landet. Im Prinzip läuft das Ganze so ab: Das Außenministerium kontaktiert die Personen im Ausland, das Innenministerium ist für die Evakuierung zuständig und dieses wendet sich an das Verteidigungsministerium, weil wir die Flugzeuge haben. Wir sind dann praktisch im Assistenzeinsatz – und dazwischen ist noch das Gesundheitsministerium beteiligt, weil es sich nicht um Flüchtlinge oder Menschen, die in Kampfhandlungen verwickelt sind, handelt. Es ist jedenfalls innerhalb der Ministerien intensiv zusammengearbeitet worden.

Wie oft könnte das Bundesheer mit der C-130 ausrücken und solche Missionen durchführen – täglich, wöchentlich?
Ein Teil der Flugzeuge ist immer in der Wartung, grundsätzlich stehen uns also zwei Maschinen zur Verfügung. Zuletzt waren die Propeller „unsafe“, deshalb sind die Maschinen eine Zeitlang nicht geflogen. Das hat schon etwas eingeschränkt.

Aber theoretisch wären ein bis zwei Einsätze pro Woche kein Problem?
Ja, aber mit der C-130 müssen wir auch die Auslandseinsätze des Bundesheeres bedienen und die Flugzeuge müssen für mögliche Evakuierungen aus den Auslandseinsätzen bereit gehalten werden. Aber für eine Zeitlang können wir sicher öfters Flüge machen, wenn es notwendig sein sollte. Monatelang wird es nicht gehen, weil wir die Versorgungsflüge ja auch noch zustande bringen müssen.

Die Frage hat generell auf die Luftstreitkräfte und das Bundesheer abgezielt. Wie ist denn der Zustand der Truppe in OÖ – und speziell der Luftstreitkräfte?

Wir haben bei Technik, Personal und Infrastruktur Nachhol- und Investitionsbedarf. Für die Saab 105 soll mit Ende des Jahres Schluss sein und ein Nachfolgeflugzeug wird gesucht.

Ist da konkret schon was in Aussicht?
Es sind mehrere Typen in Erprobung, mehr kann ich dazu noch nicht sagen. In Hörsching ist zudem noch die Agusta Bell 212 stationiert, die hat gerade ein Midlife-Update hinter sich – man ist nun auf ein digitales Cockpit umgestiegen. Die können sicher noch mehr als zehn Jahre fliegen.
Aber: Wir haben derzeit großen Nachholbedarf beim Personal – Piloten, Techniker, Bodenpersonal. Wir stehen natürlich im Wettbewerb mit der Wirtschaft und dort sieht es punkto Arbeitskräfte genauso aus. Die Attraktivität des Dienstes im Luftbereich hängt auch damit zusammen, womit man fliegen kann und was man dabei verdient. Wenn es ein modernes, neues Gerät gibt, dann zieht das junge Menschen an.

Oö. Militärkommandant Dieter Muhr: "Man kann so nicht weiter machen, wir müssen die Gebäude herrichten und sanieren".  | Foto: Land OÖ
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Wie sieht es bei der Infrastruktur in Hörsching aus?
Im Infrastrukturbereich gäbe es natürlich Investitionsbedarf. In Hörsching bräuchten wir 18 bis 20 Millionen Euro – dann wäre alles wieder gut beisammen. Ob nun ein neues Flugzeug zusätzlichen Investitionsbedarf in der Infrastruktur mit sich bringt? Davon gehe ich aus. Wenn man etwa den Eurofighter betrachtet: Jeder Flieger kostet Hunderte Millionen Euro, den kann man nicht wie einen Traktor draußen stehen und anregnen und anfrieren lassen.

Ex-Verteidigungsminister Thomas Starlinger hat im Vorjahr einen ungeschönten Blick auf die Truppe geworfen und sinngemäß gesagt: Wenn nicht massiv investiert wird, ist bald ein Punkt erreicht, an dem es nicht mehr geht. Teilen Sie diese Einschätzung?
Ja, sicher. Wenn nicht zusätzlich investiert wird, werden wir nicht zustande bringen, was von uns verlangt wird. Wenn nicht Geld in die Hand genommen wird und neue Flugzeuge angeschafft werden, dann fliegen keine Flugzeuge mehr. Dann können wir aber nicht sagen, dass wir eine aktive Luftraumüberwachung haben. In unserem Sprachjargon heißt das, wir verlieren „Fähigkeiten“. Wir verlieren aber auch an Know-how und wenn nicht investiert wird, verlieren wir an Personal, an Attraktivität – und irgendwann kommt man in einen Abwärtsstrudel, den man erst wieder durchbrechen muss. Daran arbeiten wir gerade.

Also, 18 Millionen Euro ist der Investitionsbedarf nur für Hörsching. Wie viel müsste in ganz OÖ investiert werden, um wieder „up to date“ zu sein?
Wir bräuchten circa 120 Millionen Euro, um alles auf Stand zu bringen, um wieder gut weiterarbeiten zu können. Da ist aber kein einziger Quadratmeter Neubau dabei, kein anderes Material oder Fahrzeug – sondern nur die Kosten für die Infrastruktur.
Wir haben Keller, die feucht sind. Wir haben Dächer, die undicht und Fenster, die kaputt sind. Es gibt viele Dinge, die nicht zeitgemäß sind. In der Garnisonstraße mussten wir vor Kurzem ein Gebäude wegen Einsturzgefahr sperren. Wo in OÖ gibt es sonst noch öffentliche Gebäude, die einsturzgefährdet sind? Das würde ich gerne sehen.
In Hörsching sieht jetzt alles wieder recht ordentlich aus, aber das ist nur gegangen, weil wir Ebelsberg zugesperrt haben und deswegen Geldmittel übrig geblieben sind. Dadurch konnten wir in Hörsching und ein bisschen in Wels investieren. Aber trotzdem hat nicht jeder Grundwehrdiener eine Steckdose für ein Handy oder WLAN. Das gibt es nicht, weil wir es nicht zahlen können.

Also, nur zum Verständnis: Sie sagen, dass Sie einen Investitionsbedarf von 120 Millionen Euro haben – und das Ministerium sagt, dass Sie kein zusätzliches Geld bekommen?
Ja, genau. Wir bekommen jährlich ungefähr 13 bis 15 Millionen Euro für Infrastruktur und Betrieb in OÖ zur Verfügung gestellt.

Sie bräuchten aber eine einmalige Finanzspritze von 120 Millionen Euro?
Nein, das könnten wir auf einmal gar nicht verarbeiten. Das könnten wir vielleicht in zehn Jahren abarbeiten. Wenn wir etwa die Kaserne Ried herrichten, die eigentlich am Ende ist, bräuchten wir 60 Millionen Euro. Wenn wir jedes Jahr das aktuelle Budget bekommen, und vielleicht noch ein klein wenig mehr, dann bräuchten wir 25 Jahre, um die Kaserne herzurichten. Und da würden wir dann nichts in andere Liegenschaften investieren können.

Was meinen Sie damit, dass die Kaserne am Ende ist?
Stellen Sie sich ein Gebäude vor, das 1940 gebaut wurde, und in dem seither kaum etwas gemacht wurde. Ein Gebäude muss alle zwanzig Jahre saniert werden und bei uns ist seit Jahrzehnten aus Kostengründen zu wenig passiert.

Heißt das, dass Teile der Kaserne gesperrt werden müssen?
Das hoffen wir nicht. Die Gebäude sind jetzt nicht einsturzgefährdet, aber man kann so nicht weitermachen. Wir müssen die Gebäude herrichten und sanieren. Die letzte Kaserne, die in Oberösterreich gebaut wurde, war Ende der Siebzigerjahre die Kaserne Kirchdorf. Seitdem ist nicht wirklich was gebaut worden, null, nada!
Einzig bei der Heeresunteroffiziersakademie in Enns wurden ein Wirtschafts- und ein Sportgebäude gebaut, aber das auch nur, weil die HUAK direkt beim Ministerium angesiedelt ist.
Also 13 bis 15 Millionen haben wir Baubudget, aber davon müssen wir auch den Betrieb, wie etwa das Heizen, zahlen. Von den 15 Millionen bleiben somit etwa neun Millionen übrig. Damit decken wir nur mehr die größten Notwendigkeiten ab: ein undichtes Dach hier, kaputte Fenster dort. Alleine in der Linzer Garnisonstraße sind fünf Wasserrohrbrüche offen und ein nasser Keller – das müssen wir dringend herrichten.
Einzig das Wasser wurde abgedreht, aber sonst können wir nichts machen.
Zudem gibt es noch das Thema des Denkmalschutzes. Wenn wir in Hörsching neue Fenster machen, dann müssen wir die genauso machen, wie die in den 1940er-Jahren ausgesehen haben. Das verteuert das Ganze natürlich neuerlich.

Was heißt das jetzt alles für das Heer in OÖ?
Es gibt nichts zu beschönigen, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Die neue Ministerin Klaudia Tanner ist jedenfalls dahinter, da wird nichts weggeschoben. Und zuletzt wird immer deutlicher, dass der Zustand des Bundesheeres bei den Menschen angekommen ist.

Bleibt die Anzahl der Kasernen in OÖ bestehen?
Das entscheide zwar nicht ich, aber ich gehe davon aus, ja. Auch deswegen, weil wir komplett voll sind. Wenn wir einen Standort auflassen wollten, müssten wir Gebäude bauen und die Leute dort unterbringen – dazu haben wir das Geld ja gar nicht. Wir haben keine Möglichkeit, in Neubauten zu investieren. Aber, und das ist unser Credo: Wir machen uns investitionsbereit, egal welche Mittel kommen.

Sie haben zuvor gesagt, der Zustand des Heeres ist bei der Bevölkerung angekommen. Warum ist das so? Etwa aufgrund der höheren Zahl von Naturkatastrophen, zu denen das Bundesheer zur Hilfe gerufen wird?
Ja, sicher. Der Zustand des Heeres ist bei den Menschen angekommen – bei Politik, Gesellschaft und Medien. Vielleicht muss man das auch breiter sehen: Der Klimawandel macht uns allen zu schaffen – was früher Winter waren, da muss man heute schon die Schneeflocken suchen. Zudem die Sicherheitslage rundherum, da glauben die wenigsten, das man das alles im Griff hat – Stichworte: Putin, Erdogan, Kim, China, Trump, Brexit, Ukraine, Libyen und Syrien. Dann gibt es Proteste in Frankreich, Probleme in Italien, die osteuropäischen Staaten gehen innerhalb der EU ihren eigenen Weg. Und gleichzeitig leben wir hier in Österreich im „Land ohne Sorgen“. Gott sei Dank sind wir von vielen Unannehmlichkeiten verschont.
Ich denke einfach, dass mittlerweile auch in Österreich die Bevölkerung das Gefühl beschleicht, dass wir uns nicht mehr ganz so aus der Affäre ziehen können, indem wir denken, dass uns das alles nicht betrifft.

Sind Sie optimistisch, dass in den nächsten Jahren zumindest ein Teil des Investitionsrückstandes beim Heer abgebaut werden kann?
Der Rückstau in ganz Österreich beträgt bis zu 20 Milliarden Euro. Wenn wir was Modernes aufziehen wollten, wird es wahrscheinlich noch viel mehr kosten. Man muss verstehen, dass wir erst am Beginn der Aufstellung neuzeitlicher Streitkräfte stehen – Stichworte: Robotik, künstliche Intelligenz. Wenn man nach Großbritannien blickt: Der nächste Abfangjäger hat keinen Piloten mehr und auf den Panzern sind schon Drohnen drauf, die ständig das Umfeld beobachten.

Also im Umkehrschluss heißt das: Das Bundesheer lebt von den Rekruten, die einberufen werden? Denn ein Berufsheer würde unter diesen Voraussetzungen ja gar nicht funktionieren.
Jedes Heer funktioniert, wenn man es will. Aber ja, in der derzeitigen Ausprägung des Bundesheers könnten wir auf den Dienst der Grundwehrdiener nicht verzichten. Das Heer wäre ohne Grundwehrdiener und auch ohne Miliz nicht vorstellbar.

Wäre eine Senkung der Tauglichkeitskriterien eigentlich positiv für das Heer in OÖ?
Wenn Teiltaugliche zu uns kommen, bestimmte Aufgaben übernehmen und dadurch Volltaugliche frei machen, ist das sehr positiv für uns. Aber wir haben noch keine Erfahrungen damit. Wir werden sehen, ob die Teiltauglichen dann auch wirklich zum Bundesheer gehen, oder doch zum Zivildienst.

Aber wenn jemand teiltauglich ist, kann der den Dienst an der Waffe nicht wirklich ausüben, sondern eher nur im Büro sitzen, oder?
Also: Jeder muss Soldat sein. Die Teiltauglichkeit geht in die Richtung, dass jeder eine gewisse Ausbildung zur Selbstverteidigung braucht und die Handhabung der Waffe beherrscht. Inwieweit die ehemals Untauglichen dann in Zukunft teiltauglich sind, wird man sich ansehen müssen.

Fotos: Land OÖ/Bundesheer/Gunter Pusch

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